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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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ERC Storys – Geht der Zerfall der Familie zurück?

Überall herrscht heutzutage Pessimismus, jedoch hat der vom ERC finanzierte Forscher Professor Gøsta Esping-Andersen auch Grund für Optimums entdeckt. Obwohl vielerorts auf negative soziale Entwicklungen hingewiesen und vorhergesagt wird, dass ein Wandel in der Rolle der Frauen zum Verfall der familiären Stabilität führen wird, sieht er Anzeichen für Licht am Ende des Tunnels – eine viel versprechende Perspektive für den Internationalen Tag der Familie der Vereinten Nationen am 15. Mai.

Klimawandel und Umwelt icon Klimawandel und Umwelt

Die meisten von uns haben schon Zeitungsartikel gelesen, in denen es um nachlassende Fruchtbarkeit oder steigende Scheidungsraten und eine zunehmende Zahl der Alleinerziehenden geht. Natürlich ist ein Verständnis dieses Phänomens äußerst wichtig, da instabile Familienverhältnisse die Lebenschancen von Kindern beeinträchtigen können. Prof. Esping-Andersen, Empfänger eines ERC Advanced Grants im Jahr 2010, zufolge sehen viele Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Demografie diese Tendenzen als das Ergebnis von mehr individuellen Entscheidungsmöglichkeiten und stärkerer Selbstverwirklichung in Verbindung mit dem sinkenden Festhalten an weitverbreiteten sozialen Anschauungen und Richtlinien — auch das "postmoderne" Modell genannt. "Ich bin da skeptisch", sagt er. "Es ist falsch, den Anstieg der Scheidungsraten und den Rückgang der Fruchtbarkeit als einen kontinuierlichen Prozess anzusehen. Ich glaube, dass sie nicht linear sind. Es handelt sich hierbei nur um Symptome einer Übergangsphase von traditionellen Familienmodellen zu neuen, die sich zunehmend auf gleichberechtigte und symmetrische Geschlechterrollen stützen." Kipppunkte Für Prof. Esping-Andersen finden in den Zahlen Hinweise darauf: In mehreren europäischen Ländern gibt es klare Hinweise dafür, dass sich die "negative Korrelation zwischen der Berufstätigkeit von Frauen und den Geburtenraten ins Positive kehrt" und sich die "Bildungsgradiente der Paarbildung und Scheidung umkehrt". Mit anderen Worten, obwohl Scheidung und geringe Fruchtbarkeit bei höher gebildeten Frauen stärker verbreitet waren, scheinen diese Gruppen jetzt in stabileren Beziehungen zu leben und größere Familien zu bilden. In der Zwischenzeit haben beispielsweise in Dänemark weniger gebildete Frauen offensichtlich weniger Kinder, lassen sich häufiger scheiden und sind oft alleinerziehend. Als Erklärung hierfür schlägt Prof. Esping-Andersen ein neues theoretisches Modell vor: ein "Diffusionsprozess" in speziellen Gruppen innerhalb der Gesellschaft, wodurch langsame und allmähliche Veränderungen plötzlich beschleunigen, wenn eine "kritische Masse" erreicht ist. "Die Beteiligung dänischer Männer an der Hausarbeit veränderte sich zwischen den 1960er und 1980er Jahren kaum, jedoch entwickelte sich ab den 1990er Jahren eine fast gleichmäßige Hausarbeitsteilung", sagt er. "Höher gebildete Männer führten diese Veränderungen an", fährt er fort, da sie die ersten waren, die ein geschlechtergerechtes Modell für die Familie akzeptierten. Heutzutage haben Frauen mit Universitätsabschluss größere Familien. Zusammen mit besseren Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen und bezahlbarer Kinderbetreuung sind Prof. Esping-Andersen zufolge "Vertrauen und gemeinsame Erwartungen zentrale Faktoren". Arbeit mit den Besten Durch die Finanzhilfe des ERC ist Prof. Esping-Andersen in der Lage, diese Hypothese weiter zu verfolgen. Seit Beginn der Förderung im Juni 2011 befinden sich seine Forschungsarbeiten immer noch in der Anfangsphase. Dank der Finanzhilfe konnte er jedoch bereits ein Team zusammenstellen, um Daten aus den besten Ressourcen der Welt, wie z. B. der Panel Study of Income Dynamics (PSID) in den USA und der British Household Panel Survey (BHPS) im Vereinigten Königreich, zu analysieren. "Wir benötigen umfangreiche Daten, die die Menschen über einen langen Zeitraum begleiten", erklärt er: Daten bezüglich Scheidungsraten, Fruchtbarkeit usw. aus verschiedenen Ländern. Nachdem er schnelle Veränderungen in den skandinavischen Ländern, Frankreich und Spanien festgestellt hat, arbeitet er jetzt an Modellen, mit den sich gravierende Unterschiede bei den sozialen Entwicklungen erklären lassen. "Das war der erste Hinweis für mich, dass ich auf dem richtigen Weg war", sagt er. In einigen Ländern, wie beispielsweise Deutschland, sind Partnerschaften, die auf traditionellen Geschlechterrollen basieren – mit dem Mann als Alleinverdiener und der Frau als Hausfrau – immer noch am stabilsten, während sich in Ländern wie Dänemark und Schweden diese Paare am häufigsten scheiden lassen. Prof. Esping-Andersen sieht hierin Anhaltspunkte dafür, dass die negativen Tendenzen der vorangegangenen Jahrzehnte umgekehrt werden können, angefangen bei der höher gebildeten Bevölkerung und schließlich bis hin zum Rest der Gesellschaft. Es könnte sein, dass die niedrige Fruchtbarkeit und die hohen Scheidungsraten einfach nur eine instabile Übergangsphase zwischen traditioneller Familie und neuem Doppelkarrieremodell widerspiegeln und keinen permanenten Rückgang der familiären Stabilität darstellen. Sein vom ERC finanziertes Projekt läuft bis zum Mai 2016, sodass Prof. Esping-Andersen noch viel Zeit hat, um einige pessimistische Annahmen über die Entwicklung der Familie zu widerlegen. - Quelle: Professor Gøsta Esping-Andersen - Projektkoordinator: Universitat Pompeu Fabra, Barcelona, Spanien - Projekttitel: Stratified family dynamics: polarising trends in couple behaviour and parenting - Projektakronym: Family Polarisation - Website vo Professor Gøsta Esping-Andersen - RP7 Förderprogramm (ERC-Aufruf): Advanced Grant 2010 - Finanzierung durch die EK: 2,1 Mio. EUR - Projektdauer: fünf Jahre