Grid-Projekte des RP6 zielen auf Rentabilität der europäischen Forschungsinvestitionen
Obwohl die Technologie noch in den Anfängen ihrer Entwicklung steckt, wurden leistungsstarke dezentralisierte Computernetzwerke - bekannt als Grids - bereits zu einem strategischen Ziel innerhalb des EU-Programms 'Technologien für Informationsgesellschaften (TIG) erklärt. In das erste EU-finanzierte Grid-Forschungsprojekt wurden im Jahr 2000 58 Millionen Euro innerhalb des Fünften Rahmenprogramms investiert. Dieses Projekt richtete sich auf Entwicklungen an der zu Grunde liegenden Technologie und die Einführung von Pilotprojekten. Zu den wichtigsten Ergebnissen dieser Investition gehörten die Entwicklung einer starken Grid-Forschungsgemeinschaft in Europa, der Beitrag Europas zu den globalen Standardisierungsanstrengungen sowie die Validierung des Grid-Konzeptes bei einer Vielzahl von Pilotanwendungen. Bisher beschränkt sich die Entwicklung von ausgereiften Grid-Technologien zur Nutzung in Industrie und Handel aber nur auf einige wenige erste Schritte. Thierry Priol von INRIA (dem französischen Forschungsinstitut für Informatik und Automatisierungswissenschaft) und ECRIM (das europäische Forschungskonsortium für Informatik und Mathematik) meint hierzu: "Die Tätigkeit der europäischen Grid-Forschungsgemeinschaft widerspiegelt nicht die Höhe der europäischen Investitionen in Grid-Technologien. Unsere Maßnahmen sind weit verstreut und es mangelt an Koordination und Einheitlichkeit." Angesichts der strategischen Bedeutung, die Grids den politischen Entscheidungsträgern in Europa zufolge haben, soll das EU-Forschungsbudget für diese Technologie beim Übergang zum RP6 um das Zweifache auf 120 Millionen Euro erhöht werden. Auf einer Veranstaltung, bei der am 15. September in Brüssel die ersten 12 Grid-Projekte des RP6 eingeführt wurden, sagte Wolfgang Boch, Leiter der kürzlich eingerichteten Abteilung für Grid-Technologien innerhalb des GD Forschung: "Unser Auftrag [im Rahmen von RP6] ist es, Grids aus den Forschungslabors heraus zur wirtschaftlichen Anwendung zu führen und die Grundlage für die nächste Generation von Grids zu schaffen." Die Investitionen für die 12 neu eingeführten Projekten betragen insgesamt 52 Millionen Euro. Die Mehrheit der Ressourcen wird für vier umfassende Initiativen ausgegeben, die auf den neuen RP6-Instrumenten basieren. Diese werden ergänzt durch sieben zielorientierte Forschungsprojekte und eine spezielle Unterstützungsmaßnahme. Die größte Initiative, die im Rahmen des ersten Aufrufs zur Einreichung von Vorschlägen eingerichtet wurde, ist NextGRID. Hierbei handelt es sich um ein Integriertes Projekt, das sich auf die Entwicklung von architektonischen Komponenten richtet, welche die Grundlage für die nächste Generation von kommerziellen Grids bilden werden. David Snelling von Fujitsu Laboratories Europe, einem der Projektteilnehmer, erzählte CORDIS News, dass das Konsortium von 21 Partnern zunächst die wichtigsten Elemente des Grids der Zukunft definieren muss, bevor die Grid-Architektur der nächsten Generation gestaltet werden kann. "Wir haben das Thema Sicherheit als eine wichtige Voraussetzung für die Kommerzialisierung identifiziert. Nachhaltigkeit in Form eines selbstfinanzierenden und anpassungsfähigen Grids ist ein weiterer bedeutender Aspekt, der aber schwieriger zu messen ist [.]. Schließlich müssen wir die nächste Generation von Grids persönlicher gestalten und benötigen hierfür die Bereitstellung einer individuellen Privatsphäre", erläuterte Dr. Snelling. