Die molekularen Mechanismen von Nierenkrebs verstehen
Nierenkrebs gehört zu den 10 häufigsten Krebserkrankungen in westlichen Ländern, wobei das klarzellige Nierenzellkarzinom (ccRCC) die häufigste Unterart ist (75 %). Bei 30 % der untersuchten Personen mit klarzelligem Nierenzellkarzinom liegt bei Diagnose eine metastasierende Erkrankung vor, weitere 30 % bilden nach der Operation Metastasen. Bildet das klarzellige Nierenzellkarzinom Metastasen, ist es nahezu unheilbar. Forschende des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) am Universitätsklinikum Essen entdeckten zuvor, dass das tumorsuppressive BRCA1-assoziierte Protein-1 (BAP1) in 15 % der Fälle von klarzelligem Nierenzellkarzinom inaktiv ist. Sie fanden heraus, dass niemals gleichzeitig Mutationen im BAP1 und Mutationen des Tumorsuppressorgens PBRM1 vorliegen können. Des Weiteren wurde der BAP1-Verlust mit höheren Tumorstadien, der Aktivierung des Proteinkomplexes mTORC1 und insgesamt geringerer Überlebenschance verbunden. Tumore mit PBRM1-Verlust hingegen wurden mit geringeren Tumorstadien und insgesamt besserer Überlebenschance in Verbindung gebracht. Diese erste molekulargenetische Klassifizierung von des klarzelligen Nierenzellkarzinoms könnte fassbare klinische Auswirkungen haben, da Tumore mit BAP1-Verlust allgemein aggressivere pathologische Eigenschaften aufweisen und eher metastasieren. Doch es bleibt unklar, durch welche molekularen Mechanismen der BAP1-Verlust die Metastasenbildung und Tumoraggressivität auslöst.
Regulationsebene bestimmt
Das EU-finanzierte Projekt VulneraBAP1 ging diese Herausforderung mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen an. Durch die Untersuchung der molekularen Mechanismen, die hinter der Unterdrückung eines miRNA-Musters in Verbindung mit Metastasierung durch BAP1 stehen, haben Forschende Behandlungsmöglichkeiten erkannt. Eine miRNA ist ein kleines nichtcodierendes RNA-Molekül, das beim RNA-Silencing und bei der post-transkriptionalen Regulierung der Genexpression eine Rolle spielt. Eines der Hauptziele der europaweiten Initiative beinhaltete die Bestimmung und Charakterisierung des BAP1-Proteinkomplexes, der sich an Clusterträger der microRNA (miRNA) bindet. Samuel Peña-Llopis, Leiter der Nachwuchsgruppe am DKTK, erläutert dazu: „Wir haben den minimalen Regulationsbereich von BAP1 auf die Trägerregion und einige interessante Proteine eingegrenzt, indem wir gemeinsam mit einer Proteomikgruppe des Deutschen Krebsforschungszentrums Massenspektrometrie einsetzten.“ Ein weiteres wichtiges Ziel war die Bestimmung genetischer Schwachstellen des BAP1-Verlusts durch eine Strategie, die sich auf synthetische Letalität stützt. Synthetische Letalität tritt auf, wenn eine Kombination von Defiziten in der Expression von zwei oder mehr Genen zu Zelltod führt, obwohl ein Defizit in nur einem dieser Gene es nicht getan hätte. Es wurden mehrere „Kandidatentreffer“ in vitro validiert und derzeit läuft die Validierung dieser in vivo unter Verwendung von Mäusemodellen der Metastase. „Wir verwendeten die Immunhistochemie von BAP1 als Biomarker der BAP1-Mutation sowie eine Methode, um gleichzeitig genomische DNA, RNA, kleine RNA (auch miRNA) und Proteine aus Gewebe für Genomikanalysen zu entnehmen, welche wir vorher entwickelten. Unsere zentrale Erkenntnis war die Bestimmung von Schwachstellen des BAP1-Verlusts, die therapeutisch ausgenutzt werden könnten“, erklärt Peña-Llopis.
Neue Behandlungen für erkrankte Personen
Die spannendste Entwicklung von VulneraBAP1 ist das translationale Potenzial zur Klassifizierung von Patientinnen und Patienten mit BAP1-Verlust, der allgemein mit aggressiveren Tumoren, höherer Wahrscheinlichkeit der Metastasierung und schlechter Überlebenschance assoziiert wird. VulneraBAP1 kann den BAP1-Verlust in der Immunhistochemie zur Bestimmung von Menschen mit Nierenkrebs oder anderen Tumoren mit Mutationen des BAP1 verwenden, die von neuartigen im Projekt entwickelten Behandlungen profitieren würden. „Die Projektergebnisse werden von medizinischen Fachkräften, klinischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Forschenden eingesetzt, um letztendlich Menschen mit Krebs mit Mutationen des BAP1 zu helfen, wie Nierenzellkarzinom, Aderhautmelanom, Mesotheliom oder Gallengangskarzinom“, so Peña Llopis abschließend.
Schlüsselbegriffe
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