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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Insektenroboter liefern neue Erkenntnisse über die Entscheidungsfindung von Insekten

Ein von der EU finanziertes Projekt hat Theorien über das kollektive Verhalten von Insekten in der Praxis überprüft. Als "Probanden" dienten Kakerlaken. Im Rahmen des LEURRE-Projekts haben Wissenschaftler autonome Miniroboter in die Insektengruppe eingeschleust und deren Inter...

Ein von der EU finanziertes Projekt hat Theorien über das kollektive Verhalten von Insekten in der Praxis überprüft. Als "Probanden" dienten Kakerlaken. Im Rahmen des LEURRE-Projekts haben Wissenschaftler autonome Miniroboter in die Insektengruppe eingeschleust und deren Interaktionen analysiert. Laut einem in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Bericht zeigte das Experiment, dass die Selbstorganisationsmuster und dadurch die Entscheidungsfindung der Kakerlaken von den Robotern beeinflusst und gesteuert werden können, sobald die insektenähnlichen Mikroroboter ("Insbots") in die Kakerlakengesellschaft integriert sind. Damit die Roboter von den Insekten als ihresgleichen betrachtet werden, wickelten die Wissenschaftler die Roboter in Papier, das mit einer chemischen Subtanz beträufelt war, einer Art Pheromon, das die Insekten nutzen, um sich gegenseitig zu erkennen. Es gab keinerlei physische Ähnlichkeit zwischen den "Kakerlakenrobotern" und den Insekten. Um herauszufinden, ob die Insekten und die Insbots tatsächlich interagieren, errichteten die Forscher eine Art Arena mit zwei Unterständen, zwischen denen die Gruppe wählen konnte. "Im ersten Experiment waren die Unterstände absolut identisch", erklärte der an der Freien Universität Brüssel tätige Wissenschaftler Dr. Jose Halloy, dessen Fachgebiet die theoretische Biologie ist, in einem Interview mit Science. "Würden die Kakerlaken ihren Unterstand zufällig wählen, würden 50 Prozent auf der einen und 50 Prozent auf der anderen Seite landen. Aber in diesem Fall entschieden sich 90 Prozent der Kakerlaken für denselben Unterstand, was bedeutet, dass sie ihn als Gruppe gewählt haben." In einer zweiten Versuchsanordnung ließen Dr. Halloy und seine Kollegen der gemischten Gruppe aus Insekten und Robotern die Wahl zwischen einem dunklen und einem helleren Unterstand. "Kakerlaken ziehen von Natur aus dunklere Ecken vor", erklärte Dr. Halloy. Dann manipulierten die Forscher die Roboter so, dass sie die helleren Unterstände bevorzugten. Damit versuchten sie, die kollektive Entscheidungsfindung des Systems zu beeinflussen - was ihnen auch einige Male gelang. Ansonsten folgten die Roboter den Kakerlaken jedoch in den dunklen Unterstand. "Die Roboter wurden von dem System aufgrund der sozialen Interaktion in den dunklen Unterstand getrieben", erklärte Dr. Halloy. "Dasselbe galt für die Kakerlaken: Auch wenn sie eigentlich dunklere Orte bevorzugen, so beachten sie doch die Anwesenheit anderer - auch der Roboter. Sie begeben sich dann einzig aufgrund der sozialen Interaktion zu dem hellen Unterstand, nicht aufgrund einer persönlichen Vorliebe." Statistisch gesehen entschieden sich die Insbots allerdings zu 60 Prozent für den hellen Unterstand. Die Wissenschaftler gelangten zu der Schlussfolgerung, dass das Verhalten von Gruppentieren anhand von intelligenten, autonomen Instrumenten untersucht und gesteuert werden kann. "Ingenieure sind sehr daran interessiert, autonome Systeme, also Robotergruppen, zu bauen, die Probleme lösen können", so Dr. Halloy. "Der nächst Schritt wird sein, Gruppen künstlicher Systeme und Tiere zusammenzubringen, die kooperieren können, um Probleme zu lösen. Das heißt, die Maschinen hören zu und nehmen wahr, was die Tiere tun, und die Tiere nehmen die Maschinen war und verstehen, was diese ihnen mitteilen." Im praktischen Leben könnten Roboter, wie sie im LEURRE-Experiment verwendet wurden, in der Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, indem sie die Insekten in Fallen locken. In größeren Varianten könnten sie sogar Vieh hüten, erläuterte Dr. Daniela Rus vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. Darüber hinaus könnte das LEURRE-Projekt neue Erkenntnisse über die mögliche Nutzung des Konzepts der Selbstorganisation zur Koordinierung autonomer Systeme aus mehreren Robotern, wie Roboterschwärme, liefern, die Selbstorganisation als wichtigsten Koordinierungsmechanismus nutzen. Das LEURRE-Projekt ist mit einem Gesamtbudget von zwei Millionen Euro ausgestattet. Davon stellte die EU unter dem Fünften Rahmenprogramm 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.