Aufs Ganze gehen: Die Wissenschaft hinter den Großprojekten
Die Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Institutionen bildet die Grundlage der wissenschaftlichen Forschung. Für Forscherinnen und Forscher, die eher isoliert oder in kleinen Teams arbeiten, ist dies allgemein üblich. In den vergangenen zehn Jahren hat jedoch eine relativ große Zahl Forschender aus den Sozial- und Verhaltenswissenschaften in immer stärkerem Maße ihre Ressourcen für ein bestimmtes Projekt über verschiedene Labore, Hochschul- und Forschungseinrichtungen, Disziplinen und Länder hinweg vereint. Ein bemerkenswertes Beispiel ist ManyBabies(öffnet in neuem Fenster) mit über 500 Mitwirkenden in 50 Ländern.
Zusammen sind wir stark
Die Hochskalierung einer derart großen Anzahl von Ressourcen wird als „Big Team Science“, vernetztes Forschen in großen Teams, bezeichnet. „Vernetztes Forschen in großen Teams ist eine neue Art der Forschung, bei der viele wissenschaftlich Tätige zusammenkommen, um eine allgemeine Frage zu beantworten, die für ihr Fachgebiet von entscheidender Bedeutung ist“, erklärt Nicolás Alessandroni, promovierter Wissenschaftler an der Concordia University in Kanada, in einer Pressemitteilung(öffnet in neuem Fenster). „Wichtig ist das, weil traditionell eher isoliert geforscht wird, d. h. einzelne Teams an einer Einrichtung mit kleinen, begrenzten Proben arbeiten.“ Er erläutert die zahlreichen Vorteile des vernetzten Forschens in großen Teams: „Das Schöne am vernetzten Forschen in großen Teams ist, dass alle mitmachen können, von den Studierenden bis hin zum Lehrkörper. Es gibt dann all diese unterschiedlichen Erfahrungen, die im Rahmen des vernetzten Forschens in großen Teams miteinander verschmelzen, und das schafft die Möglichkeit, viele Perspektiven in ein Projekt zu einzubeziehen. Egal, ob sehr erfahrene Forschende oder junge Studierende mitmachen – sie sind bereit, zusammenzuarbeiten und sich auf diese neue Art der Wissenschaft einzulassen.“ Dr. Alessandroni fügt hinzu: „Schon die Definition bezieht sich auf wichtige Werte in der Wissenschaft: Transparenz, Zusammenarbeit, Zugänglichkeit, Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion. Sie berührt viele wichtige Themen, die in der wissenschaftlichen Praxis traditionell vernachlässigt wurden. In vielerlei Hinsicht gibt es Überschneidungen mit dem Konzept der offenen Wissenschaft, bei dem Daten offen miteinander ausgetauscht werden und Veröffentlichungen in frei zugänglichen Fachzeitschriften und Archiven zur Verfügung stehen, sodass Wissen für die Allgemeinheit bereitgestellt wird, ohne dass die Lesenden dafür bezahlen müssen.“
Schwer zu handhaben
Das Problem beim vernetzten Forschen in großen Teams ist das Management, wie es bei großen Teams oder Gruppen stets der Fall ist. Die gleichzeitige Verwaltung vieler personeller und materieller Ressourcen stellt eine Herausforderung dar. Dazu zählen vor allem Kommunikation, Teamarbeit, Governance, Autorenschaft und Anerkennung. Hinzu kommen logistische Probleme wie Sprache, kulturelle Aspekte und Zeitzonen. Um die Kolleginnen und Kollegen bei der Erstellung und Verwaltung ihrer eigenen Projekte zu unterstützen, haben Dr. Alessandroni und ein mit dem vernetzten Forschen in großen Teams erfahrenes Forschungsteam einen Leitfaden erstellt, der in der Zeitschrift „Royal Society Open Science“(öffnet in neuem Fenster) veröffentlicht wurde. Er enthält einen Fahrplan mit bewährten Verfahren und Möglichkeiten zur Bewältigung von Schwierigkeiten. Im Leitfaden sind nützliche Ratschläge zu den Dingen, die vor Beginn eines Projekts zu beachten sind, sowie zu den Maßnahmen vereint, die zu Beginn, bei der Durchführung und beim Abschluss des Projekts zu ergreifen sind. Die Forschenden erkennen die Besonderheit jedes einzelnen Projekts an, bei dem vernetzt in großen Teams geforscht wird, und erheben nicht den Anspruch, dass es sich um einen allgemein geltenden Leitfaden handelt. Aber ein gemeinsames Konzept zu verfolgen, kann zum Erfolg führen. Außerdem wird die Anpassung entscheidend sein. „Einrichtungen weltweit können zur Förderung der Zusammenarbeit beim vernetzten Forschen in großen Teams beitragen, indem sie neue Arbeitsabläufe, Strategien und Anreizstrukturen entwickeln“, endet Dr. Alessandroni. „Dies würde natürlich erhebliche Veränderungen im akademischen Ökosystem mit sich bringen, sodass es noch viel zu diskutieren gibt.“