Neue Erkenntnisse bei der Ätiologie der Multiplen Sklerose
Myelin ist die Isolierschicht, von der unter anderem Nervenfasern umgeben sind. Hauptmerkmal von MS ist der Myelinverlust (Demyelinisierung oder Entmarkung) aufgrund einer Schädigung der Myelinschicht durch entzündliche Zellen. In Nordeuropa und Nordamerika ist diese Krankheit eine Hauptursache für chronische Behinderungen bei jungen Erwachsenen und Erwachsenen mittleren Alters. Die Ätiologie - also die Ursache - für MS ist unbekannt, und bis heute gibt es für diese Krankheit keine kausale Therapie. Die Ergebnisse der Forschung stützen die These, dass es sich bei MS um eine Autoimmunerkrankung handelt, die bei Personen mit entsprechender genetischer Disposition durch Umwelteinflüsse ausgelöst wird. Diese stören die Eigentoleranz gegenüber Myelin-Autoantigenen (also "körpereigenen" Proteinen, die normalerweise vom Immunsystem erkannt werden). Ein potenzielles Ziel für die pathogene Reaktion ist das Myelin-Oligodendrozyten-Glycoprotein (MOG), einer geringfügigen Komponente des zenztalen Nervensystems (ZNS). Die Autoimmunerkrankung geht mit der selektiven Aktivierung und Expansion der T-Zellen-Population einher, was zur Zerstörung des Wirtsgewebes führt. Die Identifizierung des entzündlichsten Zelltyps und/oder Mediators hat sich jedoch als schwierig erwiesen, und die bisherigen Ergebnisse sind widersprüchlich. Eine Gruppe von Forschungsinstituten unternahm jetzt eine Reihe von Studien mit dem Ziel, die für die MS-Anfälligkeit maßgeblichen Genloci zu identifizieren und deren mögliche Korrelation mit Umweltfaktoren zu klären. Zu diesem Zweck bedienten sie sich eines Tierversuchsmodells für MS, der Experimentellen Autoimmun-Encephalomyelitis (EAE). Dabei bekommen die Versuchstiere das MOG-Protein injiziert, das eine Autoimmunantwort auslöst. Auf diese Weise wird das Immunsystem des Tieres zu einem Angriff auf sein eigenes Myelin veranlasst, der einer MS-Erkrankung beim Menschen sehr ähnlich ist. Wie die Studien zeigten, gibt es eine Dualität in der pathogenen Autoimmunantwort auf MOG, die aus MOG-spezifischen T- und B-Zellen besteht und implizieren, dass erfolgreiche tolerogene und/oder therapeutische Strategien beide Zellarten wirksam kontrollieren müssen. Außerdem wurde ein Zusammenhang zwischen Multipler Sklerose und der Ernährung - insbesondere der Konsum von Milch und Milchprodukten - festgestellt. Der Milcheiweißstoff Butyrophilin (BTN) weist eine ausgeprägte Aminosäuren-Homologie mit MOG auf, womit der erste experimentelle Nachweis erbracht wurde, dass eine Ernährungskomponente das Autoimmun-Repertoire beeinflussen und einen Auslöser für das Entstehen von Autoimmunerkrenkungen darstellen kann.