Genetische Signatur von Gliazellen endlich enthüllt
Gliazellen, die bislang nur als „Kleber“ im Nervensystems galten, haben offenbar eine entscheidende Funktion für das Wachstum und die Funktion des Gehirns. Neueren Forschungsergebnissen zufolge können sie auch eine Reihe neurologischer Erkrankungen wie Schizophrenie und Autismus und sogar Schmerzen auslösen. Da Gliazellpopulationen ausgesprochen heterogen sind, müssen sie aufgrund ihrer Physiologie und genauen Rolle im Nervensystem gut unterschieden werden. Eine bestimmte Art von Gliazellen, sogenannte Astrocyten, bilden sich etwa bei Verletzungen des Nervensystems und bewirken dadurch das Absterben von Neuronen. Trotz ihrer Bedeutung für die Physiologie und Funktion des Nervensystems ist aber noch zu wenig über die Art und Weise bekannt, wo und in welcher Form Gliazellen ihre kritische Unterstützungsfunktion erfüllen. Forscher des EU-finanzierten Projekts „Glial Patterning“ führten nun detaillierte morphologische, genetische und transkriptomische Analysen zur Differenzierung einer speziellen Art von Gliazellen (MG-Zellen) durch. Genanalysen und Aktivierung in Entwicklungskaskaden „Wir untersuchten die morphologische Entwicklung von MG-Zellen in der Netzhaut des Zebrafischs, da dies genaueren Aufschluss über die einzelnen Phasen der postmitotischen Differenzierung von Gliazellen im Allgemeinen geben kann“, erklärt Projektkoordinator Prof. William Harris. Zudem konnte auf dieser Basis ein experimentelles Paradigma für die Analyse von Signalwegen erstellt werden, die an der Morphogenese der komplexen Zellen beteiligt sind. Forschungsleiter von „Glial Patterning“ war Postdoktorand Dr. Mark Charlton-Perkins. Gearbeitet wurde u. a. mit Techniken wie CRISPR (clustered regularly interspaced short palindromic repeats), um Gene in betreffenden Signalwegen spezifisch zu verändern und deren Funktionen gegebenenfalls mit dem entsprechenden Phänotypen abzugleichen. Die Forscher identifizierten zudem evolutionär konservierte Kandidatengene im Zellkern. Um die einzelnen Phänotypen zuzuordnen und mit entsprechenden Genen zu korrelieren, kam eine Fluoreszenz aktivierte Zellsortierung (FACS) zum Einsatz. Wie Dr. Charlton-Perkins anmerkt, „haben wir dabei eine gute Methode gefunden, um MG-Zellen mittels FACS nach mehreren Phasen zu sortieren.“ Nächste Schritte für Forschungen an MG-Zellen „Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in jeder Hinsicht sehr vielversprechend“, sagt Prof. Harris. So konnten die Forscher Gene identifizieren, die in jedem Entwicklungsstadium exprimiert werden. Auch enthüllten sie eine Reihe interessanter Phänotypen, die jeweils damit korrelieren. „Die Ergebnisse werden wir demnächst veröffentlichen.“ Künftig werden die Forschungen an MG-Zellen deutlich umfangreicher. Und Prof. Harris betont, „dass jedes der gefundenen Gene noch viel gründlicher untersucht werden muss. Vor allem wird es dabei um Fragen zu Autonomie und Wirkmechanismen gehen.“ Die Forschungsergebnisse von „Glial Patterning“ sollen die Grundlage für künftige Forschungen zur Funktion von MG-Zellen bilden, um pathologische und physiologische Phänotypen zu vergleichen. Eine detaillierte molekulare Analyse aller genetischen und transkriptomischen Prozesse bei der Entwicklung von MG-Zellen wird dazu beitragen, Zielmoleküle für neue Therapien zu finden.
Schlüsselbegriffe
Glial Patterning, Gliazellen, MG-Zellen, Gen, Retina, CRISPR