Einstmals vernachlässigtes industrielles Energierecycling kommt auf Touren
Ungefähr zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs industrieller Prozesse entfallen auf Wärme. Etwa ein Drittel des industriellen Energiebedarfs entweicht in die Umwelt. Ungeachtet dieser beeindruckenden Zahlen wird nicht ausreichend in Wärmerückgewinnungstechnik investiert. Grund dafür ist, dass der größte Anteil dieser vergeudeten Energie mindere Qualität aufweist. Eine Rückgewinnung von Niedertemperaturwärme zwecks Wiederverwendung an einer anderen Stelle innerhalb einer Industrieanlage ist mit den derzeit etablierten Technologien üblicherweise nicht praktikabel oder wirtschaftlich lohnend. Das EU-finanzierte Projekt Indus3Es hat nun ein kostengünstiges System entwickelt, das diese Herausforderungen angeht. Absorptionswärmetransformatoren maximieren die bei Temperaturen unter 150 °C mögliche Wärmerückgewinnung. Das System wurde in einem echten industriellen Umfeld, dem in der Türkei ansässigen petrochemischen Unternehmen Tüpraş, installiert und demonstriert. Dabei handelt es sich europaweit um einen der ersten Einsätze von Absorptionswärmetransformatoren in den letzten Jahren.
Wärmerückgewinnung jetzt auch für niedrige Temperaturen rentabel
Der Schlüssel zur technisch und wirtschaftlich realisierbaren Abwärmerückgewinnung liegt im Verständnis der Beschaffenheit der Energie, denn die Temperaturverteilung der Abwärme hängt ganz vom Industriesektor ab. Insgesamt liegt ein großer Anteil der Abwärme in den meisten Industriezweigen bei einer Temperatur von unter 200 °C. Jedoch sind wirtschaftlich rentable Technologien zur Wärmerückgewinnung und -wiederverwertung bisher in erster Linie auf Abwärmequellen mit mittlerer bis hoher Temperatur eingeschränkt. „Der im Rahmen von Indus3Es entwickelte Absorptionswärmetransformator gewinnt Niedertemperaturabwärme auf effektive Weise zurück und wertet diese zu wettbewerbsfähigen Kosten auf. Er erzeugt unter Einsatz von Abdampf mit einer Temperatur von etwa 100 °C eine angewärmte Strömung, die im Raffineriebetrieb erneut verwendet werden kann. Insgesamt nutzt er etwa 50 % der ansonsten an die Atmosphäre abgegebenen Niedertemperaturwärme“, erklärt Projektforscher Asier Martínez-Urrutia.
Die allgemeinen Arbeitsprinzipien
Absorptionswärmetransformatoren haben Betriebszyklen, die denen von Absorptionskältemaschinen entgegengesetzt sind, die aus Wärme Kälte erzeugen. Beide sind aus einem Kondensator, einem Verdampfer, einem Absorber und einem Generator aufgebaut. Der Unterschied besteht darin, dass der Absorber und der Verdampfer nun bei hohem Druck, jedoch der Kondensator und der Generator bei niedrigem Druck arbeiten. Aus dem Indus3Es-System kann eine für den Hochtemperaturbereich geeignete Quelle wiederverwertbarer Wärme mit einer Temperatur erzeugt werden, die höher als die der Niedertemperaturabwärme ist, wodurch die Temperatur des Prozessstroms von 65 °C auf 135 °C erhöht wird. Die an der Projektforschung Beteiligten demonstrierten mehrere Neuerungen innerhalb des entwickelten Systems, die auf dem Wissen über den Betrieb von Absorptionskältemaschinen basieren. Dazu zählen die Implementierung von zwei adiabatischen Absorptionsbetriebsarten, ein motorloses Spülsystem für unerwünschte nicht kondensierbare Gase und eine neuartige Automatiksteuerung auf der Grundlage einer charakteristischen Gleichung.
Und nun die Technologie an die Kommerzialisierung heranführen
„Mit der Nutzung der industriellen Abwärme könnte der Bedarf an fossilen Brennstoffen gesenkt und die Effizienz unzähliger Prozesse verbessert werden“, stellt Martínez-Urrutia fest. „Mit unserem Absorptionswärmetransformator sind große Energieeffizienzsteigerungen in energieintensiven Industrien denkbar; insbesondere gilt das für die Sektoren Chemie und Pharmazie, Zellstoff und Papier, Lebensmittel und Getränke sowie für Raffinerien“, so Martínez-Urrutia. Neben der Einsparung von Primärenergie und der Reduzierung von CO2-Emissionen ergab eine erste Überwachung des Systembetriebs weitere vielversprechende Ergebnisse. „Die Amortisationszeit des 200-kW-Systems wird tatsächlich weniger als zehn Jahre betragen, was ein äußerst positiver Wert für einen ersten Prototyp der 200-kW-Leistungsstufe ist. Unseren Schätzungen zufolge hätte sich eine marktreife Ausrüstungsinvestition in etwa sechs Jahren amortisiert“, fügt Martínez-Urrutia hinzu. Die Forschung verfolgt nun das Ziel, Systeme zu entwickeln, die in noch größeren Maßstäben arbeiten können. Martínez-Urrutia schlussfolgert, dass sich „die Amortisationszeit bei einem 1-MW-Absorptionswärmetransformator auf zwei Jahre verkürzen würde.“ Mit höheren Kapazitäten könnte ein enormer Aufschwung im Einsatz eines solchen Absorptionswärmetransformators in den energieintensiven Industrien einhergehen.
Schlüsselbegriffe
Indus3Es, Abwärme, Absorptionswärmetransformator, Niedertemperatur, Wärmerückgewinnung, industrielle Energie, Absorptionskältemaschine, energieintensive Industrie, Energieeffizienz