MdEP verabschieden Entschließung zu F&E über vernachlässigte Krankheiten in Entwicklungsländern
Letzte Woche wurde vom Europäischen Parlament eine Entschließung verabschiedet, in der die EU dazu aufgerufen wird, vernachlässigten Krankheiten in Entwicklungsländern einen höheren Stellenwert in ihrem Forschungsprogramm einzuräumen. John Bowis, MdEP und Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) zu Gesundheitsthemen, erhielt breite Unterstützung für seinen Bericht, der als Antwort auf ein neues Aktionsprogramm der Kommission zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und TB verfasst wurde. Der Bericht, der am 8. September bei einer Plenarsitzung in Straßburg angenommen wurde, hebt hervor, dass die EU keine ausreichende Forschung über weniger bekannte Krankheiten wie z. B. die Schlafkrankheit und das Denguefieber durchführt. Vernachlässigte Krankheiten umfassen nicht nur sowohl seltene (Orphan-) Krankheiten als auch häufige, meist übertragbare Erkrankungen, sondern auch eine Reihe weiterer Erkrankungen, die in allen Ländern eine Belastung darstellen und für die es nur wenige oder keine effektiven Gegenmittel gibt. Beispielsweise treten jedes Jahr Grippeepidemien auf, die jährlich weltweit eine Million Todesfälle verursachen. Grippepandemien treten alle paar Jahrzehnte auf und haben weit schwerwiegendere Folgen. Bisher ist es der Pharmaindustrie nicht gelungen, den Bedürfnissen von Menschen mit vernachlässigten Krankheiten gerecht zu werden, da die potenziellen Erträge für die Aktionäre oft unklar sind. Selbst wenn die Industrie weiterhin eine wichtige Rolle bei der Entdeckung und Entwicklung von Arzneimitteln spielt, ist laut der Entschließung ein weit größerer Pluralismus sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Entdeckung neuer Behandlungsmethoden erforderlich. "Es ist richtig von der Europäischen Union, HIV, TB und Malaria in den Entwicklungsländern anzugehen, doch es gibt viele weitere Krankheiten, die ebenfalls Aufmerksamkeit verdienen", so Bowis. In seinem Bericht wird nachdrücklich dazu aufgerufen, neue Arzneimittel zu entwickeln und sie den Entwicklungsländern zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung zu stellen. Es wird außerdem auf die rapide wachsende Zahl von psychischen Erkrankungen in vielen Entwicklungsländern hingewiesen. Für die meisten dieser Erkrankungen gibt es kosteneffiziente Behandlungsmethoden, doch eine angemessene Gesetzgebung zu psychischer Gesundheit, Behandlung und Betreuung durch die Gemeinschaft genießt nicht die Priorität, die sie haben sollte. "Gesundheitssysteme in den Entwicklungsländern benötigen weit mehr Investitionen, um diese Krankheiten zu behandeln, doch die EU muss bei der Veröffentlichung ihrer Prioritäten für Forschung und Entwicklung diesen Erkrankungen ebenfalls die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdienen", heißt es in dem Bericht. "Die internationale Gemeinschaft muss ihrer Verantwortung gerecht werden und die Arbeit zur Verbesserung der Behandlung von Krankheiten, an denen in den armen Ländern Millionen von Menschen sterben, intensivieren." Zwischen 1975 und 1999 handelte es sich bei weniger als einem Prozent der neu auf dem Markt eingeführten Arzneimittel um Medikamente gegen übertragbare tropische Krankheiten. Patienten, die an parasitären Infektionen wie Bindehautentzündung und der potenziell tödlichen Leishmaniose leiden, erhalten oft veraltete Medikamente, die sehr giftig oder unwirksam sein können oder schwierig zu verabreichen sind. Die Entschließung des Parlaments, die vom Entwicklungsausschuss vorgelegt wurde, ruft die Kommission auf, die Mittel für die biomedizinische Forschung über armutsbedingte Krankheiten wie Malaria und TB zu erhöhen und in das Siebte Rahmenprogramm (RP7) spezielle Hinweise auf Forschungsmittel für diese Krankheiten aufzunehmen. Das Europäische Parlament möchte, dass der Oberbegriff 'vernachlässigte Krankheiten' neben HIV/AIDS, Malaria und TB auch andere Krankheiten umfasst, und fordert die Kommission auf, die Kapazität der Entwicklungsländer, sowohl klinische Versuche als auch operationelle und Gesundheitssystemforschung durchzuführen, zu stärken. Des Weiteren müssten die Belange von Frauen, Kindern und Menschen mit Behinderungen in der Gesundheitspolitik wie auch in der relevanten Forschung stets berücksichtigt werden, so das Europäische Parlament. In Anbetracht der nur geringen Ertragsmöglichkeiten für Unternehmen in diesem Bereich wird in dem Bericht gefordert, die pharmazeutische Industrie zu verpflichten oder ihr Anreize zu bieten, einen bestimmten Anteil ihrer Gewinne in die FuE zu vernachlässigten Krankheiten zu reinvestieren. In der Entschließung werden der Abschluss eines neuen globalen medizinischen FuE-Vertrags sowie der Einschluss des Technologietransfers in die Entwicklungspolitik empfohlen. Es ist nicht das erste Mal, dass die EU sich für einen solchen Ansatz ausspricht. Im Vorfeld des niederländischen EU-Ratsvorsitzes beauftragte die niederländische Regierung die Weltgesundheitsorganisation, eine EU-Forschungsagenda zu entwickeln, die auf dem öffentlichen Gesundheitsbedarf an prioritären Arzneimitteln beruht. Der Bericht "Priority Medicines for Europe and the World Project: A public health approach to innovation" wurde im November 2004 veröffentlicht und deckt eine breite Palette wichtiger Themen ab, wobei der Europäischen Union viele weit reichende Forschungsvorschläge unterbreitet werden. Die Entschließung wurde zeitgleich mit der Veröffentlichung eines neuen Berichts eines Teams des Health and Social Care Research Centre der London School of Economics unter der Leitung von Dr. Mary Moran verabschiedet. Darin wird argumentiert, dass eine tief greifende Veränderung der Forschung über zehn so genannte "vernachlässigte Krankheiten", darunter Malaria, Tuberkulose (TB), Lepra und Schlafkrankheit, zur Entwicklung von mindestens acht neuen Medikamenten bis zum Jahr 2010 führen könnte. Darüber hinaus wird in dem Bericht hervorgehoben, dass etwa drei Viertel dieser Forschungsprojekte unter dem Dach öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) durchgeführt werden, was beweise, dass PPP eine entscheidende treibende Kraft für diese erhebliche Steigerung der Aktivitäten sind. Politische Entscheidungsträger sollten diese Partnerschaften bezüglich der Forschung und Entwicklung im Bereich vernachlässigter Krankheiten unterstützen.