Beibehaltung von W&T-Verbindungen mit Europa
Neben politischen Debatten und der Ausstellung modernster europäischer Technologie bot die Veranstaltung IST2006 vom 21. bis 23. November in Helsinki den Delegierten auch die Möglichkeit zum Ausbau internationaler Partnerschaften. Unter den zahlreichen Ständen waren Delegationen aus Russland, Indien, China, Singapur, Israel, dem Baltikum, den westlichen Balkanländern, Ägypten und Neuseeland vertreten, die bestehende Verbindungen zwischen ihren Regionen und Europa sowie Bereiche für eine weitere Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft und Technologie (W&T) aufzeigten. CORDIS-Nachrichten sprach mit Vertretern aus Südafrika und Kanada und befragte sie zu ihren Kooperationsbeziehungen zu Europa und ihren Erwartungen an neue Partnerschaften im Anschluss an die Teilnahme an IST2006. Seit Südafrika Anfang der 1990er Jahre zu einer völlig eigenständigen Demokratie geworden ist, arbeitet das Land an seiner Reetablierung in der Welt, indem es starke Beziehungen zu Europa und anderen Ländern aufbaut. "Eine der strategischen Prioritäten der Regierung war die Reintegration der südafrikanischen Forschungsgemeinschaft in die internationale Gemeinschaft", sagte der führende Europa-Beauftragte für Wissenschaft und Technologie Daan du Toit gegenüber CORDIS-Nachrichten. Hierzu unterzeichnete die Regierung Südafrikas im Jahr 1996 ein bilaterales W&T-Abkommen mit der EU. Ein wichtiger Bestandteil dieses Kooperationsabkommens war die Teilnahmeberechtigung für Südafrikaner am Forschungsrahmenprogramm der EU unter dem Abschnitt "Internationale Wissenschafts- und Technologiezusammenarbeit" (INCO) des RP4. Zehn Jahre später hat sich diese Beteiligung dank der Öffnung aller Themenbereiche für Drittländer unter dem RP6 ausgeweitet. Obwohl noch keine vollständigen Statistiken zur Verfügung stehen, geht du Toit von annähernd 200 südafrikanischen Beteiligungen vom RP4 bis zum RP6 aus. Zu den Themenbereichen mit südafrikanischer Beteiligung gehören Lebensmittelsicherheit und -qualität, Umwelt und nachhaltige Entwicklung sowie Biowissenschaften. Der Themenbereich IKT erwies sich du Toit zufolge jedoch als eine wesentlich härtere Nuss, obwohl die südafrikanischen Partner sehr um eine Beteiligung an Projekten bemüht waren und die Regierung beschlossen hat, diesen Bereich zu einer ihrer strategischen Schlüsselprioritäten zu erklären. Insgesamt waren südafrikanische Partner an nur fünf Projekten unter dem Bereich "Technologien der Informationsgesellschaft" (IST) des RP6 beteiligt. "Angesichts der Tatsache, dass wir von einem hinteren Platz gestartet sind, ist dies ein bescheidener, aber zufrieden stellender Anfang", sagte er. "Wir haben empirische Beweise dafür, dass Südafrika durch die Teilnahme an dem Rahmenprogramm seine W&T-Kapazität erhöht hat", so du Toit. Südafrika gibt derzeit 0,87 Prozent seines BIP für Forschung und Entwicklung (F&E) aus und möchte bis zum Jahr 2008 ein Prozent erreichen. Laut du Toit ist die begrenzte Teilnahme Südafrikas teilweise auf die Konzeption des RP6 zurückzuführen, das sich auf Spitzenleistungen und Wettbewerbsfähigkeit konzentriert. "Wir verstehen diese Philosophie und unterstützen sie uneingeschränkt", sagte er gegenüber CORDIS-Nachrichten und wies darauf hin, dass Südafrika sein eigenes Fachwissen in Projekte in Bereichen wie zum Beispiel ansteckende Krankheiten wie HIV/AIDS und Malaria eingebracht habe. Aber in Bezug auf IKT sagt er: "Wir haben in Südafrika gute Leute in diesem Sektor. Sie sind weder besser noch schlechter als beispielsweise Belgier oder Niederländer." Er ist jedoch der Meinung, dass die Entscheidung nicht schwer fällt, wenn sich beispielsweise ein in Deutschland ansässiges [Rahmenprogramm]-Konsortium zwischen einem Partner vom anderen Ende der Welt und einem in Österreich ansässigen gleichwertigen Partner entscheiden muss. Aus den Rückmeldungen, die während einer von der südafrikanischen Delegation organisierten Partnersitzung auf der IST-Veranstaltung eingegangen sind, schließt du Toit, dass die europäische Forschungsgemeinschaft offensichtlich nicht ausreichend darüber informiert ist, dass Südafrika am Rahmenprogramm teilnehmen kann. Europa und Südafrika sollten gemeinsam dafür verantwortlich sein, ihre jeweiligen Forschungsgemeinschaften für die Möglichkeiten von Partnerschaften unter dem RP6 und RP7 zu sensibilisieren und eine stärkere Beteiligung zu fördern, so du Toit. Vor diesem Hintergrund erstellte das südafrikanische Ministerium für Wissenschaft und Technologie mit Mitteln aus dem RP6 das "European South African Science and Technology Programme" (ESASTAP). Ziel