CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Protest and Order. Democratic theory, contentious politics, and the changing shape of western democracies

Article Category

Article available in the following languages:

Die facettenreiche Wechselbeziehung zwischen Protest und demokratischer Ordnung

Über ein vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanziertes Projekt wurde die Funktion politischer Proteste in gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Umgestaltungen in modernen demokratischen Gesellschaften untersucht.

Gesellschaft icon Gesellschaft

In Zeiten des drastischen sozialen Wandels ist es unabdingbar, unsere Interpretationsmethoden bezüglich politischen Ausdrucksmöglichkeiten fortlaufend zu aktualisieren. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts POWDER wurden die Wechselbeziehungen zwischen Demokratie und Protest analysiert. Konkret betrachteten die Forschenden, ob gegenwärtige Protestbewegungen die Grundpfeiler der Demokratie beeinflussen, und ob die demokratische Ordnung bestimmte Protestformen begünstigt. POWDER teilte sich auf in ein übergeordnetes „Theoretisches Rahmenprojekt“ sowie die folgenden empirischen Unterprojekte: „Digitale Protestbewegungen“, „No-Border- und Flüchtlingsprotest“ und „Rechtsgerichteter Identitärer Protest“.

Entschlüsselung der Bedeutung und Funktion von Protest heute

Im „Theoretischen Rahmenprojekt“ lag der Schwerpunkt auf der Interpretation der Bedeutung und Funktion des politischen Protests in modernen Demokratien. Daher wurden normative Kriterien zur Bewertung der demokratischen Qualität ausgearbeitet. „Es ist wichtig, zu verstehen, wie Protest die Wahrnehmung der demokratischen Ordnung und das Gefühl, ein Teil dieser zu ein oder nicht, verändert“, erklärt der Hauptforscher Christian Volk. Hier ist besonders der Unterscheid zwischen reformativen Protesten – die Unzufriedenheit ausdrücken, vernachlässigte Themen kritisieren und in den Fokus rücken und Druck auf die Politik ausüben – und transformativen Protesten – die Debatten über die Legitimität der Struktur der demokratischen Ordnung und der speziellen Art der Exekutivmacht anstoßen – von Bedeutung. Transformative Proteste teilen sich weiter in emanzipatorische und nicht-emanzipatorische Proteste auf, abhängig von der politischen Interaktion innerhalb der Protestbewegung, zwischen politischen Gegnern und der Öffentlichkeit. Dieser Unterschied zeigt sich zum Beispiel am Fall bestimmter Umweltschutzbewegungen als eine Bedrohung der demokratischen Ordnung. „Die Proteste im Rahmen der Klimakrise nutzen das Konzept des zivilen Ungehorsams für ihre Aktionen. Neue Bewegungen wie die ‚Letzte Generation‘ begehen politisch motivierte Verstöße der Grundregeln der demokratischen Ordnung als Mittel im demokratischen emanzipatorischen Ringen“, erklärt Volk.

Protestmechanismen in zeitgenössischen Demokratien

Der Schwerpunkt des Unterprojekts „Digitale Protestbewegungen“ lag auf der Art, wie digitaler Aktivismus durch die Entwicklung digitaler Technologien versucht, Probleme der politischen Teilhabe, demokratischen Entscheidungsfindung und Transparenz zu politisieren. „Was aus dieser Forschung hervorgeht, ist eine Strategie des produktiven Protests, in Kombination mit einer öffentlichen Kritik der Machtverhältnisse, die durch den digitalen Wandel moderner Demokratien aufkommen“, erklärt der Forschungsstipendiat Daniel Staemmler. Im Unterprojekt „No-Border- und Flüchtlingsprotest“ wurden die Mechanismen offengelegt, durch die Proteste und Probleme an den Grenzen allgemeine Annahmen über die Ausübung der Demokratie anfechten und hinterfragen. „Indem behauptet wird, dass Fragen der Zugehörigkeit und Gleichberechtigung nicht über Staatsangehörigkeit geregelt werden sollten, zeigen die Proteste irregulärer Migrierter öffentlich abweichende Auslegungen der Grundprinzipien der demokratischen Ordnung“, erläutert die Forschungsstipendiatin Laura Gorriahn. Über das Unterprojekt „Rechtsgerichteter Identitärer Protest“ wurde analysiert, wie gegenwärtige rechtsgerichtete Basisbewegungen ihre Proteste im Namen der Demokratie organisieren. Durch Behauptungen, die Meinungsfreiheit zu verteidigen und das Volk zu repräsentieren, strukturieren sie ihren Rahmen über eine Ideologie der Abgrenzung. „Indem sie die abwegige Rückkehr zu einem homogenen Volk fordern, greifen sie Grundprinzipien der demokratischen Ordnung an“, kommentiert der Forschungsstipendiat Danniel Gobbi. „Unsere Forschungsperspektive hat sich als fortschrittliche Möglichkeit erwiesen, gegenwärtige Entwicklungen in demokratischen Gesellschaften zu verstehen“, meint Volk. „Wir erachten es als wichtig, diese Ergebnisse weiter in den Medien und im politischen öffentlichen Raum zu verbreiten, damit Proteste nicht verfrüht abgewertet werden.“ In diesem Sinne arbeitet das Team aktuell an verschiedenen gemeinsam verfassten Artikeln.

Schlüsselbegriffe

POWDER, demokratische Ordnung, Protestbewegung, politischer Protest, Machtbeziehungen, Demokratietheorie

Entdecken Sie Artikel in demselben Anwendungsbereich