Wie Mistkäfer mit angeborenem Kompass Navigationshinweise nutzen
Der sich von tierischem Dung ernährende Mistkäfer formt den Dung zu einer Kugel und rollt ihn in einer geraden Linie weg, um seiner Konkurrenz auf dem Misthaufen zu entkommen. Festgestellt wurde, dass der Käfer Navigationshinweise wie die Position von Sonne, Mond und Sternen nutzt und diese mit anderen Hinweisen kombiniert, um Kurs zu halten. „Dungkäfer sind ein wunderbares Instrument, um zu verstehen, wie Navigation funktioniert“, berichtet Marie Dacke, Projektkoordinatorin von UltimateCOMPASS(öffnet in neuem Fenster) und Professorin für Sinnesbiologie an der Universität Lund(öffnet in neuem Fenster), Schweden. „Sie verfügen über die verborgene Fähigkeit, sich in einer Vielzahl von Umgebungen zurechtzufinden sowie über ein viel größeres Instrumentarium zur Lösung von Navigationsproblemen, als wir erwartet hatten.“ „Sie sind zu jeder Tageszeit aktiv, aber wir haben entdeckt, dass diese cleveren Käfer auch nachts navigieren können“, erläutert sie. „Wir erkannten, dass sie anhand der Polarisationsmuster rund um den Mond und des schwachen Lichts der Milchstraße navigieren.“
Navigationshinweise in Kombination
„Wir isolierten diese Navigationshinweise einen nach dem anderen. Zunächst haben wir nicht verstanden, auf welche Weise die Käfer sie kombinieren oder was sie tun, wenn sie sich in einem Wald befinden, in dem der Blick zur Sonne häufig verstellt ist.“ Aber Dacke erklärt: „Käfer ändern ihre Art, die Umgebung zu lesen, völlig, und zwar entsprechend den Richtungshinweisen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar sind.“ „Ist die Sonne nicht zuverlässig, nutzen sie stattdessen den Wind zur Navigation. Und wenn die Sonne sicher scheint, lassen sie den Wind außer Acht, weil es schwieriger ist, sich an ihm zu orientieren.“
Sich erinnern, wo es langgeht
Das Team, das sich aus Fachleuten für Entomologie, Neurologie, Ethologie, das Insektenauge beschreibende Bildgebung und Modellierung zusammensetzt, ging der Frage nach, wie lange sich die Insekten merken, wo es langgeht. Bei einem Experiment bewegten sich die Käfer eine kurze Strecke, um ihre Richtung zu bestimmen. Die Insekten wurden dann für immer längere Zeiträume in Plastik eingewickelt. Wurden sie wieder ausgepackt und unter freiem Himmel freigelassen, konnte anhand der Orientierungsrichtung der Insekten die Stabilität ihres Gedächtnisses nachgewiesen werden. In einem anderen Laborexperiment wurden die Käfer auf Eis gelegt, da damit neuronale Prozesse unterbrochen werden. „Dann vergessen sie den Weg schneller“, merkt Dacke an. Sie fügt hinzu: „Mit diesen und weiteren Experimenten konnten wir beobachten, dass die Erinnerung nachlässt, aber die Richtung länger als die Strecke in Erinnerung bleibt.“
Das Insektengehirn überwachen
Die erfahrene Elektrophysiologiegruppe des Teams setzte winzige Elektroden in einzelne Neuronen des Navigationszentrums des Insektengehirns ein, um die neuronale Aktivität aufzuzeichnen und zu messen. „Wir haben die verschiedenen Neuronen, Tausende von ihnen, auf eine Weise nachverfolgt, dass wir sie abbilden können. Wir bildeten das Kompasszentrum der Tiere ab und verfolgten einzelne Neuronen, um zu erfahren, wie sie miteinander verbunden sind“, erklärt Dacke. „Diese [neuronalen] Netze werden ständig modifiziert“, stellt sie fest und weist darauf hin, dass sie sich an veränderte Bedingungen anpassen, indem sie verschiedene Hinweise miteinander kombinieren.
Computergestützte Insektengehirnmodelle
Es wurden rechnergestützte Modelle entwickelt, in denen die Informationen über die Mistkäferneuronen mit denen anderer Insekten kombiniert sind, deren neuronale Netze von anderen Wissenschaftsteams kartiert wurden. „Das Schöne an der Navigation ist, dass sich die Schaltkreise bei den Insekten ziemlich ähneln“, merkt Dacke an. Diese Tatsache ist auch aus EU-finanzierten Projekten über Ameisen wie zum Beispiel EMERG-ANT und über Nachtfalter, insbesondere MagneticMoth, bekannt. In ihnen wird bewiesen, dass die Navigation für die Insektenbestäubung und die biologische Vielfalt wichtig ist, denn Tiere, die nicht navigieren können, können nicht überleben. Dacke zufolge könnte das Verständnis, wie diese Hinweise kombiniert werden, breitere Anwendung finden, zum Beispiel in der Robotik oder bei autonomen Fahrzeugen, wo riesige Mengen an Informationen kombiniert werden müssen, um in die richtige Richtung zu steuern. Sie schlägt außerdem vor, einen Beitrag dazu zu leisten, komplexe Navigationssysteme zu entwerfen, die störungssicher sind. „GPS ist ein menschengemachtes System, das abschaltbar ist, aber auf natürliche Eingangswerte angewiesene Systeme würden weiterhin funktionieren.“ Das Projekt UltimateCOMPASS wurde über den Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) finanziert.