Gene geben Aufschluss über versteckte afrikanische Abstammung der Briten
Ein Forscherteam hat erstmals nachgewiesen, dass der "einheimische" britische Genpool von afrikanischen Einflüssen durchzogen ist, die mindestens 250 Jahre zurückgehen. Die Studie wurde vom britischen Wellcome Trust und dem EU-geförderten EUROCORES-Projekt "The Origin of Man, Language and Languages" finanziert und ist im "European Journal of Human Genetics" online veröffentlicht. Rund acht Prozent der derzeitigen britischen Bevölkerung gehören ethnischen Minderheiten an, und über eine Million bezeichnen sich selbst als "Schwarze oder schwarze Briten", wie aus der letzten Bevölkerungserfassung hervorgeht. Die meisten dieser Gruppe können die Ankunft ihrer Familie in Großbritannien auf Mitte des 20. Jahrhunderts datieren, als viele Menschen aus Afrika oder der Karibik ins Land kamen. Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass bereits vor mehreren Jahrhunderten die ersten Afrikaner ins Land eingewandert sind. Einige der Soldaten, die vor 1 800 Jahren mit den Römern nach Großbritannien gekommen sind, waren Afrikaner, und es wird teilweise vermutet, dass die Wikinger im 9. Jahrhundert gefangene Afrikaner nach Großbritannien gebracht haben könnten. Während des Sklavenhandels im 16. Jahrhundert waren Bedienstete, Musiker, Unterhaltungskünstler und Sklaven aus Afrika keine Seltenheit. Jetzt haben Forscher eine ganz neue Entdeckung gemacht: An irgendeinem Punkt hat es ein afrikanisches Y-Chromosom geschafft, sich unter die "einheimische" britische Bevölkerung zu mischen. Forscher fanden dies im Rahmen einer Studie heraus, bei der die Verbindung zwischen Nachnamen und Y-Chromosomen, die beide vom Vater an den Sohn weitergegeben werden, untersucht wurde. Bei einer Person, die von den Forschern "Mr. X" genannt wurde, fand man eine seltene Version des Y-Chromosoms, die bis jetzt nur bei einer geringen Anzahl von Menschen westafrikanischen Ursprungs nachgewiesen wurde. Mr. X selbst sieht europäisch aus und ihm sind anscheinend keine familiären Verbindungen nach Afrika bekannt. Um herauszufinden, wann das Chromosom nach Großbritannien gelangt ist, kontaktierten die Forscher 18 Männer, die den gleichen Nachnamen wie Mr. X tragen. Nach Aussagen der Forscher handelt es sich um einen relativ seltenen Familiennamen und die meisten Personen mit diesem Namen weisen Verwandtschaftsbeziehungen zum östlichen Teil der Region Yorkshire auf. Bei sechs der untersuchten Männer stellte sich heraus, dass sie das seltene afrikanische Chromosom ebenfalls in sich tragen, und Nachforschungen zum Stammbaum weisen darauf hin, dass das Chromosom vor mindestens 250 Jahren in ihre Abstammungslinie gelangt ist. Allerdings wissen die Forscher laut eigenen Aussagen noch nicht, ob das Chromosom über einen afrikanischen Einwanderer der ersten Generation oder einen Europäer, der Träger des Chromosoms war, eingeführt wurde. "Diese Studie zeigt, dass es kompliziert ist, genau zu definieren, was Britischsein ausmacht, und das auch schon immer so war", so Professor Mark Jobling von der Universität Leicester, einer der Mitverfasser der Studie. "Die Geschichte der Migration der Menschen ist eindeutig sehr komplex - insbesondere bei einem Inselstaat wie dem unseren. Unsere Studie widerlegt die These noch mehr, dass es einheitliche und eindeutige Bevölkerungsgruppen oder Rassen gibt." Die Forschungsergebnisse haben auch Auswirkungen auf die Arbeit von Gerichtsmedizinern, die häufig DNS-Profile bei der Untersuchung von Kriminalfällen erstellen. "Gerichtsmediziner führen DNS-Analysen, zum Beispiel anhand von Haar- oder Blutproben, durch, die am Tatort entnommen wurden, um die ethnische Herkunft einer Person zu bestimmen", erklärte Professor Jobling. "Während sie mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine breite DNS-Analyse, bei der das Y-Chromosom nicht untersucht wird, die korrekte ethnische Zugehörigkeit voraussagen dürften, würde es ihnen vermutlich Kopfzerbrechen bereiten, wenn sie auf dieses außergewöhnliche afrikanische Chromosom stießen."
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