Finnische Forschungsgruppe schafft Basis für Medikamente gegen Zeckenvirusinfektion
Da das Europäische Zentrum zur Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bei der letzten jährlichen Zählung nur 16 Todesfälle durch das Enzephalitis-Virus (TBEV) in Europa registrierte, ist das öffentliche Interesse daran bislang eher schwach. In vielen Regionen Europas und Asiens steige allerdings die Zahl dieser durch Zecken auf Säugetiere (auch Menschen) übertragenen Virusinfektion, wie Maria Anastasina, Forscherin an der Universität Helsinki, anmerkt. Hierzu könnten klimabedingte Veränderungen beitragen, durch die sich Zecken außerhalb der üblichen Jahreszeiten und auch in neue Habitate ausbreiten, sowie die verstärkte freizeitliche Nutzung von Hotspot-Gebieten. Laut ECDC kann das TBE-Virus nicht nur lebensbedrohlich sein, sondern durch Entzündungsprozesse im Hirngewebe auch zu dauerhaften neurologischen Schäden führen. Unterstützt durch die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen entwickelte Maria Anastasina nun die Basis für künftige Therapien gegen das sich in Europa ausbreitende Virus. In diesem Jahr verzeichnete das ECDC einen dreifachen Anstieg der Infektionszahlen in Süddeutschland. Das Projekt 2STOP_TBE erstellte 3D-Modelle des TBE-Virus, um seine Struktur und Funktionsweise auf molekularer Ebene zu ermitteln. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, das Virus mit spezifischen niedermolekularen Wirkstoffen an der Vermehrung zu hindern. „Unsere Daten vereinfachen die Suche nach neuen Wirkstoffen und die Optimierung von Wirkstoffkandidaten“, erläutert Maria Anastasina, die von Prof. Sarah Butcher, Leiterin der Abteilung Kryogenetik und Elektronenmikroskopie bei FINStruct, betreut wurde. „Bald schon wollen wir detaillierte Daten zur Bindung der Wirkstoffkandidaten an das Virus liefern, um auf dieser Basis deren Wirksamkeit zu verbessern.“ Die Forschenden veröffentlichten ihre Ergebnisse zum TBE-Virus in dem Artikel ‚Tick-Borne Encephalitis Virus: A Structural View‘, Verlag MDPI.
Neue Möglichkeiten für Medikamente
Obwohl es schwierig war, die Struktur des Virus in seinen einzelnen Lebenszyklen zu ermitteln, ist dies für die Forschung an neuen Wirkstoffen unerlässlich. Gelöst wurde das Problem, indem die Forschenden Protokolle für die Gewinnung hochaufgereinigter, konzentrierter Präparate aus verschiedenen Viruspartikeln erstellen. Die Struktur der Partikel wurde mittels Kryo-Elektronenmikroskopie bestimmt, einer Spitzentechnologie, die die Makromoleküle in natürlichem, hydratisierten Zustand darstellt und analysiert, ohne sie durch chemische Fixiermittel zu schädigen. Dabei bot sich eine kürzlich entdeckte Tasche auf der Oberfläche eines Virus, das aus der gleichen Familie stammt, als viel versprechende therapeutische Zielstruktur an. „Es gibt potenzielle Wirkstoffe gegen das TBE-Virus, die bei diesem Virus an eine ähnliche Tasche binden“, erklärt Maria Anastasina. „Mit unserem hochauflösenden Modell des TBE-Virus können wir diesen Zielbereich gut sichtbar machen und untersuchen, auf welche Weise die potenziellen Wirkstoffe an diese Tasche binden, und mit welcher chemischen Optimierung sich daraus Virostatika gegen das TBE-Virus herstellen lassen.“ Um weitere antivirale Zielstrukturen zu finden, untersuchte das Projekt auch die Reifung des TBEV-Partikels, identifizierte zelluläre Proteine, die das Virus zur Vermehrung braucht, und entwickelte eine Plattform für das Wirkstoff-Screening, die die Suche nach Inhibitoren der Virussynthese vereinfachen soll. Die Forschungsergebnisse zum TBE-Virus könnten lebenswichtig werden, da viele Menschen nicht einmal wissen, dass sie in Risikogebieten wohnen oder Urlaub machen. „Welche Regionen von virusinfizierten Zecken betroffen sind, lässt sich meist nicht genau sagen“, schließt Maria Anastasina.
Schlüsselbegriffe
2STOP_TBE, durch Zecken übertragene Enzephalitis, Hirnhautentzündung, kryogene Elektronenmikroskopie, Virus