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen nimmt das Team die Gestaltung und den Aufbau der architektonischen Komponenten in Angriff, bevor diese in einer geschäftlichen Umgebung durch die industriellen Partner des Konsortiums genutzt und getestet werden. Der Projektkoordinator Mark Parsons von der Universität von Edinburgh erklärte, dass die zur Zeit modernsten Grids den Ausgangspunkt für das Team bilden werden: "Wir müssen das Rad nicht neu erfinden - wir nehmen die beste derzeitige Technologie als Grundlage und bauen darauf auf. Dabei berücksichtigen wir wirtschaftliche und kommerzielle Bedürfnisse. Wir werden nicht eine bestimmte Technologie gegenüber einer anderen bevorzugen und werden offene Normen anwenden." Dr. Parsons sagte, dass zu den Anwendungen, die für eine Nutzung in geschäftlichen Umgebungen entwickelt werden, ein System für die Finanzbranche zur Berechnung von Risiken beim Management von großen Investitionsportfolios sowie ein gridbasiertes Datengewinnungssystem für die Verwaltung von rechtlichen Dokumenten innerhalb von Anwaltskanzleien gehören. "NextGRID bietet Dokumente für die Erstellung einer bewährten Architektur, Komponenten des Grids der nächsten Generation, die in verschiedenen geschäftlichen Szenarien getestet wurden sowie Vorschläge zur Standardisierung und hoffentlich auch zur Führung in Europa. Meines Wissens gibt es weltweit kein anderes Projekt, das sich hauptsächlich mit Grid-Architektur befasst", schloss Dr. Parsons. Auf die Frage, wie seiner Meinung nach die Chancen für Europa stehen, die Führung auf dem kommerziellen Grid-Markt zu übernehmen, antwortete Dr. Snelling: "Die derzeitige Position Europas ist sehr gut. Das einzige Risiko, was mir Sorgen bereitet, ist die Tatenlosigkeit, da wir in der Vergangenheit nicht viele positive Erfahrungen damit sammeln konnten, uns einfach hineinzustürzen und neue Technologien auszuprobieren. Ich würde eine größere Risikobereitschaft der Branche und eine schnelle Nutzung speziell entwickelter Grids sehr begrüßen." Nachdem er seine Bedenken über die Fragmentierung und mangelnde Koordination in der europäischen Grid-Forschungsgemeinschaft zum Ausdruck gebracht hatte, hat Thierry Priol von INRIA nunmehr Gelegenheit, dies als Koordinator des Netzes führender Forschungsgruppen CoreGRID zu ändern. Ziel des Projekts ist letztendlich die Erschaffung eines virtuellen europäischen Labors für die Grid-Forschung mit Schwerpunkt auf der Erstellung von Grid-'Middleware und Peer-to-Peer-Technologien. "In erster Linie geht es uns um herausragende Leistungen. Diese werden wir durch die Zusammenführung einer genügend großen Anzahl an Grid-Forschern erreichen, die es uns ermöglicht, es mit Japan und den USA aufzunehmen. Wir möchten die Zusammenarbeit zwischen den Forschern verstärken, indem wir ein spezielles Mobilitätsprogramm in das Netz aufnehmen und durch die Kooperation mit Wirtschaft und Industrie den Nutzen ihrer Arbeit erhöhen", sagt Dr. Priol. Das Netzwerk umfasst 42 Partnerorganisationen in 18 Ländern mit insgesamt 118 Forschern und 163 Doktoranden. Dr. Priol hofft, dass es als 'Grid-Leuchtturm weithin sichtbar ist und dem Rest der Welt ein Zeichen setzt. Die Kommission geht davon aus, dass dieses großangelegte Netz bis zu 60 Prozent der gesamten europäischen Gridforschungskapazität abdeckt. Um es mit den Worten des Kommissars für Unternehmen und Informationsgesellschaft Olli Rehn zu sagen: "Diese Projekte werden Europa weiter vorantreiben, die beträchtlichen Investitionen, die hier in die Grid-Forschung getätigt wurden, in greifbaren wirtschaftlichen Nutzen umzuwandeln. Die breitere Nutzung der Grid-Tools ist der Schlüssel zur Mobilisierung von Europas wissenschaftlichem und technischem Kapital, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und noch bessere Produkte anzubieten." Da der Großteil der Grid-Projekte innerhalb des 6. Rahmenprogramms sich darauf konzentrieren, Grids aus dem Labor in die Wirtschaft zu bringen, beginnt die Kommission nun mit der Suche nach einer wirtschaftlichen Nutzung ihrer Investitionen in die Gridforschung.