Entschlüsselung der Netzwerkverbindungen und der Funktion von NG2-Zellen
Bis vor kurzem konzentrierte sich die Erforschung der Funktion des Nervensystems auf die Neuronen. Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass Gliazellen – nicht-neuronale Zellen im zentralen Nervensystem – mehr als nur eine unterstützende Rolle spielen. NG2-Zellen (Oligodendrozyten-Vorläuferzellen) sind die jüngst beschriebene Klasse von Gliazellen. Wir beginnen gerade erst zu entschlüsseln, wie sie in das neuronale Netzwerk eingebunden sind und zu dessen Funktion beitragen. NG2-Zellen stehen mit Neuronen in Kontakt, und Neuronen bilden Synapsen an NG2-Zellen. Interessanterweise behalten NG2-Zellen, anders als die meisten Neuronen, ihre Fähigkeit zur Selbsterneuerung. Mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen hat das Projekt NG2-cells(öffnet in neuem Fenster) die Morphologie, die Konnektivität und die Physiologie der NG2-Zellen näher untersucht.
Eine vielschichtige Rolle für die Gehirnfunktion
Aus Oligodendrozyten-Vorläuferzellen entstehen reife Oligodendrozyten, die Myelin bilden, eine fetthaltige Hülle, die sich um die Axone legt, um eine schnelle und effiziente Nervenleitung zu gewährleisten und die Nervenfasern vor Degenerierung zu schützen. Der Verlust von Myelin und die Funktionsstörung der Oligodendrozyten spielen bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle. In diesem Zusammenhang wurden vor allem NG2-Zellen untersucht. Allerdings interagieren NG2-Zellen mit Neuronen und anderen Gliazellen. Sie haben zahlreiche Ausstülpungen, die in das umgebende Hirngewebe hineinragen, und sind überall im Gehirn zu finden. Im Rahmen des Projekts NG2-cells wurden die Kontakte und das Verhalten dieser geheimnisvollen Gliazellen genauer unter die Lupe genommen.
Morphologische und funktionelle Konnektivität
Im Rahmen des Projekts wurde die Verteilung der NG2-Zellen und einiger ihrer Interaktionspartner in verschiedenen Entwicklungsstadien untersucht. Friederike Pfeiffer, Projektkoordinatorin von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen(öffnet in neuem Fenster) und Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiatin, erklärt: „Unter Verwendung von hochauflösender Mikroskopie, die NG2-Zellen in grün, Blutgefäße in rot und allgemeine Zellkerne in blau darstellt, folgten wir den netzartigen NG2-Ausstülpungen, um ihre Ziele zu identifizieren, und fanden heraus, dass sie häufig mit Blutgefäßen(öffnet in neuem Fenster) und Neuronen in Kontakt stehen.“ Ihr enger Kontakt mit Blutgefäßen und Neuronen deutet darauf hin, dass NG2-Zellen eine Rolle bei der „neurovaskulären Kopplung“ spielen könnten, einem kürzlich beschriebenen Phänomen, das sich auf die enge Verbindung zwischen neuronaler Aktivität und zerebralem Blutfluss bezieht. Möglicherweise modulieren NG2-Zellen die metabolische Unterstützung aktiver Gehirnregionen oder sogar die Eigenschaften der Blut-Hirn-Schranke.
Die Rolle von NG2-Zellen bei Gesundheit und Krankheit des Nervensystems
Das Team passte verschiedene Techniken an, um physiologische Veränderungen in NG2-Zellen zu untersuchen, und untersuchte die Reaktion der Zellen auf Deregulierungen innerhalb des Netzwerks. Gegenwärtig wird untersucht, wie die Interaktionen der NG2-Zellen mit den Neuronen und dem Gefäßsystem das Verhalten der NG2-Zellen verändern. Darüber hinaus hat das Team, obwohl dies nicht im ursprünglichen Plan vorgesehen war, einige mutmaßliche Zielmoleküle identifiziert und die Voraussetzungen für die Untersuchung der molekularen Mechanismen geschaffen, die den Interaktionen zwischen NG2-Zellen und anderen Zelltypen zugrunde liegen. Vergleicht man die morphologischen Befunde des Projekts mit den jüngsten RNS-Sequenzierungen, so sind NG2-Zellen wahrscheinlich an der Manifestation vieler, wenn nicht aller neurodegenerativen Krankheiten und neurologischen Störungen betroffen und/oder beteiligt. Pfeiffer abschließend: „Gliazellen scheinen eine Rolle bei der hochkomplexen Verarbeitung von Signalen zu spielen, die den hochkomplexen Aufgaben zugrunde liegen, die wir täglich ausführen. Unser Projekt eröffnet neue Forschungsmöglichkeiten, um den Beitrag der NG2-Zellen zur ordnungsgemäßen Funktion des Gehirns zu verstehen und neue Angriffspunkte für künftige Therapien zur Verbesserung der Gehirnfunktion bei neurodegenerativen Erkrankungen zu finden.“ NG2-Zellen, die neuesten in der Familie der Gliazellen, sind ein vielversprechender Weg zur Wiederherstellung der Funktion des Nervensystems, und Pfeiffers Arbeit bringt uns einer Lösung ein Stück näher.