Evolution der Landpflanzen entschlüsseln
Irgendwann vor etwa 500 Millionen Jahren besiedelten Pflanzen das Land. Diese evolutionäre Reise veränderte die Welt, wie wir sie kennen, und führte zu einer Aufspaltung der Pflanzen in Gefäßpflanzen wie die Ackerschmalwand mit ihren ausgeklügelten Sprosssystemen und ihrer verzögerten Fortpflanzung und in gefäßlose Bryophyten wie Moose. Ein kleines als miR156 bezeichnetes Signalmolekül entwickelte sich bei einem gemeinsamen Vorfahren beider Pflanzengruppen. Bei Gefäßpflanzen verzögert miR156 den Übergang von der Jugendentwicklung, während bei gefäßlosen Pflanzen dieser Übergang nicht stattfindet. „Das brachte uns dazu, uns zu fragen, welche Rolle miR156 während der Evolution der Pflanzen gespielt hat und wie wichtig diese Innovation für die Pflanzen war, als sie aus dem Wasser kamen und das Land besiedelten“, erklärt Jill Harrison(öffnet in neuem Fenster), außerordentliche Professorin an der Fakultät für Biowissenschaften der Universität Bristol und Koordinatorin des Projekts miR156evo. Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts miR156evo, das mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie Maßnahmen(öffnet in neuem Fenster) durchgeführt wurde, prüften die Forschende die Hypothese, dass die Entstehung des Moleküls miR156 ein entscheidender Bestandteil der Evolution der Landpflanzen war und die morphologische Komplexität der Gefäßpflanzen ermöglichte.
Rolle von miR156 in Pflanzen analysieren
Das Team begann, die Rolle von miR156 in der Entwicklung von Moosen und Blütenpflanzen zu vergleichen, um die uralte Rolle von miR156 in Landpflanzen zu entdecken. „Wenn sich herausstellt, dass miR156 in beiden Pflanzenarten ähnliche Wirkungen hat, z. B. die Regulierung des Zeitpunkts der Übergänge zwischen verschiedenen Stadien des Pflanzenlebenszyklus, dann sind diese Funktionen wahrscheinlich auf Landpflanzen zurückzuführen“, kommentiert Jim Fouracre(öffnet in neuem Fenster), Forschungsstipendiat der Royal Society(öffnet in neuem Fenster) an der Universität Bristol(öffnet in neuem Fenster) und Forscher im Projekt miR156evo. Um herauszufinden, was miR156 im Moos bewirkt, haben die Forschenden die Funktionen von miR156 sowohl abgeschaltet als auch verstärkt. Mithilfe von Gentransferverfahren haben sie das Niveau der Genexpression verändert – im Wesentlichen, ob sie eingeschaltet sind oder nicht. Das Team setzte außerdem ein relativ neues Verfahren namens CRISPR-Cas9 ein, das wie eine Genschere funktioniert, um Teile von Genen herauszuschneiden. So können sie die Funktion von Genen gänzlich unterbinden und „Reporterlinien“ erzeugen, die zeigen, wo ein bestimmtes Gen in der Pflanze aktiv ist. „Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass miR156 bei gefäßlosen Pflanzen und Gefäßpflanzen eine ähnliche Funktion bei der Regulierung der zeitlichen Abfolge des Lebenszyklus hat“, bemerkt Fouracre. „Unsere bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sich dabei wahrscheinlich um eine konservierte Funktion handelt, die auch beim Vorfahren aller Landpflanzen vorhanden war.“
Unser Wissens über uralte Landpflanzen erweitern
Ein besonderer Projektschwerpunkt liegt auf der Rolle von miR156 während der Entwicklung des Lebensstadiums des Sporophyten – kurz bevor eine Pflanze Sporen bildet. „Wir wissen nicht, wie der Vorfahre der Landpflanzen aussah, aber die Entwicklung des Sporophytenstadiums im Lebenszyklus der Gefäßpflanzen begünstigte ihre spektakuläre Ausbreitung und ihren Aufstieg zur ökologischen Dominanz“, fügt Harrison hinzu. „Unsere Untersuchungen zur Sporophytenentwicklung von Moosen werden uns Aufschluss über den ursprünglichen Lebenszyklus von Landpflanzen geben.“
Auf grundlegenden Erkenntnissen über die Genregulation aufbauen
Unter anderem dank des Stipendiums im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen hat Fouracre nun seine eigene Forschungsgruppe als Forschungsstipendiat Royal Society University gegründet, in der er seine Forschung über die Rolle von miR156 während der Pflanzenentwicklung fortsetzen wird. Nachdem das Team die notwendigen experimentellen Instrumente konzipiert hat, um mit der Beantwortung von Forschungsfragen zu beginnen, etabliert es außerdem Pflanzenmodelle im Labor, um seine grundlegenden Erkenntnisse darüber zu nutzen, wie miR156 die Entwicklung reguliert. „Wir sind gespannt, was wir finden werden“, sagt Harrison.