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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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Aufmerksamkeitsdefizitstörung bei Kindern nach Behandlung auf Intensivstation: Verbindung zu Weichmachern aus Medizinprodukten aufgedeckt

EU-finanzierte Forscher haben aufgedeckt, dass Kinder, die häufig auf Intensivstationen hospitalisiert werden müssen, im späteren Alter eher ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) entwickeln.

Die im Rahmen des NUTRI-CARE-Projekts durchgeführte Studie kommt zu dem Schluss, dass der Grund dafür ein hoher Wert an als Weichmacher in Kunststoffen dienenden chemischen Stoffen, den sogenannten Phthalaten, ist, die im Blut zirkulieren. Die Projektforscher gehen davon aus, dass diese chemischen Stoffe, die zum Verweilen bestimmter Medizinprodukten (wie etwa Plastikschläuchen und Kathetern) hinzugefügt werden, in die Blutbahn des Kindes eindringen können. Die Gefahren der Phthalate Phthalate sind schon vor langer Zeit durch EU-Gesetzgebung aus der Herstellung von Kinderspielzeug verbannt worden, aber wie das Projektteam betont, gibt es derzeit kein derartiges Verbot für den Einsatz von Phthalaten in Medizinprodukten. Sie entdeckten einen deutlichen Zusammenhang zwischen neurokognitiven Testergebnissen von zuvor für lange Zeit hospitalisierten Kindern und deren individueller Exposition gegenüber dem Phthalat DEHP während ihres Aufenthalts auf der Intensivstation. Diethylhexylphthalat (Bis(2-ethylhexyl)phthalat), kurz DEHP, ist der am häufigsten in Medizinprodukten aus Polyvinylchlorid (PVC) eingesetzte Weichmacher für Kunststoffe. Projektforschungsleiter Sören Verstraete nannte die Anwendung von Medizinprodukten, die dieses Phthalat enthalten, „potenziell schädlich“ für die Entwicklung und die Funktion des Gehirns von intensivpflichtigen Kindern. Daher weist er darauf hin, dass es möglicherweise dringend erforderlich ist, die Entwicklung von alternativen Plastikweichmachern für den Einsatz in medizinischen Verweilprodukten zu prüfen. DEHP-Level bei intensivpflichtigen Kindern Die NUTRI-CARE-Studie bezog 100 gesunde Kinder und 449 Kinder ein, die in einer pädiatrischen Intensivstation (Pediatric Intensive Care Unit, PICU) behandelt wurden und vier Jahre später an neurokognitiven Tests teilnahmen. Die meisten Intensivpatienten erholten sich von einer Herzoperation, aber einige hatten auch Unfallverletzungen oder schwere Infektionen erlitten. Die Forschenden maßen die Blutwerte der DEHP-Metaboliten oder Nebenprodukte. Zunächst führten sie die Bluttests an den gesunden Kindern und an 228 Patienten während ihres Aufenthalts auf der Intensivstation durch. Die Patientinnen und Patienten wurden über medizinische Schläuche (1 bis 12 Stück) intensivmedizinisch versorgt. Es handelte sich um Neugeborene ebenso wie Jugendliche bis zu 16 Jahren. Die Forscher fanden in den Blutproben gesunder Kinder keine nachweisbaren DEHP-Metabolitenspiegel. Bei der Aufnahme auf der pädiatrischen Intensivstation wiesen die schwerstkranken Kinder, die bereits mit Kathetern versorgt waren, jedoch Werte auf, die das Projektteam als „unglaublich hoch“ bezeichnete. Laut Verstraete sanken die DEHP-Werte nach der Entlassung aus der pädiatrischen Intensivstation zwar schnell wieder, dennoch blieben sie im Vergleich zu denen von gesunden Kindern 18-mal höher. Im Folgenden führte das Forschungsteam statistische Analysen durch, anhand von denen die anfänglichen Risikofaktoren der Patienten, welche das neurokognitive Ergebnis beeinflussen könnten, bereinigt sowie die Dauer des Aufenthalts, Komplikationen und Behandlungen in der pädiatrischen Intensivstation berücksichtigt wurden. Eine hohe Belastung mit DEHP während des Aufenthalts auf der pädiatrischen Intensivstation wurde dem Team zufolge stark mit dem vier Jahre nach Entlassung bei neurokognitiven Tests vorgefundenden Aufmerksamkeitsdefizit in Verbindung gebracht. Man validierte diese Erkenntnis innerhalb einer weiteren Gruppe von 221 PICU-Patientinnen und Patienten. „Diese Phthalatbelastung erklärt zur Hälfte das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bei ehemaligen Intensivpatienten“, kommentierte Verstaete, wobei seiner Meinung nach weitere Faktoren die andere Hälfte erklären könnten. Das NUTRI-CARE-Projekt wird von der belgischen KU Leuven koordiniert und hat 2 500 000 EUR an EU-Finanzierung erhalten. Das Projektteam wird die Resultate dieser Studie am Freitag, dem 8. April 2016, auf der 98. Jahrestagung der Endocrine Society in Boston, USA, vorstellen. Das Projekt wird noch bis März 2018 laufen. Weitere Informationen finden Sie auf der: Projektseite auf CORDIS

Länder

Belgien

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