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Reconstructing the origins of animal multicellularity using experimental evolution

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Neue Hinweise auf jenen Moment des Mehrzellerlebens, in dem alles begann

Der Übergang zu mehrzelligen Lebensformen war ein entscheidender Schritt der Evolution, aber er könnte auch anders als ursprünglich angenommen verlaufen sein. Zunehmend deuten Beweise darauf hin, dass die raffinierte genetische Maschinerie, die notwendig ist, um komplexere Lebensformen entstehen zu lassen, bereits bevor überhaupt die ersten mehrzelligen tierischen Lebewesen entstanden, bei mehreren Einzellern in Gang gekommen war.

Grundlagenforschung icon Grundlagenforschung

Alle Tiere haben sich vor Millionen Jahren aus einem einzelligen Vorfahren entwickelt. Eines der größten evolutionären Rätsel unserer Zeit besteht darin, zu verstehen, wie das Leben diesen spektakulären Sprung von der Einfachheit der Einzeller zur Komplexität der Vielzeller geschafft hat. Die Wissenschaft beginnt gerade erst damit, die einzelnen Puzzleteile zu finden, die uns sagen können, was da eigentlich passiert ist. Ereignisse aus den Fernen der Vergangenheit zu rekonstruieren, ist ziemlich schwierig, denn der einzellige Urahne aller Tiere ist schon lange ausgestorben. „Neueste phylogenomische Studien deuten darauf hin, dass Choanoflagellaten, Filasterea und Ichthyosporea zu den nächsten lebenden einzelligen Verwandten der Tiere zählen, ebenso wie Schimpansen die nächsten Verwandten des Menschen im Tierreich sind“, erläutert Omaya Dudin, Koordinator des Projekts MULTICELLEXPEVO, das im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanziert wurde.

Faszinierende und doch in Vergessenheit geratene Organismen

Der Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiat erhielt einen Ambizione-Beitrag des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, auf dessen Grundlage er sein eigenes Labor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) gründen konnte. Speziell konzentrierte er sich auf Ichthyosporea, da ihnen seiner Meinung nach bislang am wenigsten Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Unter den Holozoa ist diese Gruppe einzelliger Eukaryota die einzige Linie, die während ihres Lebenszyklus Koenozyten bildet. Ein Koenozyt ist eine Zelle, die mehrere Runden Kernteilung ohne die dazugehörige Zytokinese durchläuft. In der Ichthyosporea-Zelle, die anfangs nur einen Kern hat, können bis zu 128 Kerne wachsen, die sich dasselbe Zytoplasma teilen, bevor sie die Zellularisierung durchläuft. Besonders an Ichthyosporea ist außerdem, dass ihre Kulturen einfach miteinander synchronisiert werden können. Das heißt, für wissenschaftliche Zwecke können problemlos Zellen im gleichen Wachstumsstadium herangezüchtet werden. „Als Biologe, der sich mit der Dynamik des Zytoskeletts beschäftigt, ging mir als erstes die Frage durch den Kopf, wie eine große vielkernige Zelle die Bildung hunderter einkerniger Zellen bewirken kann“, fügt Dudin hinzu.

Wunderschöne und geheimnisumwobene Aktinnetzwerke

Zur Untersuchung und Lokalisierung von Proteinen im Zellinneren setzte der Forscher Bildgebung lebender und fixierter Zellen sowie Inhibitoren ein. Er wandte sich der Ichthyosporea Sphaeroforma arctica (S. arctica) zu, die robuster und einheitlicher als andere Arten erschien. Das Team wies nach, dass die Zellularisierung in S. arctica von Aktin- und Myosinnetzwerken abhängt, die innerhalb der Zellen Kontraktionskräfte erzeugen. Wiederholt teilt sich der Kern einer einzelnen Zelle, woraus sich eine polarisierte Epithelschicht bildet, aus der dann mehrere Zellen hervorgehen, da sich die Plasmamembran auf koordinierte Weise einstülpt. Es dauert etwa neun Stunden, bis sich das Aktinnetzwerk auf der Koenozytenoberflächen bildet. Das Netzwerk durchläuft mithilfe von Arp2/3-Komplexen, Forminen und Myosin II, die heute als essentiell für den Zellularisierungsprozess gelten, ein vorübergehendes mehrzelluläres Stadium. „Diese Proteine zu regulieren, ist eine komplexe Entwicklungsleistung für einen einzelligen Organismus. Zudem gestattet der Zellularisierungsprozess die Bildung einer selbstorganisierten Schicht klonaler Zellen“, wie Dudin erklärt. „Analysen von kleiner RNA und microRNA bringen den Zellularisierungsprozess mit der gleichzeitigen Expression von Zelladhäsionsgenen, die Proteine wie Integrine und Catenine hervorrufen. Diese Proteine könnten eine Hauptrolle bei der Entwicklung und der räumlichen Organisation von Tierzellen spielen.“ Die Auswirkungen dieser Erkenntnis sind dramatisch und dürften unsere Denkweise über die Tierentwicklung verändern. „Trifft dies tatsächlich zu, könnte es bedeuten, dass die epithelähnliche Struktur, die wir bei den Einzellern beobachten, bereits vorhanden war, bevor sich die Tiere entwickelten. Bezogen auf die ewige Frage vom Ei und der Henne könnte es bedeuten, dass die Eier zuerst da waren, denn die Entwicklungsmechanismen der räumlichen Organisation und Zelldifferenzierung waren beim einzelligen Vorfahren aller Tiere irgendwie schon vorhanden“, so Dudin abschließend.

Schlüsselbegriffe

MULTICELLEXPEVO, einzellig, mehrzellig, Ichthyosporea, Zellularisierung, Aktin, Sphaeroforma arctica

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