Biomimetisches Modell des Fortpflanzungstrakts zur Vorauswahl von Spermien
Zu assistierten Reproduktionstechniken, ART(öffnet in neuem Fenster) zählen etwa In-vitro-Fertilisation (IVF), intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), Kryokonservierung von Gameten oder Embryonen sowie medikamentöse Fertilitätsbehandlungen. Trotz jahrelanger Forschung ist der klinische Erfolg dieser assistierten Techniken mit 35 % aber noch relativ niedrig. Ein entscheidender Schritt zur Unterstützung solcher Therapien ist die effektive Vorauswahl qualitativ hochwertiger Spermien.
Spermienselektion mittels Mikrofluidik
Herkömmliche Verfahren zur Spermienselektion messen die Spermiendichte, Oberflächenladung bzw. Integrität der Spermienmembran oder analysieren die Gesamtmorphologie und Beweglichkeit der Spermien. Keine dieser Maßnahmen garantiert jedoch zuverlässigen Erfolg. Ausgehend vom natürlichen Schwimmverhalten der Spermien entwickelte das Projekt MicroFSMA ein Mikrofluidik-System(öffnet in neuem Fenster), um qualitativ hochwertige Spermien zu identifizieren und zu isolieren. „Unser System imitiert die physiologischen Bedingungen und Mikroumgebung im weiblichen Reproduktionstrakt“, erklärt Projektkoordinatorin Shiva Shukla. Bei Säugetieren müssen Spermien im Fortpflanzungstrakt eine schwierige Aufgabe bewältigen: und zwar die zu befruchtende Eizelle finden. Hierfür müssen sie in leichter Gegenströmung einem verschlungenen Weg durch die Vagina folgen und Zervixkanal sowie Gebärmutter passieren, um den Eileiter zu erreichen. Um sich vorwärts bewegen zu können, besitzen Spermien eine asymmetrische Form und Geißeln, ausschlaggebend sind aber auch andere Parameter wie Temperatur und Biomoleküle in der Follikelflüssigkeit. Chemotaxis, Thermotaxis und Rheotaxis(öffnet in neuem Fenster) sind damit die wichtigsten Hinweisgeber für Spermien. Unterstützt wird MicroFSMA durch ein Computerprogramm, das automatisiert das kinematische Schwimmverhalten und die Spermienqualität anhand von Merkmalen wie Geschwindigkeit, Linearität und Schlagfrequenz auswertet. Die Qualitätskontrolle der Spermien inkludiert damit zusätzliche Parameter, u. a. auch Anzahl, Beweglichkeit und Form der Spermien. „Obwohl nun die klinische Validierung ansteht, sind wir sicher, dass unser Assay nicht nur bewegliche Spermien vorauswählen kann, sondern auch die zeugungsfähige Spermienpopulation erhöht“, betont Shukla.
MicroFSMA im Vergleich zu bestehenden Techniken
Bisherige Verfahren der Spermienselektion beruhen auf komplexen biologischen Protokollen, aber auch Zentrifugation, die häufig DNA-Schäden generiert. Der MicroFSMA-Test hingegen schützt nicht nur die DNA-Integrität, sondern ist auch einfach in der klinischen Anwendung. Der Mikrofluidikchip simuliert die Geometrie und Flüssigkeitszusammensetzung weiblicher Fortpflanzungsorgane. Zudem kann der Test automatisiert werden, sodass männliche Unfruchtbarkeit schneller erkannt und behandelt werden kann. Optimierungsmöglichkeiten bietet der Einsatz von chemischen Lockstoffen (Chemoattractants) oder Feeder-Zellen. MicroFSMA beseitigt so eine gravierende technische Ursache für das häufige Versagen assistierter Reproduktionstechniken. Mit dem MicroFSMA-Assay könnte die Spermienvorauswahl optimiert und der klinische Erfolg assistierter Reproduktion verbessert werden, was vor allem Frauen hilft, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. ART sind meist mit erheblichen Umständen sowie Zeit- und Geldaufwand, enormer emotionaler und psychischer Belastung sowie biologischen Risiken im Zusammenhang mit Hormonbehandlungen verbunden. „Unser größtes Ziel ist nun die klinische Validierung der neuen Technologie, damit sie von Béez Biotech umgesetzt werden kann“, so Shukla abschließend. Béez Biotech(öffnet in neuem Fenster) übernimmt zudem die Patentierung und Markteinführung der Technologie.
Schlüsselbegriffe
MicroFSMA, assistierte Reproduktionstechniken, ART, Spermienauswahl, Mikrofluidik, Chip, Fruchtbarkeit, Unfruchtbarkeit