dieser Initiative ist die Förderung von Vernetzung und Partnerschaften zwischen den beiden Regionen. Eines ihrer Instrumente ist ein Startkapitalfonds für südafrikanische Forscher, die am RP6 teilnehmen möchten. Mit dieser finanziellen Unterstützung können die Forscher ins Ausland gehen und etwaige Partnerschaftsmöglichkeiten sondieren. Die Initiative bietet außerdem Koinvestitonsfinanzierung für erfolgreiche südafrikanische Teilnehmer an RP6-Projekten, die von strategischer nationaler Bedeutung sind. "Wir wissen auch, dass wir uns besser verkaufen müssen, und darum sind wir hier", so du Toit. Er betrachtet die IST-Veranstaltung als eine großartige Möglichkeit, für das südafrikanische IKT-Fachwissen zu werben. Er wies darauf hin, dass die Stärken des Landes in Bezug auf Open-Source-Entwicklungen und E-Integration in den Bereichen Gesundheit und Bildung für Europa nützlich sein könnten. Auf die Frage, warum die W&T-Zusammenarbeit zwischen Europa und seinem Land so wichtig sei, stellte du Toit heraus, dass nur 0,5 Prozent der weltweiten F&E in Südafrika durchgeführt würde. "Daher müssen wir mit den Standorten in Verbindung bleiben, auf die die restlichen 99,5 Prozent entfallen." Europa braucht ebenfalls Verbindungen. "Mit der Erweiterung sind die Ziele der EU und Südafrikas näher zusammengerückt, weil wir uns in vielerlei Hinsicht mit denselben wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen auseinandersetzen", so du Toit. Ein weiteres Land - diesmal in der nördlichen Hemisphäre -, das die Vorteile einer engen Zusammenarbeit mit Europa sieht, ist Kanada. "Die Zusammenarbeit ist wichtig, weil wir diesen Weg nicht alleine gehen können", sagte Debbie Kemp von der kanadischen Nationalen Kontaktstelle (NKS) für IST gegenüber CORDIS-Nachrichten. "Die Zusammenarbeit erhöht die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg und/oder die Vermarktung von Forschung und bietet mehr Möglichkeiten." Patricia Ockwell, W&T-Beraterin in der Vertretung Kanadas bei der EU, stimmt zu: "Bei der Kooperation geht es darum, mit den Besten in einem bestimmten Bereich zusammenzuarbeiten. Warum sollte man Doppelarbeit durchführen, wenn man zusammenarbeiten und schneller zu einer Lösung und zu einem besseren Ergebnis gelangen kann?". Wie ihr südafrikanischer Kollege ist Ockwell der Ansicht, dass die Zusammenarbeit beiden Regionen das Bündeln ihrer Kräfte ermöglicht, um gemeinsame Herausforderungen wie die Überalterung der Bevölkerung und die ländliche Entwicklung anzugehen und somit die Risiken und die Vorteile zu teilen. "Wenn ich die Themenbereiche des RP6 betrachte, stelle ich fest, dass sie sehr stark mit den kanadischen übereinstimmen", ergänzte sie. Im Jahr 1995 unterzeichnete Kanada eine W&T-Kooperationsvereinbarung mit der EU, die den Forschern und Forschungsorganisationen des Landes die Beteiligung an Konsortien unter dem Forschungsrahmenprogramm der EU erlaubt. Wenn man sich die aktuellen Statistiken zur Beteiligung kanadischer Forscher ansieht, werden die Früchte dieser Vereinbarung offensichtlich. Allein unter dem RP5 gab es mindestens 75 gemeinsame kanadisch-europäische W&T-Projekte mit aktiver Beteiligung von etwa 80 kanadischen Forschern sowie mehreren hundert EU-Forschern. Von diesen 75 Projekten entfielen 28 auf den Bereich Technologien der Informationsgesellschaft (IST). Es nahmen insgesamt 38 kanadische Organisationen an dem IST-Programm des RP5 teil, wobei der Großteil der Organisationen dem öffentlichen Sektor angehörte (75 Prozent). Laut Stellungnahmen auf dem IST2006-Forum erbringt Kanada in den IKT-Bereichen E-Gesundheit, E-Zugänglichkeit und Robotik Spitzenleistungen. Das kanadische Fachwissen im Bereich Photonik wurde ebenfalls für die Entwicklung von Partnerschaften mit Europa vorgeschlagen. Dies ist nicht überraschend, denn Kanada besitzt das weltweit einzige volloptische nationale Hochgeschwindigkeitsnetz. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Regionen wurde im Laufe der Jahre durch Initiativen wie IST-EC vorangetrieben. Es handelt sich hier um ein gemeinsames kanadisch-europäisches Projekt in seiner zweiten Phase, dessen Ziel darin besteht, die europäischen und kanadischen Forschungsgemeinschaften in zentralen IST-Bereichen zu verbinden. Die Aktivitäten umfassen Partnerdienste und Kontaktbörsen. "Die beste Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit sind persönliche Treffen wie bei der IST-Veranstaltung", sagte Ockwell. "Diese sind sehr wichtig, weil wir nach Hause zurückkehren und in Kontakt bleiben können und gleichzeitig wissen, dass die Beziehung hergestellt ist und wachsen wird."
Länder
Kanada, Südafrika