Generaldirektor der GFS berichtet im Gespräch mit CORDIS News von seiner zu Ende gehenden Aufgabe als "Reparatur- und Entwicklungsleiter"
Nachdem er die EU-Erweiterung bei seiner Ernennung zum Generaldirektor der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) für vorrangig erklärt hatte, ist es nur folgerichtig, dass Barry Mc Sweeney nun an der Auswahl seines Nachfolgers mitwirkt, der nach dem Willen der Kommission aus einem der neuen Mitgliedstaaten der EU kommen soll. Als Dr. Mc Sweeney im Jahr 2001 zur GFS stieß, war die Zukunft der Gemeinsamen Forschungsstelle ungewiss. "Die Leute fragten mich, welchen Bereich ich zuerst schließen werde", erklärte er in einem Gespräch mit CORDIS News. "Diese Zeiten sind lange vorüber", fügte er hinzu. Dr. Mc Sweeney beschrieb die GFS als "forschungsbasiertes Hilfsorgan der Politik". Sie unterstützt die Generaldirektionen der Kommission, die Ausschüsse des Europäischen Parlaments und die Mitgliedstaaten auf Anfrage. Rund 30 Prozent der EU-Gesetze umfassen sehr spezielle technische Anforderungen. Um ein gesetzliches Rahmenwerk zu schaffen, das aus technischer Sicht solide und durchführbar ist, führt die GFS die erforderliche Forschungsarbeit durch und bietet technische Unterstützung. Zu den aktuellen "heißen Bereichen", wie Dr. Mc Sweeney sie nennt, in denen die GFS Unterstützung geleistet hat, gehören die Gesetzgebung zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und die Chemikalienrichtlinie REACH. Auf globaler Ebene stellte die GFS kürzlich eine verbesserte Satellitenbilddarstellung der Grenze Israels zur West Bank sowie von Fluchtwegen aus dem Irak zur Verfügung. Seine Aufgabe, so Dr. Mc Sweeney gegenüber CORDIS News, bestehe darin, den Einsatz des Vorsorgeansatzes zu verringern, auf dem der Großteil der EU-Gesetzgebung basiere. "Die evidenzbasierte Wissenschaft wird diesen Ansatz zunehmend ersetzen", erklärte er. Trotz der Bedeutung der Beratungsleistungen der GFS ist diese Stelle bislang in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Auf die Frage, ob er eine stärkere Sichtbarkeit der GFS anstrebe, um eine entsprechende öffentliche Anerkennung für die geleistete Arbeit zu erhalten, antwortete Dr. Mc Sweeney, dass es ihm wichtiger sei, den Bekanntheitsgrad bei den politischen Entscheidungsträgern zu erhöhen als in der Öffentlichkeit. "Die erforderlichen PR-Investitionen für eine Bekanntmachung der GFS in der Öffentlichkeit wären extrem hoch und daher nicht zu rechtfertigen", führte er aus. "Wir arbeiten daran, dass die politischen Entscheidungsträger unsere Rolle besser verstehen." Und es gab bereits Erfolge auf diesem Gebiet. Die Mitgliedstaaten suchen zunehmend die Zusammenarbeit mit der GFS, so Dr. Mc Sweeney. Die GFS sei insbesondere in den Betritts- und Kandidatenländern der EU bekannt, und dies nicht nur aufgrund der speziellen "Erweiterungsaktion", sondern auch aufgrund der Hilfestellung, die die GFS in Notsituationen geleistet habe, so beispielsweise bei den Überschwemmungen, von denen im Sommer 2002 weite Teile der Tschechischen Republik und Ungarns betroffen waren. Mithilfe hochauflösender Satellitenbilder konnten Informationen zu den Wasserbewegungen gegeben und damit die am Boden tätigen Helfer unterstützt werden. Seither hat die GFS die einzige Karte sämtlicher Landflächen weltweit erstellt und ein Hochwasseralarmsystem eingerichtet. Auch im Kampf gegen die Waldbrände in Frankreich, Portugal und