Wie sahen Rom und Griechenland in der Antike aus?
Stellen Sie sich einen Tag voller Musik, Poesie, Getränken sowie philosophischen und politischen Debatten vor. Je nach sozialer Klasse, Status und Geschlecht sah so das typische Leben der Bürgerinnen und Bürger vor etwa 2000 Jahren in Rom und Athen aus. Haben Sie sich jemals gefragt, wie das Leben in diesen „guten alten Zeiten“ gewesen sein mag? Künstliche Intelligenz verwandelt historische Sehenswürdigkeiten und Geräusche immer mehr in ein interaktives Erlebnis. Dank einer neuen interaktiven KI-Plattform(öffnet in neuem Fenster), die kürzlich von der Universität Zürich (UZH) entwickelt wurde, ist es nun möglich, die Vergangenheit auf eine völlig andere Weise zu erleben. Das Projekt mit dem Namen „Re-Experiencing History“ erzeugt mithilfe wissenschaftlicher Quellen realitätsnahe Bilder der Antike. Nutzer können historisch akkurate Szenen aus dem antiken Rom und Griechenland nach ihren eigenen Vorstellungen visuell gestalten.
Ein Fenster in die Vergangenheit öffnen
Was für Felix Maier, Professor für Alte Geschichte, und den Computerlinguisten Phillip Ströbel als 12-monatiges Projekt(öffnet in neuem Fenster) an der Universität Zürich begann, hat zu einem innovativen Tool geführt, das uns mit KI und speziell trainierten Modellen in die Vergangenheit zurückversetzt. Nahezu jede Situation aus der Antike, darunter etwa marschierende Legionen oder ein siegreicher General auf seinem Streitwagen, kann nachgebildet und aus verschiedenen Perspektiven nacherlebt werden. „Wir können weder einen römischen Triumph noch ein griechisches Fest zurückbringen, aber durch die visuelle Nachbildung regen wir einen Dialog zwischen Fakten und Fantasie an“, erklärten Maier und Ströbel bei „Forbes“(öffnet in neuem Fenster). „Der Prozess macht uns Lücken, Unsicherheiten und Verzerrungen bewusst, und diese Erkenntnis an sich ist eine Form von Wissen.“ Die Plattform richtet sich vor allem an Forschende, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Museumspersonal. „Sie ermöglicht Historikerinnen und Historikern neue Perspektiven zu entwickeln“, erklärte Maier in einer Pressemitteilung der UZH(öffnet in neuem Fenster). „Wenn wir ein Bild eines Triumphzugs erzeugen, müssen wir uns plötzlich konkrete Fragen stellen: Wie gut erkannte man damals den Triumphator in der jubelnden Menge? Wie wurde der Sieg möglichst anschaulich inszeniert? Welche Route nahm die Prozession?“ Die Forscher entwickelten das Tool durch die Kombination von KI-Modellen, die anhand von wissenschaftlicher Literatur und antiken Quellen trainiert wurden. Konkret speisten sie die KI-Bildgeneratoren mit einem sorgfältig zusammengestellten Datensatz von fast 300 Bildern und Bildunterschriften, darunter Illustrationen aus wissenschaftlichen Büchern über römische Kleidung, Waffen und Architektur. Das Forscherteam veranlasste das System dann dazu, jede Eingabeaufforderung durch das Auffinden historisch präziser Informationen aus einer ausgewählten Datenbank, die aus etwa 70 Forschungsartikeln und Büchern zur römischen Kultur besteht, zu verbessern. Dies trug dazu bei, wesentlich authentischere und genauere Bilder auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu generieren. Demgegenüber verwenden die gängigsten KI-Bildgeneratoren neuere Referenzen und Hochglanz-Bildmaterial, was in absurden Ergebnissen resultieren kann. Können Sie sich ein römisches Publikum vorstellen, das bei einer Siegesparade Smartphones in der Hand hält, oder einen Staatsmann, der mit einem Mikrofon vor dem Senat spricht?
Bedrohung der menschlichen Kreativität
Maier betonte, dass Re-Experiencing History nicht als Ersatz für die Fantasie geschaffen wurde. „Je intensiver wir uns mit KI-generierten Bildern beschäftigen, desto stärker wird unsere historische Vorstellungskraft stimuliert. Im steuernden Umgang mit der KI werden wir stets neu herausgefordert, die möglichen Ergebnisse auf Plausibilität zu überprüfen. Die KI bietet visuelle Hypothesen, die der Mensch weiterdenkt.“ Re-Experiencing History steht derzeit nur Mitarbeitenden und Studierenden der Universität Zürich zur Verfügung. Die öffentliche Zugänglichkeit des Tools ist in Planung.