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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Unser digitales kulturelles Erbe erhalten

Erinnern Sie sich noch an die Anfangszeiten der Computerspiele und Konsolen? Digitale "Schätze" wie Super Mario und Pacman für die Nachwelt zu erhalten, ist eine wahrhaft gewaltige technische Herausforderung. Und das gleiche Problem bereitet auch die High-End-Unternehmenssoftware vergangener Jahre. Dank eines EU-finanzierten Projekts verfügen wir nun über Werkzeuge, die auch weit in der Zukunft den Zugriff auf veraltete Software ermöglichen.

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Aufgrund der systematischen Aktivitäten von Bibliotheken, Museen und nationalen Archiven kann ein Großteil unseres digitalen Erbes gut bewahrt werden. Es sind schon eine Menge Kopien älterer Softwareanwendungen (Legacy Software), von ersten Videospielen bis hin zu professionellen High-End-Softwarepaketen, als Artefakte des digitalen Zeitalters gesammelt worden. Doch die Speicherung eines Stapels Disketten oder Spielekassetten ist nur die eine Sache. Der Zugriff auf die Software und dann auch der Lage zu sein, sie zu benutzen, ist ein ganz anderes Problem. Besitzen Sie noch einen alten Gameboy oder die passende alte Hardware mit dem richtig installierten Betriebssystem, so könnte die Software laufen. Aber was passiert, wenn die alten Geräte den Geist aufgeben und nicht repariert werden können? Glücklicherweise gibt es noch eine viel bessere Möglichkeit, auf historische Software zuzugreifen: die Emulation. Ein Emulator ist eine Softwareanwendung, die auf modernen Rechnern oder sogar über das Internet läuft und dabei Hardware- und Systemkomponenten veralteter Computer simuliert. Ein Emulator ist nichts als eine virtuelle Maschine: Auf einem Commodore 64-Emulator laufen Spiele für den Commodore 64; ein Gameboy-Emulator erweckt Super Mario wieder zum Leben. Emulation in der Entwicklung Das von der EU mitfinanzierte Projekt "Keeping Emulation Environments Portable" (KEEP), das im Februar 2012 beendet wurde, arbeitete daran, dem Bereich der Emulation in Europa einen gewaltigen Anschub zu verpassen. Außerdem gewährleistete das Projekt, dass den Emulationsplattformen nicht das gleiche Schicksal wie der Software droht, die sie versuchen am Leben zu erhalten. Auch ein Emulator, der im Grunde eine Software ist, könnte veralten. Will man also sämtliche Software für immer bewahren, müssen Emulatoren "zukunftssicher" aufgebaut werden - sie müssen auch in den Geräten von morgen laufen können. "Die KEEP zugrundeliegende Idee war, uns alle erforderlichen Werkzeuge zu verschaffen, die wir brauchen, damit wir niemals aus alter Software ausgesperrt werden", erklärt Projektkoordinatorin Elisabeth Freyre von der französischen Nationalbibliothek. "Wir erkannten, dass man sich nicht auf veraltete Hardware zum Einsatz der Software verlassen kann, da die Hardware selbst ein historisches Artefakt ist. Also sind wir auf Emulatoren angewiesen, um sowohl statische als auch dynamische digitale Objekte der Vergangenheit wie etwa Text, Ton- und Bilddateien, Multimediadokumente, Webseiten, Datenbanken, Videospiele und so weiter wiederzugeben." KEEP entwickelte etliche Instrumente, mit deren Hilfe die Archivare Daten von verschiedenen "Trägern" (die Art, wie Software "verpackt" ist) gewinnen und sie in ein brauchbares, übliches Kodierformat umwandeln können. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Schritt zum "Entpacken" der Software aus ihrem physischen Speicher (z. B. Diskette, Spielekassette usw.) und zum Speichern des binären Inhalts auf eine Weise, die ihn "plattformunabhängig" macht, was letztlich heißt, dass er auf einem beliebigen Computer mit jedem gewünschten Betriebssystem zum Laufen gebracht werden kann. Das KEEP Media Transfer Tool Framework (MTTF) bietet die bequeme Möglichkeit, ein "Abbild" eines Softwareträgers zu erstellen und es derart auf modernen digitalen Medien zu speichern, dass es von Emulationsdiensten genutzt werden kann. Das Projekt hat abgesichert, dass dieses Framework auch den Leitlinien der Open Planets Foundation für Interoperabilität in der digitalen Konservierung folgt. "Die Entwicklung dieses Frameworks zur Archivierung älterer digitaler Materialien ist für die Bewahrung unserer digitalen Kultur ein großer Schritt in die richtige Richtung", betont Elisabeth Freyre. "Wir konnten gute technische Fortschritte verzeichnen, aber wir verstehen gleichermaßen den sozialen Kontext von dem, was wir