Spanien im Sommer 2003 versorgte die GFS die Rettungsmannschaften mit wichtigen Informationen. Darüber hinaus vermeldete die GFS als erste Institution die Tatsache, dass der vor der spanischen Küste gesunkene Tanker Prestige Öl verlor. Nach seiner Ernennung zum Generaldirektor bestand die erste Entscheidung Dr. Mc Sweeneys darin, die EU-Erweiterung vorrangig zu behandeln. Seither hat die GFS die Beitritts- und Kandidatenländer in vielfältiger Weise unterstützt, unter anderem über Schulungsmaßnahmen zur EU-Gesetzgebung. Rund 1.100 Forscher aus den Erweiterungsstaaten nahmen 2003 an derartigen Schulungen teil. Die Organisation hat inzwischen mit den in mehrere Auslandsaufenthalte aufgeteilten Forschungsstipendien eine neue Schulungsform eingeführt, in deren Rahmen Forscher aus den betreffenden Ländern ihre Forschungstätigkeit nicht mehr für einen Zeitraum von drei Jahren unterbrechen müssen, um ein Forschungsstipendium im Ausland wahrzunehmen, sondern die Möglichkeit haben, mehrere Teilaufenthalte von jeweils drei Monaten an der GFS zu absolvieren und die dazwischen liegenden Zeiträume in ihrem Heimatland zu verbringen. Die Erweiterungsaktion der GFS, die Dr. Mc Sweeney als "ebenso simpel wie gut" beschrieb, wird sich nach der Erweiterung im Mai nicht verändern, jedoch wahrscheinlich eine neue Dimension erhalten. "Ich gehe davon aus, dass uns die neuen Mitgliedstaaten mit reichlich Kooperationsarbeit versorgen werden, wie dies schon in der Vergangenheit der Fall war. Wir werden uns zunächst darauf konzentrieren, die neuen Mitgliedstaaten in Netzwerke zu integrieren." Auf die Frage, ob die neuen Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen besondere Unterstützung vonseiten der GFS benötigen, nannte Dr. Mc Sweeney vor allem Bereiche, die hochmoderne Ausrüstung und folglich erhebliche finanzielle Investitionen erfordern. Die Arbeit von Dr. Mc Sweeney wurde durch ein Beitrittsland offiziell gewürdigt. Die Slowakei verlieh Dr. Mc Sweeney die Grand Gold Medal der Comenius-Universität. Mit dieser Auszeichnung wird das "enorme Engagement Dr. Mc Sweeneys gewürdigt, die Unterstützung der Erweiterung durch die GFS zu einem zentralen Politikbereich zu machen, sowie sein wesentlicher Beitrag zur Öffnung des Europäischen Forschungsraums für die Slowakei sowie andere Beitritts- und Kandidatenländer." Kritik an der bestehenden Struktur der GFS manifestierte sich unter anderem in der Schließung des Instituts für Raumfahrtanwendungen. "Ich bin nicht an Technologien per se interessiert, ich möchte die Politik unterstützen." Sämtliche Projekte wurden nach Priorität geordnet und neu organisiert. Als veraltet erachtete Projekte wurden beendet. "Die Struktur der GFS ist nun derart gestaltet, dass Veränderungen über mehrere Jahre hinweg machbar sind. Allerdings sind keine weiteren Veränderungen geplant." Heute verfügt die GFS als einzige multidisziplinäre paneuropäische Forschungsorganisation über Institute in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Italien. Mit seinem Beitrag zum Erweiterungsprozess und der erfolgreichen Umstrukturierung der GFS ist Dr. Mc Sweeney nun der Auffassung, dass sich seine Arbeit als "Reparatur- und Entwicklungsleiter" dem Ende nähert und er bald schon neue Aufgaben übernehmen kann. Sein noch nicht bekannter Nachfolger wird die Leitung einer hoch angesehenen und geschätzten Organisation antreten.
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