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Delayed Transformational Fatigue in Central and Eastern Europe

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Aufstieg des Populismus in Mittel- und Osteuropa

Politische Bewegungen, die der liberalen Demokratie entgegenstehen, aber angeblich vom Volk ausgehen, sind seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch. Ein EU-finanziertes Projekt untersuchte Ursprung und Auswirkungen populistischer Tendenzen in Mittel- und Osteuropa.

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Dem Zusammenbruch des staatlich verordneten Sozialismus folgten die Liberalisierung des öffentlichen Lebens, Demokratisierung der Politik und Abschaffung staatlich gelenkter Volkswirtschaften. Diese Transformationen forderten allerdings ihren gesellschaftlichen Tribut und vollzogen sich in keinem der postkommunistischen Staaten reibungslos oder unter gleichen Vorzeichen. Trotzdem schien es, als gelänge Mitte der 2000er Jahre einigen Ländern Mitteleuropas und des Baltikums eine Konsolidierung der liberalen Demokratie. Doch plötzlich kam der Bruch: der politische Kurs schlug neue Richtungen ein, und zwar mit zunehmender Unterstützung durch populistische Parteien. Diese Populisten versuchten, das liberale demokratische System zu delegitimieren, indem sie es auf reine Mehrheitsfindung verengten, wie die Beispiele Ungarns und Polens zeigten. Das durch die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanzierte Projekt FATIGUE sollte diese bemerkenswerte Kehrtwende und deren Verzögerung interpretieren, Folgen untersuchen und tragfähige politische Alternativen erarbeiten.

Zusammenhang zwischen zunehmendem Populismus und wachsender Enttäuschung

„Unsere Arbeitshypothese zum Aufstieg des politischen Populismus in Mittel- und Osteuropa geht vom Konzept der ‚delayed transformational fatigue‘ aus (zeitverzögerte Enttäuschung/Ermüdung über den Transformationsprozess)“, erläutert Projektkoordinator Richard Mole, Professor für politische Soziologie an der UCL School of Slavonic and East European Studies. Mole zufolge könnte sich damit die zunehmende Enttäuschung über den Erfolg von Wirtschaftsreformen erklären lassen, und insbesondere über die neuen Eliten, die sich in den postkommunistischen Staaten herausbildeten. Diese allseits spürbare Enttäuschung war eine wichtige Triebkraft bei der Ausbildung des Populismus. Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage, warum sich diese populistischen Tendenzen erst so spät herausbildeten. „Zum einen führten die neoliberalen Wirtschaftsreformen in den 1990er Jahren zu Ungleichheiten, zum anderen förderten die schnellen sozialen und kulturellen Veränderungen das zunehmende Gefühl von Verlorenheit. Im Zuge der Globalisierung fühlten sich Menschen ihrer Kultur und individuellen Identität beraubt“, erklärt Mole. „Oft bewirken ökonomische, soziale und kulturelle Veränderungen dieser Art, dass sich früher begünstigte Gruppen benachteiligt fühlen. Populistische Strategien waren daher darauf ausgerichtet, dem ‚Land zum alten Glanz zurückzuverhelfen‘ und so den Status dieser ehemals Privilegierten wiederherzustellen.“

Maßgeschneiderte Ausbildungsprogramme

FATIGUE bildete 15 Nachwuchsforschende aus, die einen jeweils originären Beitrag zum Verständnis der Ursachen und Folgen von Populismus leisteten. Untersuchte Themen waren antiliberale Demokratie und rechte Politik, Erinnerungspolitik, Wirtschaftspopulismus und Ungleichheit, Kultur der Ablehnung (Fremden- und Migrationsfeindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie) sowie Zivilgesellschaft und Protestbewegungen. So enthüllte die Fachgruppe Soziologie und Politikwissenschaft die zentrale Bedeutung von Traditionalismus, wobei Tradition, ethnische Nation und Volk die organisatorische Grundstruktur bilden. Die Fachgruppe Geschichte wiederum zeigte, wie geschichtliche Ereignisse von Populisten verfälscht und instrumentalisiert werden, um (potenzielle) Unterstützung zu mobilisieren, enge oder lose Verbindungen zu Nachbarstaaten zu legitimieren oder den Umgang mit ethnischen Minderheiten zu rechtfertigen. Die Fachgruppe Wirtschaftsforschung identifizierte Faktoren, die die Entstehung von Wirtschaftspopulismus samt seiner widersprüchlichen Folgen für die wirtschaftliche Konvergenz zwischen osteuropäischen Ländern begünstigten. Die Arbeitsgruppe Ethnokultur zeigte, wie sich ethnokulturelle Unterschiede politisch nutzen lassen, um innerstaatliche soziale Hierarchien zu errichten. Schließlich zeigte die Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft, dass Framing (gesteuerte Einbettung in Deutungsraster), politische Opportunitätsstrukturen, Vernetzung und Ressourcenmobilisierung wirksame Instrumente im Kampf gegen Populismus sind. Die Forschungsergebnisse wurden in Seminaren, Workshops und Konferenzen vorgestellt und zahlreiche Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften, Sammelbänden, Blogs und Medienkommentaren veröffentlicht.

Schlüsselbegriffe

FATIGUE, Populismus, Mittel- und Osteuropa, delayed transformational fatigue, Enttäuschung, Ermüdung, Transformation, postkommunistisch, Ausbildung

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