tun, und so haben wir überdies einen allgemeinverständlichen Leitfaden erarbeitet, der sich den rechtlichen Fragen rund um das Kopieren und Bewahren von Software widmet." Eine spezielle Komponente des KEEP-Emulation-Frameworks ist die "Trustworthy online technical-environment metadata registry" (TOTEM). Metadaten zum technischen Umfeld beschreiben Details der Computer-Hardware, Betriebssysteme, Plug-Ins, Softwarebibliotheken und noch mehr, die ein digitales Objekt zur Anwendung benötigt, und damit die technische Umgebung, die der Emulator braucht. Die Anwendungen von TOTEM sind so vielfältig wie weitreichend: Wissensspeichernde Einrichtungen wie auch kommerzielle Unternehmen werden gleichermaßen in der Lage sein, dieses Instrument anzuwenden, um eine Fülle technischer Umgebungen für alle Arten digitaler Objekte einschließlich digitaler Kunst oder 3D-Visualisierungen und Simulationen zu suchen und zu finden. Das KEEP-Projekt hat eine Datenbank eines Großteils der Emulatoren zusammengestellt, die derzeit den Forscherinnen und Forschern zur Verfügung stehen. Sobald also ein älterer Softwareträger mittels KEEP MTTF in eine Bilddatei umgewandelt wurde, kann das KEEP Emulation Framework diese Datei analysieren, die Plattform(en) identifizieren, auf der/denen sie läuft, und Details über die Emulatoren liefern, durch die heute auf dieses digitale Objekt zugegriffen werden kann. Das Motto lautet "zukunftssicher" Die Vereinbarung über den Kern des Emulation-Frameworks im Rahmen des Projekts war einer der wichtigsten Erfolge überhaupt. Dieses Framework ist an sich kein Emulator, sondern ein Softwareinstrument, das den Inhalt einer Datei oder eines Abbilds des Trägers identifizieren kann und dann den am besten geeigneten vorhandenen Emulator startet. Bei der Entwicklung dieses Werkzeugs konnten die Partner überdies breiter angelegte rechtliche Fragen untersuchen sowie Leitlinien, Empfehlungen und Anleitungen erstellen, auf welche Weise die Emulatoren konzipiert und entwickelt werden sollten, um sicherzugehen, dass sie, anders als in den meisten Fällen die Software, nicht veralten. "Es hat keinen Sinn, alles zu archivieren und dabei zu erwarten, dass ein Emulator verfügbar sein wird, um auf das archivierte Material zuzugreifen, wenn auch der Emulator veraltet. Uns wurde klar, dass Emulatoren auf eine abstrakte Weise entworfen werden müssen, so dass sie jenseits von Betriebssystemen, Softwarekodierungen und Hardwaregrenzen agieren, die sie in der Zukunft unbrauchbar machen könnten. Ein Emulator muss zukunftssicher sein", bringt es Elisabeth Freyre auf den Punkt. "Wir müssen sicher gehen können, dass wir auf einem Computer der Zukunft, den bislang noch keiner erdacht, geschweige denn entworfen hat, einen Emulator nutzen können." Diese "zukunftssichere" Plattform ist die KEEP Virtual Machine, eine Lösung, die Emulationssoftware ausführen kann, aber auch auf einfache Weise an zukünftige unbekannte Computerarchitektur-Spezifikationen angepasst werden kann. Bis zum Projektende führten die Partner die Rekompilierung des Quellcodes eines vorhandenen Commodore 64-Emulators vor und brachten ihn innerhalb der KEEP Virtual Machine zum Laufen, was zweifellos den Wert und die Chance der Zukunftssicherheit des Emulationsansatzes beweist. Diese langfristige Perspektive gibt uns die Sicherheit, dass unser digitales Erbe auch für kommende Generationen zugänglich sein wird. "Es lässt sich nicht sagen, wie wichtig es ist, all unsere digitalen Werte für die Nachwelt zu konservieren", sagt Elisabeth Freyre. "Aber ohne funktionsfähige Emulation werden die von uns gesicherten digitalen Dinge in der Zukunft nichts weiter als die physischen Objekte, Disks und Bänder, sein, auf denen die Software gespeichert ist. Wir übergeben nun zukünftigen Generationen einen Schlüssel zu all den Codes, mit dessen Hilfe sie sehen werden können, was wir heute sehen; all die Bilder, Spiele und Anwendungen, die für unsere Gesellschaft heute so enorm wichtig sind." Das KEEP-Projekt erhielt 3,1 Millionen EUR Forschungsförderung innerhalb des Themenbereichs "Informations- und Kommunikationstechnologien" (IKT) des Siebten EU-Forschungsrahmenprogramms (RP7). Das Gesamtprojektbudget hatte eine Höhe von 4,0 Millionen EUR. Link zu einem Projekt auf CORDIS: - RP7 auf CORDIS - KEEP-Projektfactsheet auf CORDIS Link zur Projekt-Website: - The Open Planets Foundation - Projektwebsite "Keeping emulation environments portable" Weitere Links: - Website der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda