Neuer Fokus in der REACH-Debatte: Vorschlag für Chemikaliengesetz gut für die Gesundheit der Arbeiter
In der Endphase der Debatte über den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein neues Chemikaliengesetz - REACH - wurde dem Europäischen Parlament eine wissenschaftliche Studie über die Vorteile der REACH-Richtlinie vorgelegt. Diese Studie ist ein Versuch, der Debatte, die sich bis jetzt vornehmlich um die Kosten der Umsetzung des REACH-Gesetzespakets gedreht hat, einen neuen Fokus zu geben: Die Autoren der Studie haben herausgefunden, dass REACH potenziell Berufskrankheiten, die durch Chemikalien hervorgerufen werden, reduziert - und damit auch die Kosten, die der Industrie und der Gesellschaft durch diese Krankheiten entstehen. Der Bericht der Forscher der Universität Sheffield, VK, zeigt, dass die REACH-Richtlinie helfen könnte, 50.000 Fälle beruflich bedingter Atemwegserkrankungen und 40.000 Fälle beruflich bedingter Hautkrankheiten zu vermeiden, die jährlich in der EU durch den Umgang mit gefährlichen Chemikalien verursacht werden. Über einen Zeitraum von zehn Jahren gesehen würde das für die EU-25 durchschnittliche Einsparungen von 3,5 Milliarden Euro bedeuten. Diese Einsparungen würden sich gleich doppelt positiv auswirken: So würden nicht nur die Sozialversicherungssysteme und die Arbeitgeber spürbar entlastet werden, da Krankengelder und Produktivitätsverluste durch krankheitsbedingte Abwesenheit eingespart werden, das neue Gesetz würde auch die gesundheitliche Lebensqualität der Arbeiter verbessern und deren finanzielle Verluste durch nicht ausgezahlte Krankengelder vermeiden. Ein früherer Bericht über die Auswirkungen von REACH auf die Gesundheit hatte sich in erster Linien mit der Vermeidung von Todesfällen durch von Chemikalien verursachten Krebs beschäftigt, obwohl Haut- und Atemwegserkrankungen die am weitesten verbreiteten berufsbedingten Gesundheitsprobleme darstellen. Die Studie wurde vom Forschungsinstitut des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUI-REHS) in Auftrag gegeben und von der School of Health and Related Research (ScHARR) der Universität Sheffield durchgeführt. In seiner Präsentation des Berichts vor dem Europäischen Parlament betonte Marc Sapir, der geschäftsführende Direktor des ETUI-REHS, dass die potenziellen Vorteile von REACH stark von den Daten abhängen, die unter dem System generiert werden, sowohl was die Gefahren von Chemikalien als auch was die Frage betrifft, wie die mit der Verwendung der Chemikalien verbundenen Risiken zu behandeln sind. "REACH ist ein hervorragendes Werkzeug, um wichtige Daten über Chemikalien zu sammeln und weiterzugeben, aber es wird uns nicht weit bringen, wenn wir bei den Herstellern nicht ausreichend Daten abfragen", erklärte er. Laut der Untersuchung sind die potenziellen Vorteile von REACH mit den Datenanforderungen und der Weiterleitung der Daten durch die Lieferkette verknüpft. Dazu gehören auch zusätzliche Informationen über Substanzen, von denen pro Jahr zwischen einer bis zehn Tonnen hergestellt oder importiert werden, d. h. chemische Sicherheitsberichte und Daten zu akuter Toxizität, und die bessere Anwendung des Substitutionsprinzips, demzufolge kein neues Produkt zugelassen wird, wenn eine angemessene Alternative vorhanden ist. Zur Präsentation des Berichts hatte Guido Sacconi eingeladen, der federführende REACH-Berichterstatter des Europäischen Parlaments. "Diese wichtige Studie erinnert uns wohlweislich daran, dass REACH zwar viele Kosten verursachen könnte", so Sacconi, "aber dass auch Vorteile für die menschliche Gesundheit, insbesondere die der Arbeiter, zu erwarten sind - und das ist eines der wichtigsten Ziele der Reform." Die Ziele von REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals - Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien), einem Vorschlag der Kommission vom Oktober 2003, sind die Verbesserung des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt unter Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit und Verbesserung der Innovationsfähigkeit der Chemieindustrie in der EU. Anfang des Monats wurde ein Versuch des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments, einen breiten Konsens zu REACH zu erzielen, von der Industrie und Umweltverbänden kritisiert - erstere fürchten den Verlust von Arbeitsplätzen, letztere die Gefahr der Kontamination durch giftige Stoffe. Nach Ansicht von Sacconi sind zwei Punkte dieser Diskussion nicht verhandelbar: Die Beweislast verbleibt bei den Unternehmen und die vorgesehenen Prüfungen für Stoffe, die in einer Menge zwischen zehn und 100 Tonnen pro Jahr hergestellt werden, bleiben bestehen. Am 15. November stimmt das Parlament im Plenum über den Vorschlag ab. Er wurde zuletzt von den Räten "Wettbewerb" und "Umwelt" debattiert. Die britische Ratspräsidentschaft ist zuversichtlich, dass der endgültige Vorschlag breite Unterstützung finden wird und dass es zu einem politischen Konsens kommen wird, der bei der Sitzung des Rats "Umwelt" am 28. und 29. November erzielt werden könnte.