Virusreplikation auf atomarer Ebene
Trotz der medizinischen Bedeutung und umfangreichen Impfkampagnen ist das Masernvirus alles andere als ausgerottet. Wirksame antivirale Therapien gegen die Virusreplikation sind vor allem deshalb problematisch, weil virale Struktur und Assemblierung nicht im Detail geklärt sind. Das Masernvirus ist mit einem RNA-Genom umhüllt, das transkribiert wird, indem das virale Phosphoprotein P und das Nukleoprotein N (NTAIL) eng kooperieren. Wissenschaftler des EU-finanzierten Forschungsprojekts VIRAL_IDP erforschten nun die Struktur und den Mechanismus des Zusammenwirkens des für die Replikation zuständigen Proteinkomplexes. Immer mehr deutet darauf hin, dass die C-terminale Domän von NTAIL anfangs unstrukturiert ist und erst nach Bindung an das Phosphoprotein P eine Helixfaltung stattfindet, was zu einer grundlegenden Formänderung führt. Um diese Interaktion auf molekularer Ebene zu verstehen, mussten Proteinmodelle vor und nach der Bildung des Replikationskomplexes in atomarer Auflösung erstellt werden. Die hochflexiblen Proteine wurden dabei mit spektroskopischen Methoden dargestellt. Dies bestätigte frühere Beobachtungen, dass NTAIL aus mehreren Helixstrukturen besteht. Außerdem konnte die dynamische Zwischenumwandlung bei den verschiedenen Populationen im Detail geklärt werden. Auf dieser Basis konnte der Mechanismus enthüllt werden, mit dem NTAIL die virale Transkription und Replikation initiiert. Insgesamt lieferte die Forschungsarbeit von VIRAL_IDP damit neue Erkenntnisse zu grundlegenden biochemischen Mechanismen der Genomreplikation und Transkription beim Masernvirus. Die Methoden der biophysikalischen Charakterisierung, die in der Studie für das Masernvirus entwickelt worden waren, können auch an anderer Stelle Anwendung finden.