Rettet unsere Denkmäler! Wissenschaftler warnen vor Auswirkungen des Klimawandels auf kulturelles Erbe
Wissenschaftler des EU-finanzierten Projekts Noah's Ark (Arche Noah) haben einen dringenden Appell an die Politik gerichtet, das kulturelle Erbe der Welt vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Das Projekt, das im Laufe dieses Jahres beendet wurde, hat enthüllt, dass Statuen, Gebäude und Denkmäler, die unser kulturelles Erbe darstellen, als Folge des Klimawandels stärker Schaden nehmen werden. Obwohl das Projektteam seine Ergebnisse an den Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) weitergeleitet hat, kommt das kulturelle Erbe in der jüngsten Reihe von Berichten des Ausschusses nicht vor. "Der vierte IPCC-Bericht schenkt dem kulturellen Erbe keine Beachtung. Das ist meiner Meinung nach ein Skandal!", sagte Projekt-Koordinatorin Cristina Sabbioni vom italienischen Nationalen Forschungsrat. Professorin Sabbioni zufolge seien die Feinde des kulturellen Erbes Wasser (sowohl Niederschlag als auch relative Luftfeuchtigkeit), Temperatur, Wind und Verschmutzung. Zu den Auswirkungen dieser Faktoren auf Bauwerke gehören Salzkristallisierung, Risse, Oberflächenrezession, biologische Angriffe, Schwärzung, Zerstörung oder teilweiser Zusammenbruch sowie Überflutung. Die Projektpartner von Noah's Ark verwendeten Klimamodelle für die Vorhersagen, wie sich Veränderungen von Temperatur und Niederschlagsmustern sowie Umweltfaktoren wie Schadstoffe sich in Zukunft auf Europas kulturelles Erbe auswirken könnten. Sie haben dann einen Atlas zur Schadensanfälligkeit (Vulnerability Atlas) entwickelt, um Interessengruppen bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung in ihrem Land oder in ihrer Region zu unterstützen und Maßnahmen zum Schutz ihrer historischen Gebäude und Sammlungen einzuleiten. Bei der Präsentation ihres Projekts auf dem Europäischen Forum für Wissenschaftsjournalismus (European Forum on Science Journalism) in Barcelona, Spanien, erklärte Professorin Sabbioni, wie Umweltfaktoren sich auf unterschiedliche Materialien auswirken. Salzkristallisierung tritt auf, wenn die relative Luftfeuchtigkeit unter 75,5% fällt. Sie wirkt sich auf das Aussehen von Denkmaloberflächen aus und führt zu Rissen. Dem Atlas zufolge sind detailreiche gotische Bauwerke aus weichem, porösem Stein besonders anfällig dafür. Da die relative Luftfeuchtigkeit im Sommer voraussichtlich sinken wird, wird Salzkristallisierung im Laufe des nächsten Jahrhunderts in Europa zunehmen. Veränderungen der Temperaturen und Niederschlagsmuster werden die biologischen Organismen beeinflussen (Flechten, Algen und Bakterien), die auf unseren Denkmälern wachsen. Die Organismen haben sowohl einen ästhetischen (durch Verfärbung) und einen strukturellen (Zerfall der Materialien) Effekt auf Denkmäler. Aus den Projektergebnissen geht hervor, dass sich in Nordeuropa eine Zunahme, in Südeuropa dagegen eine Abnahme des biologischen Wachstums bemerkbar machen wird. Karbonatgestein wie Marmor und Kalkstein wurde in Monumenten in ganz Europa verwendet. Dazu gehören das Kolosseum, das Parthenon und die Westminster Abbey. Dieses Gestein reagiert empfindlich auf einen Prozess, der als Oberflächenrezession bekannt ist und bei dem Regen den Stein regelrecht wegwäscht. Mitteleuropa, Norwegen, das nördliche Vereinigte Königreich und Spanien werden in Zukunft wahrscheinlich am meisten unter diesem Phänomen leiden. Eine weitere Bedrohung für Steinmonumente, besonders für die aus Marmor, sind Temperaturschwankungen. Große, tägliche Temperaturschwankungen verursachen Ausdehnung und Kontraktion der Mineralkörner, aus denen der Stein besteht, was zur Entstehung von kleinen Rissen und zu Absplitterung führt. Der Atlas zeigt, dass der Mittelmeerraum in den nächsten Dekaden weiterhin das größte Risiko für Temperaturschwankungen aufweisen wird, während es in Mitteleuropa zunehmen wird. Nach Ablauf des Projekts muss Professorin Sabbioni nun die weitest mögliche Verbreitung seiner Ergebnisse sicherstellen, sodass die Kuratoren unseres kulturellen Erbes ihre Konservierungsstrategien anpassen können, um den Klimawandel mit zu berücksichtigen. "Das kulturelle Erbe ist eine nicht erneuerbare Ressource, die an die künftigen Generationen weitergereicht werden muss", sagte Professorin Sabbioni. "Wenn wir unsere Wurzeln erhalten wollen, müssen wir sie schützen." Das Projekt Noah's Ark wurde im Rahmen der Maßnahme "Politikorientierte Forschung" des Sechsten Rahmenprogramms mit 1,18 Millionen Euro finanziert.