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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Die Niederlande: vom Goldenen Zeitalter zum brillianten Tummelplatz der Wissenschaft

"Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?" Dieses Zitat wird Vincent van Gogh zugeschrieben, hätte aber ebenso von vielen anderen holländischen Visionären ausgesprochen werden können, die insbesondere im Handel, in der Wissenschaft und bei Entdeckungen immer weiter mutig voranschritten, wo andere verzagten.

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Egal, ob Landgewinnung und Wasserwirtschaft, der Aktienmarkt, der erste multinationale Konzern, das erste praktische Teleskop oder das erste navigierbare U-Boot - die Niederlande blickt auf eine reiche Geschichte der Innovation zurück, die von dem niederländischen Willen zu experimentieren und einen praktischen Ansatz zur Problemlösung zu finden, angetrieben wurde. Mitten im Goldenen Zeitalter der Niederlande im 17. Jahrhundert unterbreitete Christiaan Huygens, seines Zeichens Astronom, Physiker und Mathematiker, einen Vorschlag zur Wellentheorie des Lichts. Er entdeckte den Saturnmond Titan und erfand die Pendeluhr - was ein wichtiger Schritt zur exakten Zeitmessung war. Sein Zeitgenosse Anton van Leeuwenhoek untersuchte als Erster methodisch das Leben unterm Mikroskop und legte auf diese Weise die Grundlagen der Mikrobiologie. Neugier und Pragmatismus von Forschern wie Huygens, Van Leeuwenhoek und anderer treiben auch die heutige Generation niederländischer Wissenschaftler und Innovatoren an. Stoff zum Nachdenken So hat ein Team niederländischer Wissenschaftler vor kurzem angesichts der in den letzten Jahren wachsenden globaler Befürchtungen um die Ernährung der Weltbevölkerung angekündigt, dass es nun gelungen sei, Fleisch aus Stammzellen in einem Reagenzglas wachsen zu lassen. Obwohl der erste Prototyp eines auf diese Weise hergestellten Hamburgers über 240.000 EUR kosten wird, hat das Verfahren das Zeug dazu, die Nahrungsmittelproduktion zu revolutionieren und den ökologischen Fußabdruck von Fleisch um bis zu 60% zu reduzieren. Fische stehen im Mittelpunkt einer bahnbrechenden Initiative, an der ein Team vom Stichting Centrum voor Wiskunde en Informatica, einem Forschungsinstitut in Amsterdam, beteiligt ist, das auf Mathematik und Informatik spezialisiert ist. Im Rahmen des Fish4Knowledge-Projekts (1) arbeiten die Forscher an Technologien, mit denen auf intelligente und automatische Weise Millionen Stunden Unterwasservideos analysiert werden können, so dass diese dazu einsetzbar sind, Meeresökosysteme und die Auswirkungen des Klimawandels, der Umweltverschmutzung und anderer Umweltfaktoren besser zu verstehen. Die hierdurch entstandenen Datenbank- und Analysewerkzeuge verschaffen den Meeresforschern einen bislang beispiellosen Zugang zu gespeicherten und Live-Unterwasservideos sowie den damit verbundenen Informationen über das Leben im Meer. Hat Fish4Knowledge mit der Analyse von Unterwasserdaten zu tun, so beschäftigt sich ein weiteres, von Universiteit Twente koordiniertes Projekt mit der Erzeugung, gemeinsamen Nutzung und Verarbeitung von Daten - und zwar sehr vieler Daten. In dem Projekt mit dem Titel CLAM (2) sind das niederländische Unternehmen Microflown Technologies sowie norwegische und italienische Partner beteiligt. Das Konsortium entwickelt eine kollaborativen Unterwasser-Mess-, Schlussfolgerungs- und Kommunikationsplattform zur Onlineüberwachung der Unterwasserumwelt. Das CLAM-System kann durch