Es lebe der Unterschied und die Vielfalt!
Europas erste Astronautin, Claudie Haigneré, war in Brüssel als Vorsitzende der Jury, die die Gewinner des diesjährigen Descartes-Preises für Exzellenz in der wissenschaftlichen Forschung auswählt. Am Vorabend des Internationalen Frauentags hatte CORDIS-Nachrichten die Gelegenheit, mit ihr über Frauen in den Wissenschaften zu sprechen, einem Thema, das sie genauestens kennt. Laut Haigneré begännen die Probleme von Frauen in der Wissenschaft an zwei wichtigen Punkten ihrer Karrieren. Der erste Moment ist direkt zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn und der zweite, wenn sie in der Karriereleiter auf entscheidungstragende Positionen gelangen. Bevor sich Frauen überhaupt für eine wissenschaftliche Karriere entscheiden, erscheint ihnen diese als zu langwierig, zu schwer und als zu isoliert für sie. Haigneré sagte: "Das Image einer wissenschaftlichen Karriere ist das nicht mehr aktuelle und archaische Bild eines Forschers im Labor, der alleine vor einem Computer arbeitet." "Ich habe oft Frauen getroffen, die sich nicht in die Wissenschaften vorwagten, weil sie den Beruf als zu schwer und zu isoliert ansahen. Deshalb wählten sie andere Wege und die Wissenschaft verliert damit Talente aus 50 % der Weltbevölkerung", sagte sie. "Unsere Großmütter kämpften darum, die Tore zu öffnen, die den Frauen einst verschlossen waren. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Türen sind aufgeschlossen. Wir müssen sie nur noch aufmachen. Wir müssen es einfach tun. Mädchen haben sehr gute Schul- und Abiturergebnisse, besser als Jungen. Aber sie fühlen nicht, dass sie gut sind oder es fehlt ihnen an Selbstvertrauen, um lange Studiengänge zu verfolgen. Sie müssen also Vertrauen gewinnen und sich dann ihr Leben leichter machen, wenn sie die Laufbahn eingeschlagen haben", fügte sie hinzu. Die Lösung wäre dann, das Image der Wissenschaften als eine berufliche Laufbahn zu modernisieren, sagt Haigneré. "Wir müssen das wahre Gesicht der Forschung verbreiten. Wozu dient Forschung? Forschung dient der Entdeckung. Jeden Tag staunen, wenn die Forschung Lösungen auf Fragen und Probleme findet. Damit ist Wissenschaft nicht von der Gesellschaft isoliert, sie dient und nutzt ihr", sagte sie. "Wir müssen die Begeisterung für Forschung und Wissenschaft anschüren." Wenn sich Frauen für eine Karriere in der Forschung entscheiden, wählen sie meist Biowissenschaften oder einen wissenschaftlichen Lehrberuf, da sie dadurch in ein soziales Umfeld integriert werden. Der zweite Problembereich betrifft das Stadium der Beförderungen, wo die Entscheidungsträger immer noch fast ausschließlich Männer sind, und das bedeutet, dass Frauen nicht so schnell befördert werden wie Männer. Außerdem übernehmen Frauen auch heute noch traditionelle Rollen innerhalb von Paaren, mehr als Männer, und sind meist auch noch für die Kindererziehung zuständig, was neben der beruflichen Arbeit schwer zu bewältigen ist. Zu ihrer eigenen Erfahrung sagte Haigneré: "Es gab Zeiten in meiner Laufbahn, wo es hart war, Berufs- und Privatleben auszubalancieren." "Frauen brauchen ihre Ehemänner, Familie und Strukturen, die sie unterstützen, sodass sie ihre berufliche Karriere einfacher integrieren können", fuhr sie fort. Zum Geschlechterunterschied sagte sie: "Es stimmt schon, dass Männer und Frauen unterschiedlich arbeiten und Frauen nicht zu Männern werden müssen. Sie müssen ihre Eigenart behalten. Aber wir müssen die Arbeit so organisieren, dass sie komplementär, synergetisch und effizient ist. Und ich hatte immer die Möglichkeit, dies zu tun. Die Art zu arbeiten verändern, denn Frauen müssen sich nicht in eine männliche Schablone pressen. Frauen haben ihre eigenen Qualitäten, ihre Unterschiede. Aber wir müssen zusammenarbeiten, mit unseren Unterschieden und unserer Vielfältigkeit, um gemeinsam das angestrebte Ziel zu erreichen." Es gibt allerdings auch positive Zeichen für eine Veränderung. "Ich denke, die Dinge laufen in die richtige Richtung in Europa und in Frankreich, aber es ist ein langsamer Prozess. Es gibt ein paar weibliche Rollenmodelle in hohen Positionen. In Frankreich zum Beispiel haben wir Frauen in führenden Positionen am INRIA und am CNRS." Haigneré argumentiert, jetzt sei die Zeit reif, den erreichten Fortschritt weiterzuführen und zu erweitern.
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