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Plant foods in Palaeolithic and Mesolithic societies of SE Europe and Italy

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Unsere Vorfahren aus der Altsteinzeit aßen keine „Paleo-Diät“

Die ersten konkreten Hinweise darauf, dass jagende und sammelnde Menschen der Vorgeschichte stärkehaltige pflanzliche Nahrungsmittel verarbeiteten und verzehrten, ändert unsere Sicht auf die moderne „Paleo-Diät“ von Grund auf.

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Die sogenannte Paleo-Diät ist eine der Diäten, nach der im Internet am meisten gesucht wird. Sie basiert auf Nahrungsmitteln, von denen Forschende lange glaubten, sie seien in der Altsteinzeit (dem Paläolithikum) gegessen worden. Nach dieser gemeinhin akzeptierten Vorstellung bestand die Kost der jagenden und sammelnden Menschen der Vorgeschichte vor dem Auftreten der Landwirtschaft vor ungefähr 10 500 Jahren hauptsächlich aus tierischem Eiweiß und Fett und nur wenig Getreide und Hülsenfrüchten. Das bahnbrechende EU-finanzierte Projekt HIDDEN FOODS lieferte erste unzweideutige Beweise dafür, dass Wildgetreide und andere essbare Pflanzen eine wichtige Rolle in der tatsächliche Paleo-Diät der prähistorischen jagenden und sammelnden Menschen in Italien und auf dem Balkan spielten.

Stärkekörner und die Jagd nach der Ernährung der Jagenden und Sammelnden

Bis vor Kurzem wurde die Ernährung der Jagenden und Sammelnden hauptsächlich mithilfe proteinsensibler Methodologien untersucht. Es war aber unbekannt, ob die Ernährungsgewohnheiten der jagenden und sammelnden Menschen der Vorgeschichte pflanzliche Nahrungsmittel enthielten, vor allem da pflanzliche Nahrungsmittel aus der Frühgeschichte selten bis heute erhalten sind. HIDDEN FOODS wandte sich Stärkekörnern zu, um mehr darüber zu erfahren. Stärke ist der Hauptspeicher von Kohlenhydraten und Energie in Pflanzen. Sie kann in Sedimenten und an alten Werkzeugen wie Mahlsteinen zur Verarbeitung von Pflanzen erhalten sein. Außerdem können Stärkekörner von Nahrungsmitteln im gehärteten Zahnbelag (Zahnstein) gelagert sein und dort Jahrtausende lang erhalten bleiben. Die Bestimmungsmethode bietet verlässliche Beweismittel für den absichtlichen Verzehr von pflanzlichen Nahrungsmitteln.

Die wahre „Paleo-Diät“ des späten Paläolithikums

Die Gewinnung uralter DNA-Rückstände pflanzlicher Nahrungsmittel von Werkzeugoberflächen und Zahnstein war eines der spannendsten Ergebnisse. „Fortgeschrittene DNA-Extraktionstechniken und modernste Sequenzierung uralter DNA, die im Zahnstein von vor über 15 000 Jahren bewahrt worden war, zeigten, dass jagende und sammelnde Menschen schon mehrere Jahrtausende vor der Einführung domestizierter Getreidearten Pflanzen zur Ernährung und Heilung sammelten und verzehrten“, erläutert Emanuela Cristiani von der Universität La Sapienza in Rom und dem Diet and Ancient Technology Laboratory (DANTE), die das Projekt HIDDEN FOODS koordiniert. Die Analyse der alten DNA ermöglichte auch die Rekonstruktion der Evolution der Mundflora von jagenden und sammelnden Menschen der Vorgeschichte und der ersten Gruppen von Ackerbauenden, die aus dem Nahen Osten kamen. Dies beschreibt den Beginn des Ackerbaus in Südeuropa.

Kohlenhydratverzehr: Ethnografie und Evolution

Vor Beginn des Projekts HIDDEN FOODS war nur wenig über die Verwendung von Pflanzen in jagenden und sammelnden Gemeinschaften in Südeuropa bekannt. Indem es die Rolle stärkehaltiger pflanzlicher Nahrungsmittel in der Kost der jagenden und sammelnden Menschen der Vorgeschichte in Italien und auf dem Balkan offenlegte, klärte HIDDEN FOODS über mehr als nur die Verarbeitung und den Verzehr von Pflanzen auf. Low-Carb-Diäten erhöhen das Sterblichkeitsrisiko durch verschiedenste Todesursachen. HIDDEN FOODS fordert dazu auf, die „Paleo-Diät“ zu überdenken. Kohlenhydrate könnten auch die kortikale Entwicklung und das Gehirnwachstum beschleunigt haben. Die Notwendigkeit der mechanischen Verarbeitung oder der Wärmebehandlung mancher Pflanzen, um deren Energie freizusetzen und die Verdauung zu unterstützen, könnte zudem technologische Erfindungen wie Steinwerkzeuge und das Kochen von Nahrungsmitteln vorangetrieben haben. Schließlich „zeigte die Analyse des Zahnsteins die enge Verbindung zwischen Kost und Medizin, was auf alte Arzneien schließen lassen könnte und eine Rückkehr zu traditioneller Medizin ermöglichen würde“, so Cristiani weiter. HIDDEN FOODS hat unser Verständnis der vorgeschichtlichen jagenden und sammelnden Menschen grundsätzlich verändert. Die Werkzeuge und Techniken des Projekts werden weiterhin in zahlreichen Bereichen Erkenntnisse hervorbringen.

Schlüsselbegriffe

HIDDEN FOODS, prähistorische Jäger-Sammler, pflanzliche Nahrungsmittel, Paleo, Kohlenhydrat, Zahnstein, alte DNA, Altsteinzeit, Stärkekörner, Getreide

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