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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Forum zur Zukunft der geistigen Eigentumsrechte will Gemeinschaftspatent vorantreiben

Der für Unternehmens- und Industriepolitik zuständige Kommissionsvizepräsident Günter Verheugen, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsident des Europäischen Patentamts (EPA) Alain Pompidou plädierten im Rahmen des Europäischen Patentforums am 18. und 19. April leidenschaf...

Der für Unternehmens- und Industriepolitik zuständige Kommissionsvizepräsident Günter Verheugen, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsident des Europäischen Patentamts (EPA) Alain Pompidou plädierten im Rahmen des Europäischen Patentforums am 18. und 19. April leidenschaftlich für eine Reform des europäischen Systems zum Schutz geistigen Eigentums. Heute bezweifelt niemand mehr, dass der Schutz des geistigen Eigentums (intellectual property - IP) vor enormen Veränderungen steht. So hat das EPA kürzlich ein Projekt abgeschlossen, das vier mögliche Szenarios der Patentwelt skizziert, in denen Wirtschaft, Geopolitik, Gesellschaft und Technologie als die vier vorherrschenden Einzelmotoren fungieren. Auch wenn es unterschiedliche Ansichten gibt, wie geistiges Eigentum in Zukunft geschützt werden könnte und sollte, sprachen sich alle Redner auf dem Forum in München für eine schnellstmögliche Einführung eines Gemeinschaftspatents in Europa aus. Derzeit ist aufgrund der Fragmentierung eine Patentanmeldung in Europa elf Mal so teuer wie in den USA. Gleichzeitig dürfte es Europa aufgrund der Globalisierung und neuen Wettbewerber immer schwerer fallen, seine Ideen zu schützen und in Zukunft international wettbewerbsfähig zu bleiben. "Jeder Politiker in Europa, der dies für richtig hält, soll zu mir kommen und mich darauf ansprechen. Es ist nicht richtig", sagte Verheugen. "All die, die einer effizienten Patentpolitik im Wege stehen, fügen nicht nur Europa Schaden zu, sie schaden auch sich selbst", erklärte Verheugen in seiner sehr engagierten Rede. Die Diskussion über die Einführung eines Gemeinschaftspatents, die schon seit 1975 im Gange ist, wurde ganz wesentlich durch die Meinungsverschiedenheiten über die notwendige Sprachenregelung blockiert. Verheugen zeigte sich heuer jedoch optimistischer als in der Vergangenheit und erklärte gegenüber Journalisten, dass er mit der Einführung des Gemeinschaftspatents im Laufe der nächsten fünf Jahre rechne. "Ein Gemeinschaftspatent hat aber nur dann einen Wert, wenn es auch wirklich bestimmten Anforderungen entspricht. Die Stichworte, die wir hier einfordern müssen, lauten 'einheitlich', 'rechtssicher' und 'erschwinglich'", sagte die Bundeskanzlerin. Viele Beteiligte am IP-Prozess weisen schon seit langem darauf hin, dass ein System, in dem jeder Patentantrag in alle EU-Amtssprachen übersetzt werden muss, wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. "Wir sind immer so stolz auf unsere Vielfalt in Europa. Beim Gemeinschaftspatent müssen wir die Vielfalt aber auch ein Stück reduzieren. [...] So, wie es ist, darf es nicht mehr bleiben, sondern es muss vorangehen", sagte Merkel. Diese Ansicht teilte auch der Kommissar, der "permanent überrascht" sei, dass "die [Mitgliedstaaten] oft zusammenarbeiten, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, es aber nicht tun, wenn es unerlässlich ist. Geistige Eigentumsrechte sind ein gutes Beispiel, ebenso wie Außen- und Sicherheitspolitik." Der neue Anstoß kommt von zwei Seiten: Das EPA und die Europäische Kommission drängen auf die Unterzeichnung des London-Protokolls, und die Kommission hat eine Mitteilung veröffentlicht, in der die Schaffung einer integrierten unionsweiten Patentgerichtsbarkeit mit Streitregelungskompetenzen als Grundlage eines Gemeinschaftspatents dargestellt wird. Das London-Protokoll würde, sofern es unterzeichnet wird, die Regelung, dass jeder europäische Patentantrag in die jeweilige Landesprache übersetzt werden muss, ganz oder teilweise aufheben. In der Praxis würde das bedeuten, dass europäische Patentinhaber keine Übersetzung der Spezifikationen eines Patents mehr erstellen müssten, das aus einem Unterzeichnerstaat des Zusatzübereinkommens zum Europäischen Patentübereinkommen, des Londoner Protokolls, stammt und in einer der drei EPA-Amtssprachen (Französisch, Deutsch oder Englisch) vorliegt. Falls das Patent nicht in einer der EPA-Sprachen verfügbar ist, muss der Antragsteller eine komplette Übersetzung der Spezifikationen in die Landessprache vorlegen. Mit dieser Vereinbarung würden die Übersetzungskosten pro Patentantrag um 45 Prozent bzw. etwa 3 000 EUR sinken. EPA-Präsident Alain Pompidou sagte auf dem Forum, er gehe davon aus, dass Frankreich das London-Protokoll bis Jahresende ratifizieren werde. Die Mitteilung der Kommission schlägt die Schaffung einer EU-weiten integrierten Patentgerichtsbarkeit vor, die Elemente des Entwurfs für ein Europäisches Übereinkommen über Patentstreitigkeiten (European Patent Litigation Agreement - EPLA), das auf die Reduzierung der Streitschlichtungskosten abzielt, mit Elementen einer Gemeinschaftsgerichtsbarkeit auf der Grundlage des EG-Vertrags vereint. Die Mitgliedstaaten konnten in der Vergangenheit keine Einigung erzielen, welches Streitregelungssystem angewendet werden soll. Das System