Smartphone-App zur Überwachung von Gelbsucht bei Neugeborenen
Die Smartphone-App bestimmt aus digitalen photographischen Aufnahmen den Bilirubinspiegel, um Gelbsucht bei Neugeborenen zu erkennen, und ist damit ein wichtiges Instrument für kostengünstiges Screening. Die vom Projekt Picterus entwickelte patentierte Technologie kombiniert optische Bildgebung und Photonik mit maschinellen Lernalgorithmen. Durch Auswertung von Aufnahmen der Smartphone-Kamera kann eine Ferndiagnose erstellt werden. „Da Bilirubin Auslöser der Gelbsucht ist, bestimmen wir anhand der digitalen Aufnahmen den Bilirubinwert“, erklärt Chefarzt Anders Aune, Mitbegründer des Unternehmens Picterus AS(öffnet in neuem Fenster), Norwegen. „Unabhängig vom Hauttyp finden sich Bilirubinmoleküle in der Haut aller Neugeborener, sodass nur auf die spezifisch gelbe Hautfärbung hin untersucht werden muss, um einen erhöhten Bilirubinwert festzustellen.“ „Da dieser Wert anhand der Hautfarbe geschätzt wird, liegen sofortige Ergebnisse vor“, erklärt Kinderarzt Aune. „Da es allerdings nur für Screening-Zwecke vorgesehen ist, wird zur Bestätigung noch ein Bluttest empfohlen.
Kalibrierung und Farbkorrektur
Allerdings handelt es sich um mehr als nur eine Bildaufnahme. Je nach ethnischer Herkunft variiert die Hautfarbe, da hier mehrere Komponenten hineinspielen wie Melanin- oder Hämoglobinkonzentration, Blutwerte und Bilirubin. „Daher müssen bei der Berechnung sowohl die Blutspiegel als auch Melaninwerte berücksichtigt werden“, ergänzt Aune. Eine im Projekt entwickelte innovative Methode zur Farbkalibrierung bezieht bei der Bestimmung der Hautfarbe auch Umgebungsvariablen wie Schatten und unterschiedliche Lichtquellen ein. „Wir arbeiteten dabei mit der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie(öffnet in neuem Fenster) in Trondheim zusammen, die auf dem Gebiet der Farbwissenschaft führend ist. Gemeinsam entwickelten wir ein System, das speziell auf die Haut Neuegeborener abgestimmt ist. Mit einem speziellen Verfahren drucken wir diese Farben im Spektraldruck.“ „Die Bilder müssen zunächst farbkorrigiert und angepasst werden, und dann folgt die schwierige Aufgabe, eine krankhafte Gelbfärbung zu erkennen“, erklärt Aune. „Wir verfeinerten die Farbanalyse soweit, dass auch unterschiedliche Lichtverhältnisse und Smartphone-Typen berücksichtigt werden können.“
Dunklere Hauttöne
Die hohe Genauigkeit des Systems wurde an rund 3 000 Neugeborenen bestätigt, und die CE-Kennzeichnung für hellere Hauttypen liegt bereits vor. Obwohl das Projekt bereits Studien in Indonesien, Mexiko, Nepal und Uganda für hispanische, asiatische und schwarze Hauttypen durchführte, „werden für Analysen dunklerer Hauttypen noch weitere Daten benötigt. Deshalb konnte das System auch noch nicht für alle Hauttypen zertifiziert werden“, sagt Aune, worauf aber im kommenden Jahr primär hingearbeitet werde.
Ferndiagnose
Seit der COVID-Pandemie sei auch die Aktzeptanz der Ferndiagnostik gestiegen, so Aune. „Ärztlicherseits wird weltweit darauf gedrängt, das Infektionsrisiko für Neugeborene in Krankenhäusern zu verringern. Zudem generiert die ambulante Vorstellung unnötige Kosten, die es zu reduzieren gilt“, sagt Aune. Gelbsucht sei immer noch der häufigste Grund, warum Neugeborene erneut vorstellig werden müssen, so Aune. „Unser System könnte eine häusliche Überwachung vereinfachen und somit den Besuch im Krankenhaus hinfällig machen.“ Weltweit wird jährlich von 84 bis 112 Millionen Fällen von Neugeborenengelbsucht ausgegangen, die zwar leicht zu behandeln ist, aber erkannt werden muss. Trotzdem sterben jährlich noch schätzungsweise mehr als 100 000 Neugeborene an Gelbsucht, hauptsächlich in afrikanischen Ländern südlich der Sahara und Südasien.