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Neural processing of context-dependent innate behavior

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Verarbeitung und Erinnerung von Sinneswahrnehmungen im Gehirn

Körperliche Zustände wie Hunger können das Geruchs- und Geschmacksempfinden bei Fruchtfliegen drastisch verändern. Welche Prozesse dabei im Gehirn stattfinden, ist allerdings noch wenig erforscht.

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Geruchs-, Geschmacks- und andere Sinnesempfindungen sind sehr individuell und beeinflussen Verhalten und Entscheidungen. So riechen und schmecken Speisen in der Regel verlockender, je hungriger man ist. Dass sich das Gehirn noch lange danach an verdorbene oder giftige Lebensmittel erinnern kann, die Übelkeit oder Ekel auslösten, ist wissenschaftlich erwiesen. „Innere Zustände wie Hunger haben großen Einfluss und sind in den gleichen Hirnarealen präsent, in denen Erinnerungen gespeichert werden. Diese Verschaltungen sind nicht nur für die Entstehung von Langzeiterinnerungen wichtig, sondern prägen alle – auch sehr dynamische und veränderliche – Aspekte des Verhaltens“, erklärt Ilona Grunwald-Kadow, Koordinatorin des Projekts FlyContext und Professorin an der Professur für Neuronale Kontrolle des Stoffwechsels an der TUM School of Life Sciences der Technischen Universität München. Das vom Europäischen Forschungsrat finanzierte Projekt schaute in das Gehirn von Fruchtfliegen, um dort Neuronen zu manipulieren und herauszufinden, wie bestimmte Informationen verarbeitet werden, und wie es durch entsprechende Veränderungen auf Hunger oder andere innere Zustände reagiert. „Eine Fliege kann unterschiedlich reagieren, selbst wenn die Sinneswahrnehmungen gleich sind“, ergänzt Grunwald-Kadow. „Zudem zeigte sich, dass verschiedene Areale im Gehirn der Fliege – und vermutlich auch anderer Tiere – stark miteinander verschaltet sind, was sich auf vielen Ebenen des Gehirns und dessen Informationsverarbeitung auswirkt.“ „Einzelneuronen reagieren auf viele verschiedene Dinge und führen sie dann zusammen. Dieses komplexe Netzwerk ist ausgesprochen plastisch und veränderbar durch Langzeit-, aber auch Kurzzeiterinnerungen. Zum menschlichen Gehirn gibt es hier offenbar viele Ähnlichkeiten“, erklärt sie.

Neuronen des Belohnungssystems

Eine wichtige Gruppe von Neuronen, sogenannte dopaminerge Neuronen im „Belohnungssystem“, sind wichtig für das Lernen und Belohnungsempfinden der Fliege, da sie ihr ein positives Geschehen vermitteln. Andere Neuronen vermitteln „Bestrafung“ bzw. jetziges oder früheres negatives Geschehen. Überraschenderweise nehmen sie auch Hungergefühl wahr. Dopaminerge Neuronen machen hungrige Fliegen ausdauernder bei der Suche nach der Quelle des Essensgeruchs, selbst wenn diese nicht aufgespürt wird. „Entgegen der Vermutung gab die Fliege mangels Erfolg nicht nur nicht auf, sondern wurde noch agiler und lief schneller und ausdauernder, um ihr Ziel – Futter – zu erreichen“, so Grunwald-Kadow. Offenbar beeinflussen hier frühere Erfahrungen und momentanes Bedürfnis zusammen das Entscheidungsverhalten der Fliege.

Beobachtete Veränderungen bei der Paarung

Empirische Erfahrungen beim Menschen zeigten, dass sich in der Schwangerschaft Sinneswahrnehmungen wie Geruch und Geschmack verändern. „Unsere Daten bei Fliegen legen nahe, dass Paarung oder Kontakt mit Männchen beim Fliegenweibchen in mehreren Schichten des Nervensystems Veränderungen auslösen – angefangen bei sensorischen Neuronen bis hin zu Arealen, die für Erinnerungen zuständig sind“, sagt sie. Sensorische Neuronen schmecken oder riechen zelluläre Substanzen, etwa Nährstoffkomponenten wie Polyamine. „Fliegenweibchen, die noch keinen Sexualkontakt hatten, zeigen wenig Interesse für diese Polyamine. Während der Paarung steigt dieses Interesse hingegen stark, da sie den Weg zu Nahrungsquellen und Plätzen zur Eiablage weisen“, fügt Grunwald-Kadow hinzu.

Neueste Bildgebungsverfahren

Mit neuen bildgebenden Verfahren analysierte die Arbeitsgruppe alle neuronalen Aktivitäten im Fliegengehirn und beobachtete dabei dynamische Verhaltens- und Entscheidungsreaktionen der Fliege. Die in den Neuronen kodierten Informationen wurden mittels Lichtfeldmikroskopie und einem Mikroskop entschlüsselt, das mit vielen kleinen Linsen bestückt war. „Damit müssen wir nicht mehr jedes einzelne Hirnareal nacheinander analysieren, sondern können das gesamte Gehirn auf einmal beobachten, denn Neuronen reagieren schnell und in vielen Arealen gleichzeitig“, sagt Grunwald-Kadow. Auf diese Weise wurde eine Karte aller miteinander „kommunizierenden“ Synapsen und Neuronen erstellt. „Das Bildgebungsverfahren war ausschlaggebend für diesen Erfolg, denn so konnten wir im gesamten Gehirn beobachten, wie es bei Hunger, Bewegung oder im Schlaf reagiert“, sagt sie.

Schlüsselbegriffe

FlyContext, Fruchtfliege, Gehirn, Neuronen, Geruch, Geschmack, dopaminerge Neuronen, Polyamine

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