sieht die Einrichtung einer Reihe von Panels vor, die EU-weit Patentstreitigkeiten, einschließlich Streitigkeiten wegen angeblicher Verstöße gegen das Patentrecht, schlichten. Berufungen würden vor einem einzigen Gericht gehört, wahrscheinlich dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften. In Bezug auf das Streitschlichtungssystem sagte Verheugen: "Ich finde es befremdlich, dass wir zwar ein europaweites System für Patentanträge und -entscheidungen haben, aber kein gemeinsames Streitschlichtungssystem." Die Mitteilung basierte auf einer offenen Konsultation und rief gemischte Reaktionen hervor. Zumeist wurde die Vermeidung der Übersetzungsfrage kritisiert, aber, so Verheugen in München, "die Anzahl der Maßnahmen auf europäischer Ebene darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kompetenzen der Europäischen Kommission bei der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vergleichsweise begrenzt sind. Besonders schwach sind die Zuständigkeiten im Patentrecht ausgestaltet. Es liegt daher vor allem in der Hand der Mitgliedstaaten, einen Rahmen zu schaffen, in dem Patente und Innovationen geschaffen und geschützt werden können", sagte er. In der Zwischenzeit hat das EPA eingehend untersucht, wie sich das Patentsystem in Zukunft voraussichtlich ändern wird. "Was immer die Zukunft auch bringen mag, wir brauchen unbedingt eine schnelle und robuste Anpassung an das sich ändernde Umfeld. Das EPA muss sich selbst neu erfinden, wenn es ein wichtiger Akteur bleiben will", mahnte Professor Pompidou. Der EPA-Präsident beschrieb das Dokument zu den "Zukunftsszenarios" als "intellektuell erfrischend" und wies darauf hin, dass diese Bewusstseinsbildung seitens des EPAs die Reife der Institution im Jahr ihres 30. Geburtstags illustriert. Rafael Ramirez von der Universität Oxford fungierte als Berater bei der Erarbeitung der vier Szenarios. "Szenarios", so Ramirez, "zeigen das, was mit einem passiert, nicht das, was man selbst tut". Er fügte hinzu, dass er seit 27 Jahren an Szenarios arbeite und dass man die IP-Szenarios nicht besser hätte machen können. In den vier Szenarios sind Wirtschaft, Geopolitik, Gesellschaft und Technologie die Antriebskräfte für die Patentierung. Im Szenario "Market Rules" werden neuartige Dinge patentierbar, zum Beispiel Dienstleistungen, und mehr Akteure betreten die Bühne. Das Gleichgewicht der Macht wird von multinationalen Konzernen gehalten, die über die notwendigen Ressourcen verfügen, um leistungsstarke Patentportfolios auszubauen, die ihre Rechte zunehmend gerichtlich durchsetzen und die Patent-Agenda festlegen. Im Szenario "Whole Game?" versäumen es die Industriestaaten zunehmend, geistige Eigentumsrechte zu nutzen, um ihre technologische Vormachtstellung zu sichern, während neue Akteure ins Spiel einsteigen und aufzuholen versuchen, um den Lebensstandard ihrer Bürger zu erhöhen. In diesem Szenario bekämpfen sich Nationen und Kulturen, wobei geistiges Eigentum zu einer mächtigen Waffe wird. Die neuen Akteure gestalten das System immer erfolgreicher und nutzen es, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, und ändern seine Regeln in dem Maße, wie ihr geopolitischer Einfluss wächst. Die Durchsetzung wird immer schwieriger und die IP-Welt wird immer fragmentierter. Im dritten Szenario, "Trees of Knowledge", sind breite Bewegungen (Zusammenschlüsse der Zivilgesellschaft, von Unternehmen, betroffenen Regierungen und Einzelpersonen) die wichtigsten Akteure. Durch den Schwerpunkt der Zusammenschlüsse wird sichergestellt, dass Wissen ein Gemeinschaftsgut bleibt. "Blue Skies", das vierte und letzte Szenario, geht von einer Kluft im Patentsystem aus. Die wichtigsten Akteure sind Technokraten und Politiker, die auf globale Krisen reagieren. Komplexe neue Technologien auf der Basis eines hoch kumulativen Innovationsprozesses gelten als der Schlüssel zur Lösung systemischer Probleme wie dem Klimawandel. Die Verbreitung von Technologien in diesen Bereichen hat oberste Priorität und die IP-Bedürfnisse dieser neuen Technologien geraten zunehmend in Konflikt mit den Bedürfnissen der klassischen, eigenständigen Technologien. Wenngleich die Teilnehmer des Forums die sehr realen Möglichkeiten, die jedem dieser Szenarios inne wohnen, erkannten, hielten einige der Zuhörer die Szenarios für fatalistisch. Die designierte Präsidentin des EPA, Alison Brimelow, ist alles andere als fatalistisch. Sie versprach, das Szenario-Projekt auch weiterhin zu verfolgen. "Die Probleme werden nicht einfach verschwinden. Ich habe Ihnen versprochen [...] dass wir das, was auf uns zukommt, aktiv angehen", sagte sie dem Forum. Auch die wichtigsten europäischen Entscheidungsträger sind nicht untätig. "Das derzeitige System ist die Folge unserer eigenen Kurzsichtigkeit. Das Mindeste, was wir erwarten können, ist, dass wir unsere Fehler wieder gutmachen. Wir kennen unsere Schwächen, wir wissen, was zu tun ist", so Verheugen. Merkel erwähnte die Absicht, eine EU-Charta zum Umgang mit geistigem Eigentum einzurichten und versprach, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft werde "mit großem Elan" auf die Umsetzung zunächst des London-Protokolls und dann des Gemeinschaftspatents dringen. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", schloss sie.

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