Ehrgeizige Pläne für Islands überschüssige Energie
Forscher in Island beschäftigen sich mit innovativen Verfahren, mit deren Hilfe das Land die Fülle der erneuerbaren Energiequellen der Insel nutzen kann. Ein möglicher Plan ist die Direktausfuhr von Strom auf den europäischen Kontinent mittels des längsten Unterseekabels der Welt. Island hat nur 300.000 Einwohner, aber allein seine geothermischen und hydroelektrischen Ressourcen würden ausreichen, den jährlichen Strombedarf von 6 Millionen Menschen - mehr als die Gesamtbevölkerung Dänemarks - zu decken. Daher hat sich die Energieforschung des Landes, der zweitgrößte Forschungsbereich nach der Meeresforschung, stets vorrangig auf neue Arten der Nutzung dieser Ressourcen konzentriert. Bisher hat das Land überschüssige Energie für stromintensive Industrien (power intensive industries, PII), insbesondere die Aluminiumherstellung, eingesetzt. Die PII erwirtschaften Exporteinnahmen in Höhe von ungefähr 500 Millionen Euro pro Jahr für Island. Das entspricht etwa der Hälfte der Einnahmen seiner Hauptexportquellen, der Fischerei und Fischverarbeitung. Dank der geplanten, umfangreichen Neuinvestitionen in Aluminiumhütten dürfte der Betrag der genutzten Energie zwar steigen; dennoch bleibt ein gewaltiger potenzieller Überschuss zur weiteren Nutzung übrig. Ein äußerst ehrgeiziger Plan, der zur Debatte steht, ist die Erzeugung und Direktausfuhr von elektrischem Strom auf das europäische Festland mittels eines Unterseekabels. In Europa besteht ein hoher Bedarf an sauberen, erneuerbaren Energiequellen, da die im Protokoll von Kyoto festgelegten Zielvorgaben für den Schadstoffausstoß und weitere, auf dem Weltgipfel in Johannesburg genannte Ziele erfüllt werden sollen. In Island ist man teilweise gegen die Ausfuhr eines derartigen Rohstoffs und befürwortet stattdessen den Einsatz dieser Energie zur Herstellung von Exportgütern. Auch gibt es praktische Probleme: Man rechnet damit, dass bei der derzeitigen weltweiten Kapazität der Kabelhersteller 6 Jahre benötigt werden, um die erforderlichen 1170 Kilometer Kabel bis nach Schottland herzustellen. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz der Energie zur Herstellung sauberer Brennstoffe, die ihrerseits nach Europa und in die übrige Welt exportiert werden können. Ein solches Verfahren ist die Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse, und in Island ist man stark an der Erprobung der Möglichkeiten der Wasserstofftechnologie im Hinblick auf die Schaffung eines funktionsfähigen Massenmarktes interessiert. In Island werden Forschungsprojekte, zum Teil in Zusammenarbeit mit von der EU geförderten Initiativen, durchgeführt, und die überwiegende Mehrheit der Isländer betrachtet Wasserstoff als den Treibstoff der Zukunft. Bis zur Verwirklichung eines weltweiten Wasserstoffmarktes dürften jedoch noch Jahrzehnte vergehen, und außerdem gibt es weitere praktische Probleme wie beispielsweise die Lagerung, die noch gelöst werden müssen. Island bemüht sich jedoch weiterhin mit allen Kräften um eine Steigerung der Produktion sauberer, erneuerbarer Energien, wobei PII die praktischsten kurzfristigen Nutzungsmöglichkeiten hierfür bieten. Die isländische Energie- und Handelsministerin Valgerdur Sverrisdóttir erklärte am 14. Oktober auf dem Energietag in Brüssel, dass "Island mit seinem Überfluss an erneuerbaren Energiequellen und entsprechenden Erfahrungen auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle im Hinblick auf die Umsetzung der beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg zur Sprache gekommenen Ziele spielen" werde.