Skip to main content
Weiter zur Homepage der Europäischen Kommission (öffnet in neuem Fenster)
Deutsch Deutsch
CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS
CORDIS Web 30th anniversary CORDIS Web 30th anniversary

Article Category

Inhalt archiviert am 2023-03-01

Article available in the following languages:

Bipolarisierung im Mittelmeerraum und Stabilitätsrisiken

Die Kluft zwischen armen und reichen Mittelmeerländern hat sich in den letzten 40 Jahren verdoppelt. Eine aktuelle Analyse zur ökonomischen Polarisierung im Mittelmeerraum, die am Institut für Wirtschaftsanalyse des spanischen nationalen Forschungsrats (CSIC) durchgeführt wurd...

Die Kluft zwischen armen und reichen Mittelmeerländern hat sich in den letzten 40 Jahren verdoppelt. Eine aktuelle Analyse zur ökonomischen Polarisierung im Mittelmeerraum, die am Institut für Wirtschaftsanalyse des spanischen nationalen Forschungsrats (CSIC) durchgeführt wurde, kommt zu dem Schluss, dass eine stärkere Polarisierung eine größere politische Instabilität impliziert, und es wird davor gewarnt, dass "ein sehr hohes Risiko eines offenen Konflikts existiert". Die Studie, die 2006 im Rahmen der "Berlin Workshop Series: Equity and Development" der Weltbank veröffentlicht werden soll, wurde innerhalb des von der EU finanzierten Projekts "Polarisierung und Konflikt" durchgeführt. Ziel dieses multidisziplinären Projekts des Sechsten Rahmenprogramms (RP6), das von dem Wirtschaftswissenschaftler und Professor am Institut für Wirtschaftsanalyse (CSIC) in Barcelona Joan Maria Esteban geleitet wurde, ist die Förderung und Koordinierung von Forschungsmaßnahmen zur Konzeptualisierung, Modellierung und Messung von Polarisierung und Konflikt sowie der Verbindungen zwischen beiden. "Polarisierung und Konflikt" soll bei der Bestimmung der wichtigsten Ursachen für Konflikte helfen, Tools und Indikatoren zur Frühwarnung bereitstellen und zu einem besseren Verständnis der Rolle alternativer Formen der Intervention durch Dritte führen, wie z. B. Schlichtung oder Vermittlung, um eine Einigung zu erzielen. Darüber hinaus soll das Projekt zum Entwurf realisierbarer Post-Konflikt-Vereinbarungen beitragen, einschließlich des Systems der politischen Repräsentation. Das Projekt integriert die unterschiedlichen Ansätze, die in den verschiedenen Sozialwissenschaften entwickelt wurden, und kombiniert Modelle mit faktischen Beweisen. Die Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass sich sozialer Zusammenhalt und potenzielle Konflikte nicht nur anhand von wirtschaftlicher Ungleichheit analysieren lassen. Im Rahmen des Projekts wird eine neue Analysemethode basierend auf dem Konzept der Polarisierung und einem neuen Analysetool vorgeschlagen: der Polarisierungsindex. Mit dem Polarisierungsindex sollen Ländergruppen erfasst werden, deren Mitglieder zueinander große Ähnlichkeiten aufweisen, im Vergleich mit anderen Ländergruppen allerdings markante Unterschiede zeigen. Das heißt, die Ungleichheit kann abnehmen, weil alle Mitglieder einer Gruppe einander immer ähnlicher werden, während gleichzeitig eine immer größere Polarisierung zu verzeichnen ist. Daher lässt sich das Auftreten von Clustern mit gegensätzlichen Interessen eher mit Polarisierung als mit Unähnlichkeit erfassen. Mit diesem neuen Ansatz wurde das Entwicklungsmuster entlang beider Mittelmeerküsten zwischen 1961 und 1998 untersucht. Er zeigt, dass sich die Mittelmeerländer im Verlauf der letzten 40 Jahre an zwei gegensätzlichen Punkten polarisiert haben ¿ arm und reich ¿, wobei sich die beiden Pole immer deutlicher herauskristallisieren und sich voneinander wegbewegen. Untersucht man Pro-Kopf-Einkommen und Bevölkerung beider Ländergruppen mit traditionellen ökonomischen Instrumenten, wie z. B. dem Gini-Index, so stieg die Ungleichheit zwischen beiden Gruppen während des Referenzzeitraums nur um 18 Prozent. Wendet man allerdings das Polarisierungskonzept an, so liegt das Ergebnis bei 36 Prozent. Die Studie zeigt einen Index der stark zunehmenden Bipolarisierung: von 0,0643 im Jahr 1961 auf 0,1313 im Jahr 1998. 1961 herrschten zwischen beiden Ländergruppen extreme Unterschiede in Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen, mit einem Verhältnis von fünf zu eins zwischen beiden Extremen ¿ Frankreich und Marokko. Doch dazwischen war eine gestaffelte Folge zu verzeichnen, mit einer maximalen Differenz von 46 Prozent zwischen aufeinander folgenden Ländern. Während in den 1960er Jahren kein großer Unterschied zwischen Spanien, Süditalien und Griechenland einerseits und afrikanischen Mittelmeerländern andererseits, wie z. B. Marokko oder Ägypten, herrschte, war dieser Unterschied Ende der 90er Jahre auf ein fast unüberwindliches Extrem angestiegen. In der Studie wird der Erfolg der Europäischen Union hinsichtlich der signifikanten und ständigen Reduzierung der Ungleichheit in Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen in den EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt. Doch wie Dr. Esteban erläutert, hat der Erfolg der EU bei der Förderung des Wachstums in den Beitrittsländern international eine gegensätzliche Nebenwirkung gehabt: Die Kluft zu den Nachbarländern außerhalb der EU hat sich vergrößert. Und dieser Effekt sei besonders im Mittelmeerraum zu beobachten. Während sich die EU-Länder und Israel in Bezug auf das Einkommen einander annähern, sind die Nicht-EU-Mittelmeerländer vergleichsweise ärmer. Es gibt sogar einen Doppeleffekt: Während sowohl innerhalb der Gruppe der reicheren Länder (Griechenland, Spanien, Israel, Italien und Frankreich) und innerhalb der Gruppe der ärmsten Länder (Marokko, Syrien, Ägypten, Tunesien, Algerien, Türkei, Jordanien) eine steigende interne Homogenität zu verzeichnen ist, hat sich die Kluft zwischen diesen beiden Gruppen dramatisch verschärft. Dr. Esteban warnt davor, dass diese extreme Bipolarisierung ein sehr hohes Risiko eines offenen Konflikts erzeugen könnte. "Mit keinerlei ermutigenden Zielen in Sicht könnten wir uns auf eine Periode der großen politischen Instabilität in den Ländern dieser Region zu bewegen", schlussfolgert er.

Länder

Spanien