Pharmakogenetik verbessert Lebensqualität von Patienten
Die Pharmakogenetik beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Arzneimitteln und Genetik und erlangt in der modernen Forschung immer mehr Bedeutung. Wissenschaftlern zufolge kann eine gezielte genetische Diagnostik zur Herstellung sichererer Arzneimittel beitragen. Die Europäische Wissenschaftsstiftung (EWS) unternahm zusammen mit der Universität Barcelona in Spanien Anstrengungen, um führende Wissenschaftler näher an das Fachgebiet Pharmakogenetik heranzuführen. Auf einem vor kurzem in der spanischen Küstenregion Costa Brava organisierten Forum erklärten Wissenschaftler, dass weitere Fortschritte in der Pharmakogenetik Arzneimittelnebenwirkungen senken und die Entwicklung von Arzneimitteln beschleunigen könnten. Nicht zuletzt können sich die Forscher dadurch auch ganz auf die aussichtsreichsten Wirkstoffe konzentrieren und ungeeignete Entwicklungen aussondern. Von diesen Bemühungen werden Wissenschaftler und Patienten profitieren. Für die Patienten ist der Fortschritt der Pharmakogenetik wichtig, weil sich die Wissenschaft nun mit der Entwicklung individualisierter Medikamente für die Betroffenen befasst. Die Medikamente und Therapien werden auf den individuellen Bedarf und die genetische Ausstattung des einzelnen Patienten maßgeschneidert, so die EWS. Dabei ist die Erforschung der unterschiedlichen Medikamentenwirkungen und Reaktionen des Patienten im Hinblick auf seine genetische Veranlagung entscheidend, erklärten die Wissenschaftler. "Die Konferenz hat bestätigt, dass wir durch geeignetes Studiendesign, z.B. randomisierte kontrollierte Studien, die Komplexität der verschiedenen Reaktionen auf Medikamente enthüllen können", erklärte Professor Munir Pirmohamed von der Universität Liverpool, Vereinigtes Königreich. "Mithilfe neuer Technologien wie der genomweiten Analyse können wir neue und bekannte genetische Veranlagungen identifizieren", fügte der Konferenzleiter hinzu. Professor Pirmohamed sagte, dass verschiedene Faktoren Auslöser von unerwünschten Nebenwirkungen wie Immunantworten, Wirkstofftransport und unerwartete Stoffwechselprozesse sind und dass sich diese Nebenwirkungen prinzipiell in zwei Kategorien unterteilen lassen: in Typ A und Typ B. "Die Mehrheit der unerwünschten Nebenwirkungen (80% - 90%) gehört zu Typ A - sie sind aufgrund der bekannten pharmakologischen Wirkung vorhersehbar, dosisabhängig und lassen sich reduzieren, indem man die Dosis senkt oder exakt auf den Patienten abstimmt", sagte er. Der Forscher der Universität Liverpool veranschaulichte seine Ausführungen am Beispiel des Blutgerinnungshemmers Warfarin, der die Bildung von Blutgerinnseln verhindert. Ohne Gerinnung kann ein Patient jedoch verbluten. Deshalb muss die Dosierung so abgestimmt werden, dass der Patient weder an Blutgerinnseln stirbt, noch verblutet. Pharmakogenetik macht dies möglich. "Genetische Faktoren können hier äußerst wichtig sein", erläutert er. Die anderen unerwünschten Nebenwirkungen sind Typ B zuzuordnen. Sie können den Experten zufolge abhängig von der genetischen Veranlagung sein oder bei allen Patienten auftreten, die dieses Arzneimittel einnehmen. Typ-B-Reaktionen lassen sich nur schwer durch Tierversuche oder andere Testmethoden dingfest machen, sagten sie. Die Pharmakogenetik kann Typ-B-Reaktionen aufdecken, die tödlich verlaufen könnten, auch dort, wo die Gedächtniszellen des Immunsystems involviert sind, erklärten die Forscher auf der EWS-Konferenz. "Das Immunsystem spielt bei Nebenwirkungen eine wichtige Rolle und im Mittelpunkt dieser Konferenz standen bestimmte Veranlagungen für immunbedingte Reaktionen", erklärte Professor Pirmohamed. Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz war das humane Leukozytenantigen(HLA)-System. Dieses System steuert nicht nur die Produktion und Wirkungsweise von Immunproteinen, sondern ist auch für Variationen bei Immunantworten verantwortlich, die einen populationsübergreifenden Schutz vor Krankheiten vermitteln können und Abstoßungsreaktionen bei Blutunverträglichkeit, Geweben oder Organen bewirken, so die EWS. "Sowohl die Konferenz als auch die Ergebnisse der letzten Jahre bestätigten wieder einmal, dass das HLA-System entscheidend die Veranlagung für immunbedingte Nebenwirkungen mitbestimmt", kommentierte Professor Pirmohamed.