eine Kombination modernster akustischer Vektorsensortechnik, Unterwasser-Drahtlossensornetzwerkprotokolle, kollaborativer situationsgerechter Schlussfolgerungen und verteilter Signalverarbeitungsverfahren in jeglicher Unterwasserumgebung, die überwacht werden soll, eingesetzt werden, egal ob es dabei um den Umweltschutz, die Überwachung der Meeresflora und -fauna oder die Küstensicherheit geht. Der Ansatz ermöglicht die Anwendung vieler verschiedener Sensoren und Bauelemente sowie deren autonomes Organisieren zu einem Netzwerk, Datenaustausch, die Ermittlung von Regionen oder Ressourcen, in denen etwas zu beobachten ist, und die Bereitstellung dieser Informationen an einem oder mehreren Sammelpunkten, an denen einfach und kostengünstig auf sie zugegriffen werden kann oder sie übertragen werden können. Intelligente Deiche, intelligente Häuser Als tiefgelegenes, historisch mit dem Meer verbundenes und ewig mit ihm haderndes Land spielt Wasser verständlicherweise eine große Rolle im Leben der Niederländer - sowohl im Guten als auch im Schlechten. Hochwasser ist in weiten Teilen der Niederlande nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem, aber schon bald könnte es weniger Anlass zur Sorge sein. Ein Forscherteam der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (Nederlandse Organisatie voor Toegepast Natuurwetenschappelijk Onderzoek, TNO) koordiniert die Entwicklung einer internetgestützten Plattform zur Bereitstellung von Frühwarnsystemen, die im vorherein über drohende Katastrophen, insbesondere Hochwasser, informiert. Am Projekt UrbanFlood (3) sind außerdem auch die niederländische Stiftung für angewandte Forschung im Wassersektor (Stichting Toegepast Onderzoek Waterbeheer, STOWA) und die Universität Amsterdam sowie Partner in Polen, Russland und im Vereinigten Königreich beteiligt. Das Team hat Sensoren in den niederländischen Deichen installiert, die nach der Flutkatastrophe von 1953 zur Eindämmung der Wasserstände gebaut wurden, und analysiert die Daten, um die Schwachstellen zu erkennen, bevor es zu spät ist. "Wir messen den Wasserdruck innerhalb des Deichs, und wir reden hier über 2.400 Kilometer dieser Art von Deichen in den Niederlanden... die Menge an zu analysierenden Informationen ist gewaltig. Wir verwenden Supercomputer, künstliche Intelligenz... und da die Sensoren mit dem Internet verbunden sind, können sich unsere Überwachungsstationen überall auf dem Planeten befinden", erklärt Projektkoordinator Dr. Robert Meijer. Sensortechnik spielt auch in einem anderen Projekt unter niederländischer Leitung eine große Rolle. Unter der Koordination der Technischen Universität Eindhoven konzentriert sich GreenerBuildings (4) auf den Einsatz von Sensoren und Aktoren, kombiniert mit Umgebungsintelligenz, damit in Gebäuden auf dynamische Weise Heizung, Beleuchtung und weitere energieverbrauchende Geräte an die reale Gebäudenutzung und Aktivitäten in diesen angepasst werden können, um somit den Energieverbrauch deutlich zu senken. "Uns schwebt vor, dass die Gebäude auf ihre tatsächliche Ausnutzung und Veränderungen in ihrer Umwelt reagieren können, mit ihren Bewohnern mit Hilfe neuartiger allgegenwärtiger Sensortechnik und Interferenzverfahren zum Benutzerverhalten interagieren können, die auf transparente Weise Funktion und Betrieb eines Gebäudes anpassen", so die Forscher. Das Team plant eine Validierung des Konzepts mit Studien im "lebendigen Labor" intelligenter Wohnungen, an denen mindestens 1.000 Geräte beteiligt sein sollen. Die Smart-Home-Technologie