Forschung zu einem der interessantesten erdgeschichtlichen Phänomene
Vor etwa sechs Millionen Jahren bildete sich im Mittelmeerbecken eine der größten Salzlagerstätten der Erde, der Mediterranean Salt Giant (MSG). Sie befindet sich unter dem Meeresboden und ist von mehreren hundert Metern „normaler“ Sedimentschichten bedeckt. Das EU-finanzierte Projekt SALTGIANT untersuchte nun unterstützt durch die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen die Herausbildung dieser Salzlagerstätte und deren Auswirkungen auf die Grundlagenforschung, Industrie und Gesellschaft. „Im Rahmen des Projekts forschten 30 akademische Organisationen aus 12 Ländern zusammen mit 15 Promovierenden“, erläutert der wissenschaftliche Projektkoordinator Giovanni Aloisi.
Forschung zur Herausbildung des Mediterranean Salt Giant und zum mikrobiellen Leben im Meer
Das Projekt brachte viele wichtige Erkenntnisse. Eine davon ist, dass sich ozeanische Zirkulationsmuster zwischen Atlantischem Ozean und Mittelmeer vor der Herausbildung der Salzlagerstätte drastisch veränderten. „Wir fanden außerdem heraus, dass während der Bildung der Salzablagerung der Meeresspiegel mindestens einmal stark absank. So fiel der Wasserspiegel im Mittelmeer um mehrere hundert Meter und könnte damit sogar bis zu zwei Kilometer tiefer gelegen haben als der globale Meeresspiegel“, betont Aloisi. Da während der Salzablagerung auch die Salzkonzentration im gesamten Mittelmeer stark anstieg, war dort kein höherentwickeltes Leben mehr möglich. Allerdings bildeten sich extensive Ökosysteme von Mikroorganismen heraus, die ohne im Wasser gelösten Sauerstoff überleben konnten und ihre Energie aus Schwefelwasserstoff bezogen. „Die von diesen Organismen produzierten Sulfate könnten zur Bildung ausgedehnter mineralischer Gipsablagerungen beigetragen haben, wie sie etwa in den italienischen Apenninen zutage treten“, ergänzt Aloisi. Experimentelle Laboranalysen des Projekts mit Haloarchaea-Mikroorganismen zeigten, welche Anpassungsstrategien die in Halit (Natriumchloridsalz) eingeschlossenen Archaeen entwickelten, um zu überleben. Aloisi fährt fort: „Wir haben belegt, dass Halit vor verschiedenen Arten von Strahlung schützt, was für künftige Forschungen zum Überleben auf dem Mars relevant sein könnte.“
Weniger Risiken bei der Gewinnung von Bohrkernen
Unter anderem führte das Projekt SALTGIANT Messungen des Überdrucks durch, den die Salzablagerungen auf die normalen Sedimentschichten des Meeres erzeugten. Eine Eigenschaft von Salz ist, dass es sich sehr schnell ablagert und dann kaum noch durchlässig ist. „Großer Überdruck durch salzhaltige Sedimentabfolgen birgt große Risiken für Erkundungsbohrungen zur Exploration von Kohlenwasserstoffen. Einerseits kann es zu „Blowouts“ von Kohlenwasserstoffbohrungen kommen, andererseits kann Überdruck auch mechanisch instabile Oberflächen unter dem Salz erzeugen, was zur Deformation der Salzschichten und dem Abrutschen von Hängen (Unterwasser-Erdrutsche) führen kann“, so Aloisi. Das Projekt belegte, dass der für die mediterranen Sedimentschichten unter dem Salz berechnete Überdruck ausreicht, um Sedimentgleiten zu verursachen. Zudem kann der Druck so stark werden, dass Salzschichten auseinanderbrechen und darin eingeschlossenes salzarmes Wasser in Sedimentfolgen austritt, die nach der Versalzung im Pliozän-Quartär entstanden.
Historischer Überblick über die Entdeckung der Salzablagerung im Mittelmeer
„Schließlich untersuchten wir auch geschichtliche Aspekte der Erforschung des Meeresbodens in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Frage war, inwieweit die angestrebte Nutzbarmachung von Meeresressourcen Triebkraft für die wissenschaftliche Erkundung des Meeresbodens und darunter liegender Schichten war“, erläutert Aloisi. Eine These war, dass die französische Regierung die geologische Erforschung des Meeresbodens vorantrieb, um internationale Beziehungen und nationales Ansehen zu fördern. „Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen förderte das Projekt auch Forscherkarrieren und Beschäftigungsmöglichkeiten, wobei häufig PhD-Stellen angetreten oder in die Hochschulforschung oder Privatwirtschaft gewechselt wurde“, so Aloisi abschließend.
Schlüsselbegriffe
SALTGIANT, MSG, Salzablagerung, Mediterranean Salt Giant, Mittelmeerbecken, Harausbildung, Salzlagerstätte, Haloarchaeen, Unterwasser-Erdrutsche