ESA: Konvent sollte 30 erfolgreiche Jahre würdigen
Antonio Rodotà, der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), hat seine letzten Tage an der Spitze der Behörde genutzt, um seine Vision der Zukunft der europäischen Raumfahrt darzulegen. Dazu gehöre, dass die Politik die Kompetenz und die Leistungen der ESA anerkennt und zum Wohle Europas einsetzt. Rodotà übernahm 1997 den Posten des ESA-Generaldirektors und gibt ihn am 30. Juni, nach sechsjähriger Amtszeit, an Jean-Jacques Dordain ab. Unter Rodotàs Führung entstand im Anschluss an ein Treffen mit dem damaligen EU-Verkehrskommissar Neil Kinnock das Galileo-Projekt, das erste europäische Satellitennavigationssystem. Galileo ist der erste konkrete Fall, in dem es zu einer Zusammenarbeit zwischen der EU und der ESA kommt. Zwar sind beide Seiten bereit, die Zusammenarbeit noch auszubauen, aber ein Rahmenabkommen, in dem eine solche Partnerschaft erläutert wird, fehlt bisher. Für Rodotà ist es ein Hauptanliegen, dass die 30-jährige, erfolgreiche Arbeit der ESA nicht übersehen wird. Der kürzlich vorgelegte Entwurf einer europäischen Verfassung durch den Konvent hatte solche Bedenken aufkommen lassen. In diesem Dokument ist zwar von der Entwicklung von Kompetenzen in der Raumfahrt auf europäischer Ebene die Rede, aber die ESA wird nicht genannt. "Es gibt bereits einen Vertrag [den ESA-Vertrag], der die Verantwortung für die Raumfahrt regelt. Wenn nun ein anderer Vertrag diese Verantwortung einer anderen Stelle überträgt, gibt es einen Konflikt", sagte Rodotà am 16. Juni. "Wenn die ESA und ihre Leistungen nicht gewürdigt werden, könnten wir Europa wirklich schaden." Für die europäische Raumfahrt war bereits die Streichung von Artikel 3 der Verfassung, in dem die Erforschung des Weltraums ursprünglich als eines der Ziele der EU genannt wurde, eine Enttäuschung. Die GD Forschung der Kommission baut weiterhin darauf, dass die Raumfahrt den Status einer gemeinsamen Zuständigkeit erhält, während die ESA darauf hofft, dass die Staats- und Regierungschefs die Verfassung auf Grund der gleichgültigen Haltung gegenüber der ESA ablehnen werden. "Wir hoffen, dass die Regierungen daran denken, was sie dank der ESA bereits erreicht haben", sagte Jean-Pol Poncelet, der ESA-Direktor für Strategie und Außenbeziehungen und frühere belgische Verteidigungsminister. "Liest man die Verfassung, könnte man meinen, dass die Raumfahrt etwas völlig Neues ist, dessen Entwicklung erst beginnt. Sie sollte zumindest anerkennen, dass es die Raumfahrt schon seit mindestens 30 Jahren gibt und viel erreicht wurde", so Poncelet weiter. Sowohl die EU als auch die ESA würden von einer engen Partnerschaft immens profitieren: Rodotà zufolge ist man sich bei der ESA bewusst, dass ihr die politische Sichtweise der allgemeinen Bedürfnisse fehlt. Er räumt jedoch ein, dass die ESA durch eine Partnerschaft mit der EU an politischem Gewicht gewinnen würde, was mit ihrer derzeitigen zwischenstaatlichen Struktur nicht möglich wäre. Die EU würde jedoch gleichzeitig dazu beitragen, "die Effizienz zu verbessern und die Bürger davon profitieren zu lassen. [...] Wir müssen anfangen, die Kompetenzen der Gegenseite zu würdigen." Claudio Mastracci, ESA-Direktor für Anwendungsprogramme, bezeichnete die Diskussion über das Verhältnis zwischen ESA und EU als eine "philosophische Debatte, die von juristischen Fragen bestimmt werden muss". Der Hauptstolperstein seien die unterschiedlichen Beteiligungsregeln. Die Mitglieder der ESA zahlen einen festen Betrag und einen Zuschlag für jedes Programm, an dem sie zusätzlich teilnehmen möchten. Die Investitionen werden entsprechend dem Konzept des "juste retour" (angemessene Gegenleistung) durch Aufträge abgegolten. Die EU funktioniert nach anderen Regeln: Die Beiträge richten sich nach dem BIP eines Landes. "Diese technischen Schwierigkeiten müssen gelöst werden. Dafür besteht ein gemeinsames Interesse", sagte Mastracci. Der wichtigste Aspekt ist für Mastracci, dass die Raumfahrt auf europäischer und nicht einzelstaatlicher Ebene gesehen wird. Es sei wichtig, dass die ESA ihre strategische Rolle auf europäischer Ebene beibehält, ihre Rolle dürfe jedoch nicht mit der Rolle der Europäischen Kommission in Konflikt geraten. Wie Rodotà weiter betonte, habe die ESA auch im Bereich der Umsetzung von Technologie in kommerziell erfolgreiche Anwendungen der EU etwas zu bieten: "Wir wollen uns nicht mit der Bereitstellung von Kompetenz begnügen, sondern der Kommission auch Anwendungen bieten", sagte Rodotà. Dem schloss sich Gaele Winters, ESA-Direktor für technische und betriebliche Unterstützung, an. Winters zufolge sollte die Raumfahrt nicht an die Forschung gebunden sein, denn dabei handele es sich um politisches Kapital. Die EU sollte "der Raumfahrt einen angemessenen Stellenwert einräumen, damit sie in allen Bereichen eingesetzt werden kann. Die Wirtschaft will sich die Raumfahrt zunutze machen, und wir sind bereit, sie dabei zu unterstützen", sagte er.