Referatsleiter: RP5 war Lernprozess für Beitrittsländer
Das Fünfte Rahmenprogramm (RP5) war ein Lernprozess, der zu einer verstärkten Teilnahme der Beitrittsländer am Sechsten Rahmenprogramm führen wird, sagte Louis Bellemin, Referatsleiter für politische Fragen der internationalen wissenschaftlichen Kooperation der GD Forschung der Kommission, in einem Interview mit CORDIS-Nachrichten. Die Teilnahme am Fünften Rahmenprogramm (RP5) war niedriger, als von der Kommission erwartet, und auch niedriger, als die Beitrittsländer selbst es gewünscht hätten. Mit dem Start des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) gewöhnen sich die Beitrittsländer auch an ihren Status als vollwertige Teilnehmer am Rahmenprogramm. Sind sie jedoch in der Lage, mit den gegenwärtigen EU-Mitgliedstaaten auf gleichberechtigter Basis zusammenzuarbeiten und zu konkurrieren? Bellemin analysierte die bevorstehenden Herausforderungen für die Beitrittsländer und erläuterte, wie die Kommission die Teilnahme dieser Länder am RP6 fördern und unterstützen möchte. Auf die Frage hin, wie weit die Beitrittsländer gekommen seien, betonte Bellemin, dass die 13 Beitrittsländer der EU nicht in einen Topf geworfen werden könnten. "Estlands Situation hat rein gar nichts mit der der Türkei zu tun und die Lage Zyperns unterscheidet sich völlig von der Bulgariens. Man kann die Beitrittsländer nicht wirklich als homogene Gruppe analysieren", führte Bellemin aus. Manche Beitrittsländer seien in wissenschaftlicher Hinsicht einigen Mitgliedstaaten völlig ebenbürtig, so Bellemin. Einige dieser Länder, besonders Estland, Ungarn, Slowenien und Zypern, hätten bereits bessere Kapazitäten und Traditionen für eine Zusammenarbeit mit ausländischen Forschern, was ihre Teilnahme an den Rahmenprogrammen einfacher mache. "Es gibt andere Länder, die sich aus unterschiedlichen Gründen in einer weitaus schwierigeren Situation befinden. Entweder ist das wissenschaftliche Potenzial dieser Länder nicht so ausgereift oder sie waren während eines bestimmten Zeitraums weitaus isolierter von der internationalen Gemeinschaft. Für sie war eine Teilnahme wirklich sehr schwierig." Die durchschnittlichen Forschungsausgaben aller Beitrittsländer liegen bei rund 0,6 Prozent des BIP, also weniger als die Hälfte des EU-Durchschnitts, "was eine Vorstellung von den Unterschieden im Volumen zwischen diesen Ländern und uns gibt", erläuterte Bellemin. Die Beitrittsländer seien ebenfalls aufgrund des Braindrains (Abwanderung von Wissenschaftlern) benachteiligt sowie aufgrund der Tatsache, dass ihre hoch qualifizierten Forschungsteams oft klein seien, während ihre Forschungsausrüstung und -infrastruktur sich manchmal nicht auf gleichem Niveau mit denen der Gemeinschaft befinde. "Ihre Größe ist häufig nicht ausreichend, um mit denen der Mitgliedstaaten konkurrieren zu können", sagte Bellemin. Der "Lernprozess" des RP5 jedoch, in dem alle Beitrittsländer mit Ausnahme der Türkei an das Rahmenprogramm angegliedert waren, wirke sich positiv für diese Länder in Bezug auf das RP6 aus. "Unsere Vorgehensweise, unsere Methoden der Intervention und des Forschungsmanagements waren häufig völlig unterschiedlich und die Beitrittsländer waren nicht sehr gut mit ihnen vertraut. Aber das ist Vergangenheit", unterstrich der Referatsleiter. Die Beitrittsländer haben nun ein besseres Verständnis der Methoden und Umsetzungsinstrumente des EU-Rahmenprogramms, sie sind besser organisiert und haben weitaus mehr Kontakte mit Forschern in den Mitgliedstaaten. Es gibt laut Bellemin ebenfalls Aspekte des RP6, die vorteilhaft für