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Dienstleistungsrichtlinie: "Enttäuschung" für das EU-Wirtschaftswachstum

Janez Potocnik, EU-Kommissar für Wissenschaft und Forschung, und Esko Aho, ehemaliger Premierminister Finnlands, haben die jüngste Dienstleistungsrichtlinie als "Enttäuschung" für das EU-Wirtschaftswachstum bezeichnet, und appellierten an die Wirtschaftsvertreter, ihre Forderu...

Janez Potocnik, EU-Kommissar für Wissenschaft und Forschung, und Esko Aho, ehemaliger Premierminister Finnlands, haben die jüngste Dienstleistungsrichtlinie als "Enttäuschung" für das EU-Wirtschaftswachstum bezeichnet, und appellierten an die Wirtschaftsvertreter, ihre Forderungen nach einer Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung zu unterstützen, um den wirtschaftlichen Rückgang in der EU aufzuhalten, "bevor es zu spät ist". Die beiden Politiker hielten anlässlich der Konferenz "Aufbau einer wissensbasierten Wirtschaft" im Rahmen des European Business Summit am 16. März in Brüssel eine Rede. "Ich bin zuversichtlich, dass die Wirtschaftsvertreter eine starke und konstruktive Botschaft an die Politik richten werden", erklärte Kommissar Potocnik eine Woche vor dem EU-Frühjahrsgipfel. Der Kommissar nannte drei Gründe, warum es so wichtig sei, drei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung zu investieren. Erster Grund sei der Wettbewerb. "Die Zeiten sind vorbei, in denen wir China und Indien als Konkurrenten betrachten konnten, die zwar billig produzieren, aber auch Billigware anbieten. Wenn sich die Wirtschaft weiterhin so entwickelt wie bisher, dann investiert China bis zum Jahr 2010 einen ebenso großen Anteil seines BIP in Forschung wie Europa. Wir haben es in der Hand, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob diese Wirtschaftsräume sich zu einer Chance oder einer Bedrohung für uns entwickeln." Zweiter Grund sei die Dynamik. "Wenn alle Mitgliedstaaten die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen, dann investiert die EU 2,7 Prozent ihres BIP im Jahr 2010 in die Forschung. Dies wäre um einiges besser als die im Jahr 2004 investierten 1,9 Prozent", betonte er. Dritter und letzter Grund sei, dass Investitionen in Höhe von drei Prozent ein Indikator für den "Fortschritt unserer Wirtschaft" seien, und kein Ziel an sich - Geld solle investiert und nicht ausgegeben werden. "Es liegt auf der Hand, dass diese Ziele über den Aufgabenbereich eines Forschungskommissars hinausgehen. In der Tat sind Forschung und Innovation zu wichtige Themenbereiche, um sie einem Forschungskommissar allein anzuvertrauen", sagte er. Zum Schluss seiner Rede unterstrich Potocnik den Bedarf an führenden Märkten, die eine Schlüsselfunktion in der Vervollständigung des Prozesses haben, an dessen Anfang Forschung und Entwicklung stehen. Die Bildung von führenden Märkten gehört nicht ins Reich der Fantasie. Bei GSM hat es funktioniert und es liegt im Grundwesen des Binnenmarkts. Aho führte die Rede von Kommissar Potocnik weiter, indem er ausführlicher auf die Bedeutung von führenden Märkten einging. "Es sollte ein Gleichgewicht zwischen Bestrebungen zur Belebung des Angebots und der Nachfrage herrschen. Wir kümmern uns gerne um die Angebotsseite, zum Beispiel mit dem Drei-Prozent-Ziel und der Sicherung von Ressourcen. Aber heutzutage hat die Nachfrage in der EU größere Bedeutung. Die Schaffung von Märkten ist für die EU unerlässlich. "Die EU ist aus marktwirtschaftlicher Perspektive geschaffen worden, aber gerade in diesem Bereich haben wir schwache Leistungen erbracht. Das Vermächtnis der Dienstleistungsrichtlinie ist eine größere Enttäuschung, als wir es uns eingestehen wollen", sagte er. Aho erläuterte vier Ansätze, die seiner Meinung nach für die Schaffung eines wettbewerbsfähigeren Europas grundlegend sind: Die Schaffung neuer Märkte, die Erhöhung der öffentlichen und privaten Investitionen in F&E, die Mobilität von Ressourcen und nicht zuletzt die Förderung einer Unternehmerkultur. "Investitionen in F&E führen nicht zum Erfolg, wenn sie auf einem Niveau stagnieren. Wir brauchen einen stärkeren Fluss vom Wissen zu den Ressourcen. Risikobereitschaft muss gefördert werden. Innovation bedeutet, dass Risiken eingegangen werden. Und zwar immer. "Einige Mitgliedstaaten sind auf den Welthandel angewiesen. Wenn die EU keine starke Handelszone ist, sind diese Mitgliedstaaten dazu gezwungen, alternative Maßnahmen zu ergreifen. Wie kann man Politiker zum Durchhalten bewegen?", fragte Aho in seinem Resümee, und fügte ironisch hinzu: "Alle Politiker werden