Hochspannungs-Gleichstromnetze für eine CO2-neutrale Zukunft
Europas Bestreben, von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen, wird zu erheblichen Veränderungen in den Stromübertragungsnetzen führen. Im EU-finanzierten Projekt HVDC-WISE(öffnet in neuem Fenster) wird an Konfigurationen für zuverlässige und resiliente Hochspannungs-Gleichstromnetze (HGÜ, engl. HVDC) gearbeitet, um die Integration erneuerbarer Energie in Europa zu beschleunigen und die Grundlage für ein künftiges integriertes europäisches Übertragungsnetz zu legen. HGÜ-Netze, die häufig für die Stromübertragung über große Entfernungen eingesetzt werden, sind ein wichtiger Baustein für ein CO2-neutrales Energiesystem. Für diese Netze sind weniger Leiter notwendig und der Energieverlust ist geringer als bei Wechselstromleitungen, sodass die Energie effizienter über lange Strecken übertragen werden kann. Mit ihnen können auch schwer zu elektrifizierende Sektoren mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Durch diese und weitere Eigenschaften sind sie die beste Technologie für die Energiewende in Europa.
Effizienz und Genauigkeit steigern
Einer der Fortschritte aus HVDC-WISE bei der Modellierung von HGÜ-Ausrüstung ist die Übernahme des Functional Mock-up-Interface (FMI), eines offenen Standards für den Austausch von dynamischen Simulationsmodellen zwischen verschiedenen Instrumenten in einem standardisierten Format. In einer Welt mit immer komplexeren Energiesystemen werden die Grenzen mathematischer Modelle und Simulationswerkzeuge ausgereizt. Sie sind oft nur auf bestimmte Teilsysteme innerhalb von Verbundnetzen anwendbar, in der Regel nicht mit anderen Werkzeugen kompatibel und unterliegen Beschränkungen des geistigen Eigentums. All das behindert die Forschung und den Fortschritt in der Leistungselektronik und bei den Übertragungssystemen. Mit der Anwendung des FMI durch HVDC-WISE können diese Probleme gelöst werden, indem der Modellaustauschprozess optimiert und die Effizienz und Genauigkeit von Stromnetzsimulationen verbessert werden. Der Elektroingenieur Florent Morel vom Projektträger SuperGrid Institute, Frankreich, schreibt in einem Artikel in „EE Times Europe“(öffnet in neuem Fenster): „FMI wird von über 200 Werkzeugen unterstützt – darunter führenden wie dSPACE, MATLAB/Simulink, DIgSILENT PowerFactory und OpenModelica – und ermöglicht eine nahtlose Interoperabilität bei gleichzeitigem Schutz von proprietärem Wissen. Durch den Blackbox-Ansatz können Modelle gemeinsam genutzt werden, ohne sensible Details preiszugeben, um den Konflikt zwischen der Sicherheit des geistigen Eigentums und der kollaborativen Innovation zu lösen. Durch die Standardisierung des Modellaustauschs wird mit FMI der redundante Entwicklungsaufwand eliminiert. Außerdem werden Kompatibilitätslücken zwischen verschiedenen Werkzeugen (z. B. MATLAB/Simulink und DIgSILENT PowerFactory) überbrückt. So können simulationsbasierte Studien schneller durchgeführt werden, sodass validierte Modelle von verschiedenen Plattformen in zusammenhängende Systeme integriert werden können, selbst wenn sie große, heterogene Stromnetze betreffen.“
Dynamische Phasoren nutzen
Ein weiterer innovativer Ansatz von HVDC-WISE ist die Verwendung dynamischer Phasoren, um die Wechselwirkungen zwischen den Wechselstrom- und Gleichstromteilen des Netzes genauer und effizienter zu modellieren. Traditionelle Simulationen mit dem quadratischen Mittel und elektromagnetischen Transienten (EMT) weisen bei der Modellierung von leistungselektronischen Umrichtern wie solchen in HGÜ-Netzen Einschränkungen auf. Simulationen mit dem quadratischen Mittel sind oft zu vereinfacht und für EMT-Simulationen sind sehr kleine Zeitschritte und hohe Rechenintensität erforderlich. „Die dynamische Phasormodellierung bietet einen Mittelweg“, erklärt Morel. „Erstens hat der größere Zeitschritt in der dynamischen Phasenmodellierungsdomäne eine geringere Auswirkung auf die Simulationsgenauigkeit als bei EMT … Zweitens stellt die dynamische Phasenmodellierung die Dynamik des elektrischen Netzes dar, die in Simulationen mit dem quadratischen Mittel nicht verfügbar ist.“ Die neuen Modellierungs- und Simulationsansätze aus dem Projekt HVDC-WISE (HVDC-based grid architectures for reliable and resilient WIdeSprEad hybrid AC/DC transmission systems) werden in einem Bericht mit dem Titel „Technology modelling“(öffnet in neuem Fenster) beschrieben. Mit den Fortschritten bei den HGÜ-Netzarchitekturen kann der Übergang Europas zu nachhaltiger Energie beschleunigt werden. Weitere Informationen: HVDC-WISE-Projektwebsite(öffnet in neuem Fenster)