Die Theorie der molekularen Elektronendichte als neues Paradigma in der organischen Chemie
Ihr Lehrbuch zur organischen Chemie enthält Fehler. „In den meisten Lehrbüchern werden organische Reaktionen mit chemischen Konzepten und Symbolik erklärt, die noch aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen“, sagt Mar Ríos-Gutiérrez, eine Professorin für organische Chemie an der Universität Valencia. Seitdem wird Chemie zunehmend anhand der Elektronendichte erklärt. Diese Entwicklung basiert auf der Theorie der molekularen Elektronendichte (MEDT, Molecular Electron Density Theory), die besagt, dass Veränderungen der molekularen Elektronendichte – und nicht Wechselwirkungen der Molekülorbitale – für die Reaktivität organischer Moleküle verantwortlich sind. „Die Ergebnisse, die mit diesem neuen Erklärungsansatz erzielt wurden, widersprechen den Erklärungen der klassischen organischen Chemie. Dennoch sind diese klassischen Erklärungen noch immer in vielen Lehrbüchern und sogar neueren Forschungsarbeiten zu finden“, ergänzt Ríos-Gutiérrez. Sie entschied, dass es an der Zeit für eine Überarbeitung war, und machte sich daran, alte Konzepte zu verfeinern und sie an die Analyse der molekularen Elektronendichte anzupassen. Mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts Extending MEDT verfolgte sie das Ziel, die breitere Gemeinschaft der Chemikerinnen und Chemiker zu überzeugen, die Theorie der molekularen Elektronendichte anzuwenden. Letztendlich hat ihre Arbeit die organische Chemie im Kern erschüttert.
Anfechtung traditioneller Annahmen der organischen Chemie
Über die Theorie der molekularen Elektronendichte und neuen Instrumenten der Quantenchemie, die auf der Elektronendichte aufbauen, hinterfragt Ríos-Gutiérrez die drei Grundpfeiler der organischen Chemie: den Mechanismus der perizyklischen Reaktion, die Aromatizität von Übergangszuständen und die Mechanismen der (3+2)-Cycloaddition, die fälschlicherweise als 1,3-dipolare Cycloaddition bezeichnet wurde. „Wir haben herausgefunden, das einige der wichtigsten organischen Reaktionen, wie die nukleophile aromatische Substitution oder Cycloadditionen, nicht abgestimmt sind, die Veränderungen der Bindungen geschehen also nicht gleichzeitig, sondern nacheinander“, erklärt Ríos Gutiérrez. „Das stellt die traditionelle Annahme, dass einschrittige Reaktionen abgestimmt sind, in Frage.“ Ein weiterer wichtiger Erfolg hat mit der Klassifizierung organischer Reaktionen als vorwärts, rückwärts oder ohne Schwankungen der Elektronendichte zu tun. Diese Klassifizierung wurde anhand der Richtung des allgemeinen Übergangs der Elektronendichte erstellt, der während der Reaktion auftritt. „Mit dieser eindeutigen Klassifizierung kann man ganz klar das Verhalten der Reagenzstoffe bei einer chemischen Reaktion bestimmen, ohne auf herkömmliche Klassifikationen zurückzugreifen“, ergänzt sie.
Eine neue Ära der Deutung in der organischen Chemie
Nach Ansicht von Ríos-Gutiérrez haben diese Ergebnisse die Anerkennung der Theorie der molekularen Elektronendichte als Standard zur Erklärung der Reaktivität organischer Moleküle vorangebracht. „Durch die Schaffung einer neuen, modernen und fundierteren Rationalisierung der Reaktivität in der organischen Chemie auf Grundlage der molekularen Elektronendichte habe wir eine neue Ära des Verständnisses und der Deutung in der organischen Chemie eingeläutet.“ Dennoch betont Ríos-Gutiérrez auch direkt, dass noch viel Arbeit aussteht. „Es gibt noch immer viele Gruppen, die veraltete Interpretationen anwenden“, merkt sie an. „Daher werde ich die Theorie der molekularen Elektronendichte weiterhin als neues Paradigma in der organischen Chemie ausfeilen und weitergeben.“ Die Forschung von Ríos-Gutiérrez wurde mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen durchgeführt.
Schlüsselbegriffe
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