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Inequality, urbanization and Territorial Cohesion: Developing the European Social Model of economic growth and democratic capacity (COSHMO)

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Ortssensible Politik für eine wirksamere Bekämpfung sozialer Ungleichheit

Trotz der wachsenden Ungleichheit überall in Europa wurde wenig berücksichtigt, wie sich ortssensible Politik auf individuelle Lebenschancen auswirken. Im Rahmen von COHSMO wurde untersucht, wie soziale Investitionspolitiken bestmöglich gestaltet werden können, um soziale Ungerechtigkeit zu überwinden und den sozialen Zusammenhalt zu stärken.

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In der Forschung wird häufig außer Acht gelassen, dass regionale Faktoren sozioökonomische Ungleichheiten beeinflussen. Da innerhalb regulatorischer und institutioneller Rahmen Lösungen zur Verfügung stehen, werden darüber hinaus in den Untersuchungen ortbezogene Fragestellungen meist nur aus Perspektive von Verwaltungsinstanzen betrachtet. Doch um die Feinheiten der örtlichen Traditionen, demografischen Merkmale und Gemeinschaften zu verstehen, sind detaillierte Kenntnisse spezifischer Wechselwirkungen erforderlich. Das EU-finanzierte Projekt COHSMO (Inequality, urbanization and Territorial Cohesion: Developing the European Social Model of economic growth and democratic capacity) entstand aus der Erkenntnis, dass es der Forschung zum Einfluss der Region auf Lebenschancen an empirischen Belegen fehlte. Es wurde basierend auf sozialen Kompetenzen und der Bedeutung, die Menschen Orten beimessen, eine neue ortssensible Verfahrensweise entwickelt. „Es ist wichtig zu untersuchen, wie sich Politik auf das Leben lokaler Gemeinschaften auswirkt und die gemeinschaftlichen Bedingungen sozialen und materiellen Wohlbefindens verändert“, sagt Projektkoordinator Hans Thor Andersen von der Universität Aalborg, dem Projektträger. „Wir fanden heraus, dass regionaler Zusammenhalt aus dem Wechselspiel von Kapital, kollektiven Maßnahmen und Führung entsteht. Es bedarf sozialer Innovation von unten und der Mobilisierung von Vermögenswerten von oben, um Ressourcen auf die zunehmend komplexen Anforderungen abzustimmen.“ Derzeit entwickelt das Team von COHSMO einen Bewertungsrahmen für die Bestimmung bewährter politischer Praktiken.

Vergleichsstudien

Die Forschungsgruppe dokumentierte und verglich regionale Ungleichheiten in sieben Ländern: Dänemark, Griechenland, Italien, Litauen, Österreich, Polen und dem Vereinigten Königreich. In drei Gemeinden jedes Landes – städtische, vorstädtische und ländliche Gemeinschaften repräsentierend – wurden Fallstudien durchgeführt, die einen Überblick über die wichtigsten Ressourcen und unternehmerische Initiativen ermöglichen. Jede der betrachteten Gemeinden war für wichtige Politikbereiche wie Kinderbetreuung, Schul- und Berufsausbildung, Arbeitsmarkt, Gebietserneuerung sowie Wirtschaftswachstum verantwortlich. Das Team führte in jedem Land etwa 75 Interviews mit Akteurinnen und Akteuren aus der Verwaltung, den Gemeinden sowie der Wirtschaft und nahm eine Befragung der Interessengruppen vor. Die Forschung wurde durch Dokumentenanalysen sowie regionale und nationale Eurostat-Daten ergänzt. „Eine interessante Beobachtung dabei war, dass ‚räumliche Narrative‘ bei regionalem Zusammenhalt und territorialen Politikmaßnahmen eine Schlüsselrolle spielen. In Dänemark haben örtliche Narrative des Zugehörigkeitsgefühls die Kraft, Gemeinschaften zu mobilisieren. Die vorherrschenden Narrative Litauens bestimmen die örtlichen Besonderheiten und fördern so das sozioökonomische Potenzial der einzelnen Regionen“, merkt Andersen an. Das Team von COHSMO verglich das Dienstangebot auf lokaler, regionaler sowie nationaler Ebene. Dabei fiel besonders Dänemark auf. Das Land verfügt über umfassende lokale Finanzressourcen und Kompetenzen, andere Länder hingegen priorisierten die finanzielle Kontrolle regional (vor allem Polen und Italien) oder national (insbesondere Litauen). In den meisten Fällen wurden politische Maßnahmen für das Wirtschaftswachstum über die für den sozialen Zusammenhalt gestellt. Unerwartet niedrig war die soziale Kluft in Großstädten wie Wien und Mailand, in Aarhus jedoch war sie groß. „In Dänemark ist die Autonomie der Gebietskörperschaften hoch und die soziale Kluft tief. Das scheint widersprüchlich, unterstreicht jedoch so die Bedeutung des Kontextes. In Dänemark werden Wohnraumangelegenheiten nicht auf lokaler Ebene geregelt. Das führt dazu, dass einige Wohngebiete als ‚Ghettos‘ beschrieben werden und nun auf nationaler Ebene extreme Lösungen vorgeschlagen werden – entgegen den lokalen Vorstellungen“, erklärt Andersen.

Das Potenzial der Raumplanung

COHSMO legte den Schwerpunkt auf das wechselseitige Verhältnis zwischen regionalem Zusammenhalt und ortssensiblen sozialen Investitionspolitiken und revidiert so einige der Grundsätze des europäischen Gesellschaftsmodells. Die Erkenntnisse verdeutlichen, dass die Verknüpfung zwischen wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt häufig uneinheitlich ist, denn jedes Land gleicht Gemeinwohl- und Wirtschaftspolitik unterschiedlich aus. Laut dem Team von COHSMO übernehmen Einrichtungen aus mehreren Ländern zunehmend ortssensible Planungsprozesse wie Mobilitätsinfrastrukturen, die periphere Stadtviertel und ausgewogenere und zugänglichere öffentliche Dienste in Städten verbinden. Die Projektgruppe baut derzeit ihre Ergebnisse weiter aus. Sie untersuchen unter anderem, inwieweit städtische Ballungsräume eine Grundvoraussetzung für Wirtschaftswachstum sind. Dabei berücksichtigen sie Faktoren wie lokale natürliche Ressourcen, darunter auch das Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energie. „Die Schlussfolgerung lautet, dass die Kommunalverwaltungen für eine effektive Politik des regionalen Zusammenhalts Entscheidungs- und Finanzautonomie benötigen“, so Andersen abschließend.

Schlüsselbegriffe

COHSMO, Politik, städtisch, sozialer Zusammenhalt, Ungleichheit, regional, europäisches Gesellschaftsmodell, Ort, soziale Investition, ländlich, öffentliche Dienste, soziale Kluft

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