die Beitrittsländer seien. Dazu gehören Maßnahmen, die für eine Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sorgen, da zahlreiche Beitrittsländer viele KMU haben. Exzellenznetze ermöglichen ebenfalls die Neuformierung ausgezeichneter Forschungsteams der Beitrittsländer mit Teams der EU. Das RP6 enthält ebenfalls Bestimmungen zur Förderung der Mobilität. Forscher aus den Beitrittsländern können sich in der EU weiterbilden und dann in ihr Heimatland zurückkehren und so das Humanpotenzial ihrer Region stärken. Junge und erfahrene Forscher aus der Gemeinschaft werden ebenfalls eine Zeit lang in Laboratorien der Beitrittsländer verbringen. "Das fördert nicht nur das Humanpotenzial in den Beitrittsländern, sondern stärkt auch die Bindungen mit unserer Wissenschaftsgemeinschaft", so Bellemin. "Das ist jedoch noch nicht ausreichend, daher verfügen wir über spezifische Maßnahmen", sagte Bellemin. "Alle Beitrittsländer einschließlich der Türkei sind nun assoziiert [...]. Sie werden daher wie die Mitgliedstaaten behandelt und sind auch fast wie Mitgliedstaaten [...]. Das "fast" ist jedoch sehr wichtig. Sie haben die gleichen Rechte [einzig in den Programmausschüssen haben die Beitrittsländer kein Stimmrecht] und Verpflichtungen wie die Mitgliedstaaten. Sie sind jedoch keine Mitgliedstaaten und sie sind nicht auf gleicher Ebene wie unsere Mitgliedstaaten", führte er aus. "In einem Wettbewerb siegen die Besten. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob sie Deutsche, Engländer, Italiener, Spanier oder Franzosen sind [...]. Sind sie den Deutschen, Engländern und Franzosen nicht ebenbürtig, sind sie in gewisser Weise benachteiligt." Dies ist der Hintergrund der spezifischen Maßnahmen zur Anregung und Verbesserung der Teilnahme der Beitrittsländer am RP6. Die Kommission möchte daher für die rechtzeitige Verbreitung von korrekten Informationen zum RP6 sorgen und sie unterstützt die Weiterbildung im Bereich Forschungsmanagement. Bellemin unterstrich ebenfalls die Bedeutung eines "guten" Systems nationaler Kontaktstellen und schlug CORDIS als ein Instrument zur Verbreitung von Informationen über und für die Beitrittsländer vor. Schlussendlich würden Kontaktbörsen gewährleisten, dass Forscher aus beiden Regionen sich gegenseitig kennen lernen und wissenschaftliche und technologische Kooperationen entwickeln. Bellemin lag die Tatsache am Herzen, dass einzelne Länder ebenfalls Maßnahmen umsetzen müssten, um ihre Chancen für einen Wettbewerb mit den Mitgliedstaaten zu verbessern. Er führte eine erfolgreiche Initiative der rumänischen Regierung an, die zahlreiche kleine, jedoch ausgezeichnete Forschungsteams im Bereich Nanotechnologie zusammengestellt und so CEBITE gegründet habe, "ein mehr oder weniger einzigartiges Zentrum", das seitdem Verbindungen mit Organisationen in Deutschland und Frankreich geknüpft habe. Offensichtlich sind die Beitrittsländer sehr daran interessiert, neue Verbindungen mit Forschern in den Mitgliedstaaten einzugehen, da dies ihre Fahrkarte zur Teilnahme am RP6 ist. Wie steht es jedoch mit den gegenwärtigen Mitgliedstaaten? Teilen sie diese Begeisterung? Bellemin ist "hundertprozentig davon überzeugt, dass sie eine Zusammenarbeit mit den Beitrittsländern entwickeln möchten und es auch versuchen", da hier ein "gemeinsames Interesse" bestehe. "Das Ergänzen eines Projekts durch ein Team aus einem Beitrittsland, genauso wie man beispielsweise ein spanisches Team benennt, bedeutet eine Anerkennung dessen, was dieses Team zu dem Projekt beiträgt, nämlich den Mehrwert", teilte Bellemin CORDIS-Nachrichten mit.