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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Künstliche Lösung für globale Erwärmung?

Der Chemie-Nobelpreisträger Professor Paul Crutzen hat ein drastisches "Notfallprogramm" aufgrund der globalen Erwärmung vorgestellt, nach dem der langsame Anstieg der Kohlendioxid (CO2)-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und die damit einhergehende Erhöhung d...

Der Chemie-Nobelpreisträger Professor Paul Crutzen hat ein drastisches "Notfallprogramm" aufgrund der globalen Erwärmung vorgestellt, nach dem der langsame Anstieg der Kohlendioxid (CO2)-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und die damit einhergehende Erhöhung der globalen Temperaturen mit künstlichen Mitteln bekämpft werden könnten. Professor Crutzen bleibt jedoch pessimistisch in der Frage, ob die Menschheit überhaupt noch schnell genug auf den Klimawandel reagieren kann. Der Chemiker fordert Untersuchungen des möglichen Einflusses der Geotechnik, um den Auswirkungen der globalen Erwärmung entgegenzuwirken. In diesem Jahr erlebte Nordeuropa einen der heißesten Monate in der Geschichte. Im Juli verzeichnete Großbritannien seinen heißesten Monat seit man im Jahr 1914 mit den Aufzeichnungen begonnen hatte, in dem die durchschnittliche Temperatur tagsüber und nachts fast 18 Grad Celsius betrug. Viele sehen dies als Nachweis für eine globale Erwärmung. Der Niederländer Professor Crutzen, der am Max-Planck-Institut für Chemie beschäftigt ist, gewann seinen Nobelpreis im Jahr 1995 für seine Erforschung der globalen Bildung und des Abbaus der Ozonschicht. Hier untersucht er eine weniger bekannte, jedoch nicht minder bedeutende Konsequenz der Industrialisierung - den Anstieg des Albedo-Effekts - der unter der Bezeichnung "globale Verdunkelung" bekannt ist. Die Auswirkungen von CO2 und der Albedo sind natürlich und normal. Sie werden erst zu einem Problem, wenn diese Phänomene durch Handlungen vom Menschen übertrieben oder verstärkt werden. Die Industrialisierung hat die Kraft von CO2 (globale Erwärmung) und der Albedo (globale Verdunkelung) verstärkt. Die globale Verdunkelung hat in vielerlei Hinsicht den gegenteiligen Effekt der globalen Erwärmung. Während CO2-Emissionen einen Mantel um die Erde bilden und sie erwärmen, wirken Partikel oder Dunst in der Luft oder sogar reflektierende Oberflächen auf der Erde wie ein Spiegel und reflektieren Wärmeenergie zurück in die Atmosphäre. Als die USA nach den Angriffen am 11. September 2001 in New York und Washington DC alle Flüge einstellten, stiegen die Temperaturen in den USA. Man nimmt an, dass der Grund die Abwesenheit der von Flugzeugen hinterlassenen Kondensstreifen war, die normalerweise den Albedo-Effekt verstärken würden. "Es wäre bei weitem die beste Methode, das Dilemma der Entscheidungsträger zu lösen, indem man die Emissionen der Treibhausgase verringern würde. Bisher sind jedoch Versuche in dieser Richtung im Großen und Ganzen nicht erfolgreich gewesen", sagt Professor Crutzen in einem Leitartikel des Magazins Climate Change. Er weist darauf hin, dass aktuelle Modelle des Klimawandels einen Anstieg der Temperaturen in diesem Jahrzehnt vorhersagen, der die Prognosen einer Temperaturerhöhung von 1,4 bis 5,8 Grad Celsius in der Richtlinie zur Integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung noch übersteigen könnte. Während das Niveau von CO2 eigentlich um bis zu 80 Prozent sinken müsse, steigen die CO2-Werte weiter. Professor Crutzen macht stattdessen den Vorschlag, dass eine Verstärkung des Albedo-Effekts auf der Erde ein Weg zur Verringerung der globalen Erwärmung sein könnte. "Dies kann durch die Verbrennung von S2 [Schwefel] oder H2S [Schwefelwasserstoff] erreicht werden, die in Ballons und Artilleriegeschützen in die Stratosphäre gebracht werden, um SO2 [Schwefeldioxid] zu produzieren", schreibt er. Er vergleicht diesen Ansatz mit dem Ausbruch des Mount Pinatubo im Jahr 1991, nach dem sich die globale Temperatur um 0,5 Grad Celsius verringerte. Er räumt jedoch ein: "Die Hauptfrage zur Methode einer Albedo-Veränderung ist, ob sie umweltverträglich ist und keine erheblichen Nebenwirkungen hat." Untersucht man die Auswirkungen von Vulkanausbrüchen, so scheinen die Auswirkungen temporärer Natur zu sein. Professor Crutzen untersucht mehre Möglichkeiten für die Freisetzung von Gasen oder Partikeln in der Stratosphäre, glaubt jedoch, dass diese Maßnahmen sehr kurzfristig und zu relativ niedrigen Kosten in Gang gesetzt werden könnten - er geht von 25 bis 50 Milliarden US-Dollar aus. Er weist darauf hin, dass die globale Erwärmung bereits für das Aussterben einiger Tierarten verantwortlich sei und dass in Anbetracht der Auswirkungen schmelzender Eiskappen das Steigen des Meeresspiegels aufgrund des Temperaturanstiegs eine anerkannte Bedrohung sei. Ein Ansteigen von CO2 würde auch das Meer schneller versauern lassen und somit Korallen und andere empfindliche Meerestiere bedrohen. "Werden die Treibhausgasemissionen nicht erheblich gedrosselt und die Temperaturen schnell steigen, dann wird das Klima-Engineering, wie es hier dargestellt wird, die einzige mögliche Option sein, den Temperaturanstieg rasch zu reduzieren und weiteren klimatischen Auswirkungen entgegenzuwirken", sagte er. Während seine vorgeschlagene Lösung drastisch klingen mag, "möchte ich betonen, dass das Verfahren zur Stärkung der Albedo nur entwickelt werden sollte, wenn die Nettovorteile wirklich nachgewiesen sind und insbesondere, wenn sich eine schnelle Klimaerwärmung - paradoxerweise teilweise aufgrund einer weltweiten Verbesserung der Luftqualität - entwickelt. Das Albedo-Verfahren sollte vor allem keine Rechtfertigung für eine unzulängliche Klimapolitik sein, sondern lediglich die Möglichkeit bieten, eine möglicherweise drastische klimatische Erwärmung zu bekämpfen", sagt er. Professor Crutzen glaubt, dass die vornehmliche Priorität die Reduzierung der CO2-Emissionen bleibt, es gebe jedoch "wenig Anlass, optimistisch zu sein", sagt er. Sollte sich die Drosselung von CO2 als nicht erfolgreich herausstellen, könnte seiner Meinung nach eine drastische Reaktion, wie die von ihm vorgeschlagene, zusammen mit Maßnahmen wie der CO2-Bindung und verstärkter Aufforstung umgesetzt werden. Er fordert jedoch zuerst Untersuchungen - zu modellieren, wie künstlich in die Stratosphäre eingebrachte Schwefelpartikel wirken könnten und ob unerwartete Nebenwirkungen auftreten können. Professor Crutzen glaubt, dass die beste Lösung zu allen Problemen eine Reduzierung der CO2-Emissionen ist, dies "scheint jedoch ein frommer Wunsch zu sein", sagt er.

Länder

Deutschland, Niederlande

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