Heliostaten bringen Wintersonne nach Rattenberg
Der Winter ist eine schwierige Zeit für die Bewohner der Gemeinde Rattenberg im österreichischen Tirol. Ein nahe gelegener Berg südlich des Ortes verhindert von November bis Mitte Februar jeglichen Sonneneinfall. Eine Heliostat-Technik soll nun Abhilfe schaffen und ab 2007 den Einwohnern von Rattenberg im Winter Sonnenlicht bringen. Als Rattenberg vor 1.000 Jahren gegründet wurde, war seine Lage zwischen dem Berg im Süden und dem Inn im Norden ideal zum Schutz der Einwohner vor Eindringlingen. Damals spielte Sicherheit eine größere Rolle als der Einfall von Sonnenlicht. Heute fehlt den Menschen das Sonnenlicht allerdings, und die Einwohnerzahl Rattenbergs nimmt u. a. aufgrund mangelnder Wintersonne kontinuierlich ab. Jetzt glaubt die Bartenbach LichtLabor GmbH, ein österreichisches Unternehmen, das führend in der Entwicklung von Tages- und Kunstlichtprodukten ist, mit Hilfe des gesamteuropäischen EUREKA-Programms eine Lösung basierend auf der Heliostat-Technik gefunden zu haben. Ein Heliostat ist ein beweglicher Reflektor, der der Sonne bei ihrem Verlauf nachgeführt wird und über weitere Spiegel ständig Sonnenlicht zu jeder gewünschten Stelle reflektiert. Das Unternehmen hat Heliostaten bereits im Rahmen anderer internationaler Projekte zur Lichterzeugung eingesetzt, z. B. um Sonnenlicht in Kellergeschosse und Bahnhofsstationen zu lenken. Aufgrund der hohen Entwicklungs- und Installationskosten ging man jedoch davon aus, dass Heliostaten nur zur "Effektbeleuchtung" eingesetzt werden können. Das Bartenbach LichtLabor ist jetzt allerdings davon überzeugt, dass die Reflektortechnik weit genug fortgeschritten ist, um die ersten Versuche des Unternehmens, einer ganzen Dorfbevölkerung Sonnenlicht zu bescheren, zu rechtfertigen. Im Projekt Rattenberg werden die Heliostaten in einer Entfernung von etwa 400 Metern nördlich des Dorfes aufgestellt, um das Licht von dort auf eine zweite Reihe von Spiegeln zu lenken, die auf dem Burghügel direkt über dem Dorf installiert sind. Die Heliostaten sitzen auf einem Kugelgelenk und werden über einen Computer gesteuert, der den Verlauf der Sonne automatisch verfolgt. Laut dem Projektmanager Markus Peskoller wird diese Methode für eine Beleuchtung mit allen Eigenschaften von natürlichem Sonnenlicht sorgen - hervorgehobene Punkte, scharfe Kontraste zwischen Licht und Schatten, strahlendes Licht, Spektralauflösung und Schimmereffekte. Das Sonnenlicht wird nicht jeden Punkt des Ortes erreichen, doch die Einwohner und Besucher werden an jedem Ort des Dorfes Sonnenschein bemerken und somit den psychologisch wichtigen Eindruck gewinnen, dass sie in einem sonnigen Ort leben. Das Bartenbach LichtLabor arbeitet seit Anfang 2005 an einer Durchführbarkeitsstudie und detaillierten Entwicklungsplänen, doch aufgrund der Komplexität des Projekts sei ein umfangreicherer Entwurfs- und Entwicklungsprozess notwendig, bevor dieses Konzept umgesetzt werden könne. Die derzeitige Vorbereitungsphase wird rund 12 bis 15 Monate dauern. Das Unternehmen beabsichtigt, bis Anfang Sommer 2006 Modelle der einzelnen Teile in Originalgröße fertig zu stellen. Doch zuvor müssen einige Herausforderungen gemeistert werden, nicht zuletzt die Finanzierung des kompletten Projekts, dessen Kosten sich voraussichtlich auf rund 1,5 Millionen Euro belaufen werden. Das Bartenbach LichtLabor und die Gemeinde Rattenberg erhalten über das EUREKA-Programm finanzielle Unterstützung für das Projekt. An dem Projekt sind ein deutsches Unternehmen und eine italienische Universität beteiligt. Ziel ist die Entwicklung technischer Komponenten für Sonnenlicht-Installationen zur Lösung der Probleme städtischer Gebiete, die unter einem lang anhaltenden Mangel an Sonnenlicht leiden. Allein in Tirol teilen 60 Dörfer das Schicksal von Rattenberg, und weitere Gebirgsdörfer könnten Gefallen an der erfolgreichen Umsetzung des Projekts finden.
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