Selbstorganisation in komplexen Kolloiden
Kolloide sind Materialien in der festen, flüssigen oder gasförmigen Phase, deren Teilchen im gesamten Dispersionsmedium fein verteilt sind. Dazu zählen die üblichen Schäume und Aerosole. Komplexe Kolloide bilden eine wichtige Teildisziplin der Physik der weichen Materie und sind für den Einsatz in photonischen oder phononischen Bandlückenmaterialien, chemischen Sensoren und Datenspeicherbauelementen vorgesehen. Die Abstimmbarkeit der Wechselwirkungen innerhalb der Kolloide wird der Schlüssel zu ihrer Nutzung sein. Er wird die Tür zu neuartigen Ordnungs-, Strukturierung und Strömungsszenarien sein, die möglicherweise über gesteuerte Selbstorganisation realisiert werden. Hierbei ist jedoch ein tiefes Verständnis der gemeinsamen zugrundeliegenden Mechanismen der Selbstorganisation erforderlich, ohne das keine genaue Vorhersage und technische Beeinflussung der Strukturbildung möglich ist. Das gemeinschaftliche EU-finanzierte Projekt "Physics of complex colloids: Equilibrium and driven" (COMPLOIDS)(öffnet in neuem Fenster) wurde von zwölf europäischen Partnern ins Leben gerufen, um an genau dieses Wissen zu gelangen und es anzuwenden. Das Projekt war ein phänomenaler Erfolg und hatte Resultate vorzuweisen, welche die ursprünglichen wissenschaftlichen Ziele voll und ganz erfüllten oder sogar übertrafen und somit neue Forschungswege in der Physik der weichen Materie erschließen. Es wurde eine Fülle von Publikationen erarbeitet, von denen viele in den jeweils angesehensten Fachzeitschriften, so etwa in Nature, Science und den Proceedings of the National Academy of Sciences, erschienen. Während dieser Zeit unterstützte das Konsortium Schulungen zahlreicher Nachwuchsforscher und erfahrener Forscher und leistete somit einen Beitrag zu deren wissenschaftlicher und beruflicher Weiterentwicklung sowie zum Erreichen weiterführender akademischer Grade. Nun sind moderne Methoden in theoretischen, rechnerischen und experimentellen Aspekten der modernen Erforschung der Wissenschaft der weichen Materie Teil des Werkzeugkastens der Lernenden. Das Team organisierte außerdem eine höchst prestigeträchtige Enrico-Fermi-Sommerschule mit dem Titel "Physics of Complex Colloids" (Physik komplexer Kolloid), bei der neun Vollzeitdozenten und sechs Referenten aus aller Welt zu Wort kamen. Die Berichte sind veröffentlicht worden und werden zweifellos einen Referenzstandard, d. h. eine Hinterlassenschaft der Projektarbeit für zukünftige Generationen bilden. Der große Erfolg zog eine Einladung durch die italienische Physikalischen Gesellschaft nach sich, im Jahr 2015 eine weitere Sommerschule durchzuführen. Den COMPLOIDS-Wissenschaftlern gelang eine Reduzierung der Komplexität der komplexen Kolloide. Sie bereiteten durch tiefergehendes Verständnis der Mechanismen der Selbstorganisation den Weg zu deren Nutzung. Die Gemeinschaft der Physik der weichen Materie wird die nachhaltigen Auswirkungen des Projekts zu spüren bekommen. Das neu hinzugewonnene Wissen wird schon bald in faszinierenden neuen Geräten genutzt werden können.