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Nahmen frühzeitliche Menschen Paleo-Kost zu sich?

Unsere Vorfahren wussten, dass eine ausgewogene Ernährung nicht allein aus Mammutfleisch besteht. Und ihre Nahrungswahl machte es uns schließlich möglich, uns in der ganzen Welt auszubreiten, sagt Expertin Emanuela Cristani.

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Von den Lascaux-Höhlen in Frankreich bis zum Ubirr in Australien zeigt sich in den Felsmalereien der Welt eine Gemeinsamkeit: sie stellen Jäger und ihre Beute dar. Nur die wenigsten unserer altsteinzeitlichen (paläolithischen) Vorfahren hatten Interesse daran, Stillleben mit Obst und Gemüse an die Felswand zu pinseln. Eigentlich schade, denn sie hatten ziemlich sicher eine ausgewogenere Ernährung als wir ihnen oft zutrauen, meint Cristiani. „Wir kommen der frühmenschlichen Ernährung nur mit großer Mühe auf die Spur“, bemerkt Cristiani, Archäologin am Diet and Ancient Technology Laboratory (DANTE) in Italien. „Das liegt unter anderem daran, dass organische Stoffe zerfallen. Deshalb finden wir an prähistorischen Stätten in der Regel nur erhaltene Knochen und manchmal Schlachtwerkzeuge.“ Das ist einer der Gründe, aus denen die prähistorische Archäologie ihre Kräfte traditionell eher auf die Suche nach eben solchen Hinweisen konzentriert. Das hat wiederum die allgemein verbreitete Annahme befeuert, dass die frühzeitliche Ernährung vorwiegend aus tierischem Eiweiß bestand.

Die Evolution unserer Ernährung

Was der frühe Mensch tatsächlich aß und wie sich unsere Ernährung entwickelte, ist eine wesentlich facettenreichere Geschichte. Ihren Anfang nahm sie vor rund 2,5 Millionen Jahren, als der Homo habilis damit begann, Werkzeuge aus Stein zu nutzen. Unsere frühesten Vorfahren ernährten sich aller Wahrscheinlichkeit nach vegetarisch, bevor das Sammeln von Aas schließlich Fleisch auf den Speiseplan brachte. Mit der Erfindung von Steinwerkzeugen und zunehmender sozialer Kooperation lernten wir schließlich, selbst zu jagen. „Die kontrollierte Nutzung des Feuers war eine bedeutende Erfindung, die uns die Möglichkeit bot, zu kochen“, so Cristiani weiter. „Die Energie, die wir bis dahin benötigten, um rohes Fleisch und auch rohes Gemüse zu verdauen, ging nun stattdessen an unser Gehirn.“ Es entwickelte sich eine immer komplexere Ernährung, in deren Zuge wir anderen Arten durch fortschrittliche Werkzeuge und der Nutzung des Feuers überlegen waren. Diese komplexere Nahrungsweise, die auf einer Mischung aus Pflanzen, Getreide und Fleisch basierte, ermöglichte es uns zudem, in höchst unterschiedlichen Klimazonen erfolgreich zu bestehen. „Letztlich ist es das, was uns wirklich von anderen Primaten unterschied“, sagt Cristiani. „Während andere Arten auf eine ökologische Nische beschränkt waren, konnten wir dank unserer vielseitigen Ernährungsweisen mit unseren Werkzeugen und unserem Gehirn in die ganze Welt migrieren.“

Nachweise für eine ausgewogene Ernährung

Dennoch fehlten bisher konkrete Belege dafür, dass sich frühe Menschen ausgewogen ernährten. Um das zu ändern, entwickelte Cristiani eine Methode zur Bestimmung von Stärkekörnern aus Nahrung, die sich in Zahnstein festsetzen und über Jahrtausende erhalten bleiben können. Das Projekt HIDDEN FOODS, das von Cristiani koordiniert wurde, extrahierte außerdem mikroskopische Stärkespuren auf Werkzeugen, die möglicherweise zur Verarbeitung von Knollengewächsen und Getreide genutzt wurden. Das Projekt konzentrierte sich auf Funde mit einem Alter von 40 000 bis 8 000 Jahren, die von verschiedenen Stätten in Europa stammten. „Wir stellten fest, dass frühe Gesellschaften, denen eine fisch- oder fleischbasierte Ernährung zugeschrieben wurde, auch Wildgetreide verzehrten“, fügt Cristiani hinzu. „Ihre Ernährungsweisen waren viel ausgeglichener als angenommen. Anhand der Stärken, die wir auf den Zähnen und Werkzeugen fanden, konnten wir außerdem herausfinden, dass sie oft eine Art Haferbrei zubereiteten.“ Das Verfahren verhalf auch zur Entdeckung anderer Verhaltensweisen. So gerbten unsere Vorfahren beispielsweise Leder mit dem Mund und nutzten Pflanzen, die heute für ihre medizinischen Eigenschaften bekannt sind. „Der Zahnstein ist eine wahre Schatztruhe aus der Vergangenheit, die wir gerade aufkratzen“, merkt Cristiani an. Klicken Sie hier, um mehr über Cristianis Forschung zu erfahren: Unsere Vorfahren aus der Altsteinzeit aßen keine „Paleo-Diät“

Schlüsselbegriffe

HIDDEN FOODS, prähistorisch, Ernährung, Paleo, Archäologie, Evolution, Zähne, Zahnstein, Altsteinzeit, Paläolithikum, Nahrung