letztendlich die Wahlen verlieren, also ist es besser, seine Zeit darauf zu verwenden, gute Politik zu machen, als zu versuchen, die Wahlen zu gewinnen." Arthur van der Poel, Vorsitzender des EUREKA-Clusters MEDEA+, untersuchte die Gründe für die Notwendigkeit, jetzt eine Entwicklung zur "wissensbasierten Wirtschaft" anzusteuern, indem er die Maßnahmen auflistete, welche als erste zu Ende geführt werden müssten. "Wir müssen die Politik für das Thema sensibilisieren. Haben wir. Wir müssen Strategien und Forschungsprogramme definieren. Haben wir. Wir brauchen das Engagement vonseiten der Industrie. Haben wir - die Industrie hat uns entschieden ihre Unterstützung zugesichert. Wir müssen den öffentlich-privaten Innovationspakt definieren. Das haben wir zum Großteil geschafft. Was nun? Debattieren? Streiten? Kämpfen? Lasst es uns einfach anpacken. Wer sich zu oft einen Fehlstart erlaubt, fliegt letztendlich aus dem Rennen", betonte er. Roch Doliveux, CEO der belgischen UCB-Gruppe, unterstrich die Macht der "Eckpfeiler"-Industrien, die hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben haben und grundlegend für das EU-Wirtschaftswachstum sind, und nannte als Beispiel die biopharmazeutische Industrie. Tomas Hruda, CEO von CzechInvest, erläuterte, auf welche Weise es ein kleines Land wie die Tschechische Republik geschafft hat, in einem kurzen Zeitraum ein derartiges Wirtschaftswachstum zu erzielen, nämlich indem nicht nur in Forschung und Entwicklung investiert wurde, sondern auch in das Unternehmertum und in eine Kultur, die Unternehmen und beständige Innovation fördert. Dr. Jens Rostrup-Nielsen, Mitglied des wissenschaftlichen Rates des Europäischen Forschungsrates, zog einen Vergleich zwischen der Situation in der EU und den in den USA angewandten Verfahren. "Das Rahmenprogramm war bislang nicht außerordentlich erfolgreich. In den USA trifft man schnell Entscheidungen, und verschiedene Gruppen arbeiten parallel an der Lösung derselben Probleme. Einige dieser Gruppen sind große, andere kleine Unternehmen, aber es gelingt ihnen, die Probleme zu lösen, deren Lösung sie sich zum Ziel gesetzt haben. In der EU neigen wir dazu, Personen zu fördern. Es werden große Gruppen gegründet, von denen nur der Gewinner profitiert." Danach nahm das Thema der Konferenz mit der Frage- und Antwortsitzung eine andere Wendung. Die Zuhörer stellten den Rednern fragen zu der Bedeutung der Finanzmittel innerhalb des Forschungsprogramms, den Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie und zu den geplanten Zielsetzungen zur Förderung des Wachstums. Kommissar Potocnik gab eine leidenschaftliche Antwort und erntete Beifall vonseiten der 800 Zuhörer. Er bezog sich zunächst auf die jüngste Dienstleistungsrichtlinie und erklärte, warum diese Aho zufolge eine "Enttäuschung" sei. "Im Dienstleistungssektor werden über 60 Prozent des europäischen BIP erwirtschaftet. Auf dem gemeinsamen Markt gibt es vier Grundfreiheiten, wobei zwei nicht funktionieren - der freie Verkehr von Dienstleistungen und der von Arbeitnehmern. Wenn wir keinen funktionierenden Binnenmarkt schaffen können, dann müssen wir eben den bestehenden Binnenmarkt so umgestalten, dass er funktioniert. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für das Funktionieren der EU und ihrer Wirtschaftaktivitäten. Wenn drei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung investiert werden, ist das keine Erfolgsgarantie, aber es muss in einer vernünftigen Art und Weise getan werden. China, Japan und die USA stellen jeweils eine Einheit dar - wir sind 25 gemeinsam agierende Einheiten. Die Interessen der EU sollten nationale Interessen sein. Niemand kann uns versprechen, dass wir bei einer Erhöhung der Investitionen in F&E Lösungen finden werden, aber wenn wir nicht investieren, dann ist uns ein Scheitern sicher. "Innerhalb der EU ist das Forschungsbudget das einzige wirklich wettbewerbsfähige Budget. Wir müssen in der Beurteilung dessen, was das Budget auf EU-Ebene an zusätzlichem Nutzen bringt, fair sein. Wir haben das Potenzial, Wunder zu bewirken. Unsere Philosophie für das FP7 [Siebtes Rahmenprogramm] besteht darin, uns verstärkt auf die Industrie und auf die Führung von Wissenschaftern zu konzentrieren. Mit dem Europäischen Forschungsrat hat die EU zum ersten Mal eine Art 'Champions league', bei der EU-Wissenschaftler in Wettbewerb zueinander treten können. Das ist das FP7. Wir arbeiten mit allen Kräften daran. Unsere Bemühungen richten sich verstärkt auf das RP."

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