Winzige Darmmikroben – große Wirkung
Selbst im Jugendalter sind ernährungsbedingte Krankheiten in Europa keine Seltenheit mehr, dazu zählen etwa Diabetes-, Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein möglicher Lösungsansatz ist die gezielte therapeutische Verbesserung der Darmflora. Experten mehrerer Fachbereiche arbeiteten im Rahmen von TORNADO mit der Lebensmittelindustrie zusammen, um einen aussagefähigen Vergleich zwischen gezielter Ernährungsintervention und herkömmlichen Ansätzen herzustellen. Forschungsgrundlage von TORNADO sind Daten ausgewählter europäischer Probanden in drei Altersgruppen, darunter sind auch eine Zwillings- und eine Geburtenkohorte. Für die drei Versuchsgruppen wurde eine umfangreiche Datenbank mit ausführlichen Daten zur Zusammensetzung der Darmflora und Metabolomanalysen aus dem Serum sowie klinischen Daten und Ernährungsanalysen erstellt. Weiterhin richtete TORNADO eine Datenbank mit menschlichen Gewebeproben zur Analyse von Cross-talk-Ereignissen in der Darmflora von Neugeborenen ein. Untersucht wurde auch, wie eine orale Toleranz oder systemische Immunschwäche gegen kommensale Bakterien und Nahrungsmittelbakterien entsteht, da dies Einfluss auf die immunologische Abwehrfähigkeit der Darmflora hat. Per Lasermikroskop wird derzeit menschliches Darmgewebe untersucht. Dies soll nähere Erkenntnisse über eine große Gruppe von Genen bringen, die offenbar an Immunität, Stoffwechselprozessen und zellulärem Schicksal beteiligt sind. Das probiotische Bakterium Lactobacillus steht weit oben auf der Forschungsagenda des TORNADO-Teams, da es die mikrobielle Zusammensetzung im Darm positiv beeinflusst und sich so zur langfristigen Behandlung allergischer Erkrankungen eignen könnte. Offenbar besteht ein Zusammenhang zwischen Darmflora und der Entstehung von Zöliakie, sodass nun in einer umfassenden Studie die mikrobielle Zusammensetzung bei Kindern mit Glutenunverträglichkeit untersucht wird. Weiterhin erfolgten ernährungswissenschaftliche Studien zum Einfluss fleischreicher, ballaststoffarmer Ernährung auf die Darmflora und zu Adipositasmarkern in einer Gruppe gesunder Erwachsener. Darmmikroben beeinflussen die Regulierung von Zielgenen und Signalwegen. Zur Erforschung dieses Phänomens wurden mehrere mikrobenfreie Mausmodelle generiert, denen wichtige Rezeptoren und Gene fehlten. Den Ergebnissen von TORNADO zufolge könnten gramnegative Bakterien Insulinresistenzen fördern. Unterschiedliche Milchbestandteile hatten bei Mäusen mit ernährungsbedingter Adipositas Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora, die Glukosetoleranz und das gesamte weiße Fettgewebe. Mit hoher Wahrscheinlichkeit könnte auch eine einzelne Bakterienart die periphere (T-Zell)-Immunantwort im Darm signifikant beeinflussen. TORNADO wird dazu beitragen, die Bevölkerungsgesundheit insgesamt zu verbessern. Eine Aufklärung über ernährungsbedingte Krankheiten kann bereits im Schulalter die damit verbundenen sozialen und finanziellen Kosten deutlich reduzieren. Das Projekt wird zudem die ernährungsphysiologischen Vorteile etwa von Probiotika wissenschaftlich fundieren. Insgesamt wirkt TORNADO an einer Plattform mit, die eine personalisierte Medizin für bestimmte Zielgruppen unterstützt, etwa bei Menschen im höheren Lebensalter.