für intelligentes Wohnen spielt auch in einem anderen Projekt mit niederländischer Beteiligung eine wichtige Rolle, wenn auch zu einem anderen Zweck. Stichting Smart Homes aus Eindhoven und Verklizan, ein niederländischer Anbieter für Fernbetreuungs- und Telemedizinlösungen, arbeiten an der CompanionAble-Initiative (5) mit, welche sich der sozialen Integration, Gesundheitsüberwachung und Betreuung behinderter und älterer Menschen durch den innovativen Einsatz von IKT-Technologien widmet. In Versuchen demonstrierte das CompanionAble-Team, auf welche Weise Lösungen zum umgebungsunterstützten Leben kombiniert mit einem mobilen Roboterbegleiter namens Hector für ein Spektrum von Dienstleistungen sorgen kann, mit denen die Nutzer beispielsweise dazu aufgefordert werden, ihre Medizin einzunehmen, oder auch Rettungsdienste alarmiert werden, falls es im Wohnumfeld zu einem Unfall kommen sollte. Die CompanionAble-Forscher arbeiteten überdies in Abstimmung mit der Technischen Universität Eindhoven mit dem KSERA-Projekt (6) zusammen. Das Projekt entwickelt einen sozial unterstützenden Roboter für ältere Menschen, insbesondere für Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), der ihnen bei ihren täglichen Aktivitäten, Pflegebedürfnissen und dabei, selber mit der Krankheit fertig zu werden, helfen soll. "(Intelligente Wohnungen und Roboter) sollten so gemütlich und nett wie nur möglich sein", betont Projektkoordinatorin Dr. Lydia Meesters. "In einer idealen Situation wird die einzige sichtbare Technik der Roboter sein. Er wird den Kontakt zu allen Haussystemen bilden, aber ansonsten wird die Wohnung einfach nur sehr gemütlich aussehen." Die Forscher bei Philips arbeiten derweil am anderen Ende des Gesundheitsbereichs. Im Rahmen des Integrate-Projekts (7) erstellen sie zusammen mit Partnern in Belgien, Spanien und Griechenland Lösungen für den Daten- und Wissensaustausch, welche auf die biomedizinische Forschungsgemeinschaft abzielen. Man hat hauptsächlich die Brustkrebsforschung im Fokus. Das Ziel besteht allerdings darin, die Abkehr von einer empirischen Medizin hin zur evidenzbasierten persönlichen Betreuung zu erleichtern, um letztlich die Behandlungen zu verbessern und die Kosten zu senken. Diese Projekte und noch viele weitere auf den verschiedensten Anwendungsgebieten und in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen veranschaulichen deutlich, dass die Wissenschaft in den Niederlanden - auch wenn das Goldene Zeitalter längst Geschichte ist - Brilliantes zu bieten hat. --- Die in diesem Artikel beschriebenen Projekte wurden innerhalb des Siebten Rahmenprogramms für Forschung (RP7) unterstützt. (1) Fish4Knowledge: "Supporting humans in knowledge gathering and question answering w.r.t. marine and environmental monitoring through analysis of multiple video streams" (2) CLAM: "CoLlAborative eMbedded networks for submarine surveillance (3) UrbanFlood: "UrbanFlood" (4) GreenerBuildings: "An ubiquitous embedded systems framework for energy-aware buildings using activity and context knowledge" (5) CompanionAble: "Integrated cognitive assistive and domotic companion robotic systems for ability and security" (6) KSERA: "Knowledge service robots for ageing" (7) Integrate: "Driving Excellence in Integrative Cancer Research through Innovative Biomedical Infrastructures" Nützliche Links: - RP7 auf CORDIS - FISH4KNOWLEDGE auf CORDIS - CLAM on CORDIS - URBANFLOOD auf CORDIS - GREENERBUILDINGS auf CORDIS - COMPANIONABLE auf CORDIS - KSERA on CORDIS - INTEGRATE auf CORDIS