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Brexit and Deportations: towards a comprehensive and transnational understanding of a new system targeting EU citizens

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Bevölkerung aus Mittel- und Osteuropa nach Brexit am stärksten von Abschiebung aus Großbritannien betroffen

Laut Warnungen des Projekts BRAD hat Rassismus gegenüber der Bevölkerung aus den ärmsten Mitgliedstaaten die Abschiebungen aus Großbritannien vor dem Brexit beeinflusst und könnte nun auch Auswirkungen auf das Vorgehen nach dem Brexit haben.

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Eine Studie warnt davor, dass Rassismus gegenüber der Bevölkerung aus mittel- und osteuropäischen Unionsländern (MOE) schon vor dem Brexit die britische Abschiebepolitik beeinträchtigte und die Politik nach dem Brexit weiter prägen könnte. Das an der University of Wolverhampton durchgeführte BRAD-Projekt stellte zudem fest, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger, die sich vor dem Brexit im Vereinigten Königreich niedergelassen hatten, keine Stimme in der Presse hatten – einer Institution, die bei der Festlegung der Abschiebepolitik eine wichtige Rolle spielt. „Es gab ein Repräsentationsmuster in den Pro-Brexit-Medien über die ,schlechten Osteuropäer‘ – Straftäter, die aus den ,neuen Mitgliedstaaten‘ in das Vereinigte Königreich kommen und mit ihrer angeborenen Kriminalität eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit und sittliche Ordnung darstellen“, sagt Forschungsstipendiatin Agnieszka Radziwinowiczówna. Mit Unterstützung durch die Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen analysierte Radziwinowiczówna die britische Presse, die für einen Ausstieg aus der EU und für einen Verbleib in der EU war, polnische Medien sowie die Abschieberegelungen und -politik. Unter der Aufsicht von Aleksandra Galasińska führte sie in den West Midlands in England – eine beliebte Migrationsregion, insbesondere für Menschen aus mittel- und osteuropäischen Unionsländern – eine Fallstudie unter polnischen Migrantinnen und Migranten durch. Die Region stimmte 2016 im Rahmen des EU-Referendums mit 59 % zugunsten eines Ausstiegs aus der EU. Galasińskas Beobachtungen zufolge präsentierten Medien, die für den Ausstieg aus der EU waren, EU-Bürgerinnen und -Bürger in negativer Weise oder als billige Arbeitskräfte, allerdings porträtierten auch Medien wie The Guardian, die gegen den Brexit waren, diese Bevölkerungsgruppe nicht als Teil eines größeren Kollektivs von Europäerinnen und Europäern (zu denen auch Britinnen und Briten zählen) und ließen sie nicht ausreichend zu Wort kommen. „Das Narrativ lautete ,wir‘ gegen ,sie‘“, merkt Radziwinowiczówna an. „In diesem Sinne fand der Brexit schon statt, bevor das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen hatte.“

Menschen aus mittel- und osteuropäischen Unionsländern im Visier

Ungeachtet des Pro-Brexit-Arguments, dass das Abschieben von EU-Bürgerinnen und -Bürgern unmöglich sei, solange Großbritannien in der EU bleibe, stammten zwischen Juli 2019 und Juni 2020, vor Ablauf der Übergangsphase, fast die Hälfte der aus dem Vereinigten Königreich abgeschobenen Personen aus Mitgliedstaaten. Menschen aus mittel- und osteuropäischen Unionsländern standen besonders häufig im Visier, da ihnen ein negatives Image anhaftete und sie sich keinen auf Immigrationsfragen spezialisierten Rechtsbeistand leisten konnten. Menschen aus Litauen, Polen und Rumänien machten 69 % der EU-Abschiebungen aus, obwohl sie 39 % der in Großbritannien lebenden EU-Bevölkerung darstellen. Etwa 188 Menschen aus mittel- und osteuropäischen Unionsländern wurden während des Lockdowns von April bis Juni 2020 abgeschoben. Radziwinowiczówna berichtet von einer abgeschobenen Person, die einen Charterflug bestieg, obwohl sie positiv auf COVID-19 getestet worden war.

Hohe wirtschaftliche und persönliche Kosten

Radziwinowiczówna spricht sich für ein Ende des Profiling von Menschen aus mittel- und osteuropäischen Unionsländern in Bezug auf Abschiebungen und für die Wiedereinführung eines kostenfreien immigrationsspezifischen Rechtsbeistands aus. Die ärmsten und gefährdetsten EU-Bürgerinnen und -Bürger können es sich nicht leisten, ihre Pässe aus ihren Herkunftsländern zu verlängern – ein notwendiger Schritt für die Beantragung der dauerhaften Aufenthaltserlaubnis in Großbritannien. Daher ruft Radziwinowiczówna EU-Mitgliedsstaaten wie Polen dazu auf, auf Konsulargebühren für Pässe zu verzichten. In einem Gastartikel für die Universität Oxford drängt sie auf Änderungen bei den Anforderungen des Vereinigten Königreichs, um zu vermeiden, dass Menschen, die seit langer Zeit im Vereinigten Königreich leben, ohne Ausweispapiere dastehen. Sie prognostiziert, dass Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach Arbeit weiterhin in das Vereinigte Königreich reisen und einer Gefahr seitens der Unternehmen ausgesetzt sein werden, wenn das Land nicht sein punktebasiertes Visasystem überarbeitet. Hierzu müssten die Einkommensgrenze gesenkt und die NHS-Zuschlagsgebühr für die Gesundheitsversorgung abgeschafft werden. Diese Vorbehalte legt sie in einem Artikel für die London School of Economics and Political Science dar. Obdachlose EU-Bürgerinnen und -Bürger wurden 2016 – also dem Jahr, in dem das Referendum stattfand – im Rahmen einer politischen Maßnahme des britischen Innenministeriums abgeschoben, die das Übernachten im Freien als eine „missbräuchliche Ausnutzung“ der Bewegungsfreiheit auslegte. Der High Court erklärte die politische Maßnahme 2017 für rechtswidrig, doch Radziwinowiczówna merkt an: „Menschen, die im Freien übernachten – ein weiterer Protagonistentyp im medialen Diskurs – könnten bald im Rahmen der neuen Einwanderungsregelungen unabhängig von ihrem Einwanderungsstatus Massenabschiebungen ausgesetzt sein.“

Schlüsselbegriffe

BRAD, Brexit, Abschiebepolitik, EU-Bevölkerung, mittel- und osteuropäische Unionsländer, CEEU

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