Entschlüsselung der mechanischen Wechselwirkungen von Zellen mit ihrer Umgebung
In der komplizierten Welt der Biologie ist die Fähigkeit von Zellen, Signale aus ihrer Umgebung zu erkennen und darauf zu reagieren, ein grundlegender Prozess, der das Verhalten der Zellen bestimmt. Diese Signale regulieren wichtige Funktionen wie Differenzierung, Proliferation und Bewegung. Faszinierend ist, dass Zellen ihr Verhalten sogar an die mechanischen Eigenschaften des sie umgebenden Substrats anpassen können, z. B. an dessen Steifigkeit. Sie sind in der Lage, diese mechanischen Kräfte in intrazelluläre Signale umzuwandeln, ein Prozess, der Mechanosensation(öffnet in neuem Fenster) genannt wird. Das umgebende Substrat, auch bekannt als extrazelluläre Matrix(öffnet in neuem Fenster), besteht aus einem komplexen 3D-Fasernetzwerk, das den Zellen strukturelle Unterstützung bietet. Die Zellen der extrazellulären Matrix verformen sich und nehmen so die mechanischen Eigenschaften wahr. Dieser Prozess hilft ihnen nicht nur, ihr Verhalten anzupassen, sondern kann sich auch auf benachbarte Zellen auswirken, die diese einwirkenden Verformungen spüren.
Verständnis der Wechselwirkungen von Zellen mit der extrazellulären Matrix
Das mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen(öffnet in neuem Fenster) durchgeführte Projekt CellMechSensE zielte darauf ab, die zugrunde liegenden Mechanismen der mechanischen Wechselwirkung zwischen Zellen und der sie umgebenden extrazellulären Matrix zu entschlüsseln. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Pierre Ronceray an der Universität Aix-Marseille und mit der Experimentiergruppe von Ming Guo am MIT durchgeführt. Die Arbeit konzentrierte sich auf die großen Kräfte, die Zellen auf die extrazelluläre Matrix ausüben können, und deren Auswirkungen auf die Funktion des umgebenden Netzwerks. „Die experimentelle Untersuchung der mechanischen Wechselwirkungen von Zellen mit der extrazellulären Matrix war bisher eine Herausforderung, da die Anwendung großer Kräfte auf lokaler Ebene nur begrenzt möglich war“, erklärt die Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiatin Estelle Berthier. Die Forschungsgruppe fand heraus, dass die extrazelluäre Matrix, wenn sie mit diesen größeren Kräften untersucht wurde, eine bemerkenswerte Reaktion zeigte: Sie erhöhte ihre Steifigkeit um das Hundertfache. Dieses Phänomen, das als elastische Nichtlinearität bekannt ist, führte zu einer komplexen mechanischen Reaktion, die bisher nur unzureichend beschrieben wurde. „Durch das Projekt wurde ein umfassendes theoretisches und rechnerisches Rahmenwerk für das Verständnis der zellulären Mechanosensation in der extrazellulären Matrix geschaffen“, so Berthier weiter. In diesem Rahmenwerk wurden die mechanische Reaktion, die Verformungen der extrazellulären Matrix und die Steifigkeit nach der Erfassung durch die Zelle charakterisiert.
Ein neues Mechanosensationsmodell
Eines der überraschendsten Ergebnisse war, dass sich die lokale nichtlineare Reaktion von der makroskopischen Reaktion unterschied, was auf grundlegend unterschiedliche Mechanismen hinweist. Diese Unterscheidung stellte bestehende Annahmen infrage und verdeutlichte die Komplexität der Erfassung durch die Zelle. Das Projekt hat außerdem gezeigt(öffnet in neuem Fenster), dass die mechanische Reaktion einer lokalen Erfassung bei großen Kräften, bei denen Nichtlinearitäten ins Spiel kommen, viel robuster und weniger empfindlich gegenüber Störungen im Netzwerk ist. Dies war unerwartet, da Nichtlinearitäten die Auswirkungen dieser Störung möglicherweise noch erhöht hätten. Um diese Entdeckungen zu verstehen und zu erklären, wie die extrazelluläre Matrix auf verschiedene Kräfte reagiert, entwickelte die Forschungsgruppe ein bahnbrechendes nichtlineares Mechanosensationsmodell. Durch den Einsatz größerer Kräfte kann eine Zelle nichtlineare Verformungen in größeren Bereichen hervorrufen, wodurch das Netzwerk wesentlich steifer wird. Folglich wird die Zelle effektiv zu einem viel größeren Erfassungsgerät und untersucht einen größeren Bereich des Netzwerkes. Genau wie eine zunehmende Stichprobengröße wird die Messung repräsentativer für die gesamten Eigenschaften der extrazellulären Matrix. Bernardi dazu: „Die Teile dieses Puzzles zusammenzufügen und eine Erklärung dafür zu finden, wie Zellen ihre Umgebung erfassen und wahrnehmen, war der wichtigste Erfolg des Projekts.“ In Zukunft könnte diese Forschung Aufschluss darüber geben, wie Zellen ihr Verhalten über große Entfernungen hinweg koordinieren und welche Rolle lokale Nichtlinearitäten bei pathologischen Prozessen wie Tumorwachstum und -invasion spielen.