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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Neuer Ansatz gegen Schikane auf dem Schulhof sehr erfolgreich

Schikaniert zu werden kann für das als Opfer dastehende Kind, allerdings auch für den Täter, einen erheblichen Einfluss auf die physische und geistige Gesundheit haben. Ein schulisches Umfeld, das eigentlich zum Lernen und Aufwachsen für ein Kind vorgesehen ist, kann sich in e...

Schikaniert zu werden kann für das als Opfer dastehende Kind, allerdings auch für den Täter, einen erheblichen Einfluss auf die physische und geistige Gesundheit haben. Ein schulisches Umfeld, das eigentlich zum Lernen und Aufwachsen für ein Kind vorgesehen ist, kann sich in ein regelrechtes Gefängnis, in einen Ort riesiger Ängste, Aggressionen und sozialen Rückzuges verwandeln. Die bei einer im Vereinigten Königreich und in den USA von Experten durchgeführten Studie erzielten Ergebnisse geben Anlass zu der Hoffnung, dass CAPSLE ("Creating a peaceful school learning environment") eine Methode sein könnte, um dieses destruktive Verhalten auf dem Schulhof und in den Klassenzimmern zu reduzieren oder es sogar völlig von dort zu verbannen. Die aus den vom University College London (UCL) im Vereinigten Königreich sowie dem Baylor College of Medicine und der Universität Kansas in den USA durchgeführten Studien gezogenen Schlussfolgerungen wurden vor kurzem im Journal of Child Psychology and Psychiatry veröffentlicht. Wie der führende Autor Professor Peter Fonagy erklärte, seien, obwohl Programme zur Bekämpfung des Schikanierens weltweit in Schulen eingesetzt würden, nur wenige von diesen in Hinsicht darauf getestet worden, ob sie nun Verbesserungen bringen oder nicht. Außerdem gebe es nur wenige Programme, die speziell der Rolle des Zuschauers bei Schikane-Szenarien Aufmerksamkeit widmen. "CAPSLE ist ein psychodynamischer Ansatz, der auf die gemeinsam erzeugte Beziehung zwischen Täter, Opfer und Zuschauern ausgerichtet ist und davon ausgeht, dass alle Mitglieder der Schulgemeinschaft, auch die Lehrer, eine Rolle beim Schikanieren spielen," erklärte Professor Fonagy, Leiter des Research Department of Clinical, Educational and Health Psychology am University College London. "Der Ansatz zielt auf eine Verbesserung der Fähigkeit aller Mitglieder der Gemeinschaft zum gegenseitigen mentalen Verständnis ab, d. h. zur Interpretation des eigenen Verhaltens und des Verhaltens der anderen hinsichtlich mentaler Zustände (Überzeugungen, Wünsche, Gefühle), wobei vorausgesetzt wird, dass eine bessere Wahrnehmung der Gefühle anderer Menschen der Versuchung entgegenwirkt, Mitmenschen zu schikanieren." Die auf drei Jahre angelegte randomisierte kontrollierte Studie (RKS) fand in 9 Grundschulen einer Stadt im mittleren Westen der USA mit nahezu 1.500 Schülern im Alter von 8-11 Jahren (in der dritten bis fünften Klasse) statt. Bei einer Bewertung der Wirksamkeit von CAPSLE wurden diese Schulen in der Studie mit Schulen verglichen, an denen keine Intervention stattfand, bzw. an denen schulpsychiatrische Konsultationen (SPC) zum Einsatz kamen, bei denen die Kinder mit den extremsten Verhaltensproblemen eingeschätzt und beraten werden. Das CAPSLE-Programm wurde über einen Zeitraum von sieben Jahren von Professor Stuart Twemlow vom Baylor College of Medicine's Psychiatry and Behavioral Sciences Department entwickelt und von 1999 bis 2001 weiter verfolgt. Der Schwerpunkt des CAPSLE-Programms liegt in der Entwicklung von Fähigkeiten zur Entwicklung mentalen Verständnisses in der gesamten Schulgemeinschaft mithilfe der Einbindung der Schüler und Lehrer in ihre potenzielle Rolle als Zuschauer. Dabei geht es darum, über das übliche Rollenverständnis Täter-Opfer hinaus zu denken. Innerhalb der RKS erhielten die Schüler beispielsweise Unterricht in Selbstverteidigung, um ihr Verständnis dafür zu schärfen, wie sie selbst als Opfer einer Schikane reagieren würden, und welche Auswirkungen das auf sie persönlich hat. Während der Studie erhielten auch die Lehrer ein Gruppentraining. Jeder Schultag endete mit einer 15minütigen Aufarbeitung der Ereignisse des Tages (wobei in den Klassenräumen angebrachte Poster verwendet wurden). Die Schüler entschieden jeweils, ob sie reflektierend und mitfühlend waren, und ob die Klasse einen Tag des erfolgreichen mentalen Verständnisses hatte. Es wurden überdies im Verlauf der Studie regelmäßige Verhaltensbeobachtungen an einer zufällig ausgewählten Gruppe von Schülern vorgenommen. Außerdem wurden die Kinder alle sechs Monate gebeten, Fragebögen zu aggressiven Handlungen, zur Viktimisierung, zum Verhalten der Zuschauer und zur Entwicklung des mentalen Verständnisses auszufüllen. Die randomisierte kontrollierte Studie gab weder spezielle Regeln gegen das Schikanieren vor, noch wurde irgendeine spezielle Behandlung unterstützt. Dennoch beobachtete das CAPSLE-Team, dass die "Schultyrannen" im Laufe der Zeit entmachtet wurden. Die Gesamtergebnisse der drei überwachten Schultypen zeigten, dass das Schikanieren insgesamt zugenommen hatte. Dabei muss unbedingt in Betracht gezogen werden, dass das Leben in dieser Gegend innerhalb der dreijährigen Studie von zahlreichen sozialen und wirtschaftlichen Problemen überschattet wurde. Schulen, die nicht Gegenstand des Programms waren, zeigten allerdings eine wesentlich deutlichere Tendenz zu diesem Verhalten. Professor Twemlow zufolge, der auch schon als Berater für Schießereien an Schulen für das US-amerikanische Federal Bureau of Investigation (FBI) gearbeitet hatte, gibt es zwei Gründe, die Ergebnisse trotzdem als erfolgreich zu betrachten. "Erstens gingen der Stadt wichtige Industrieansiedlungen verloren, es gab dort einen derart starken Anstieg der Gewalt, dass die Stadt als die gewalttätigste Gegend für eine Bevölkerung in den USA galt, und die einfachen Menschen sehr durch Schießereien verängstigt waren. So hätte man eine Verbesserung angesichts der sozialen Situation eigentlich schlicht als Wunder betrachten müssen", beurteilte der Professor die Stadt im mittleren Westen, in der die Studie stattfand. "Zweitens ist dies unseres Wissens nach die erste randomisierte kontrollierte Studie, die ihren ausschließlichen Schwerpunkt auf der Gruppe der Zuschauer hatte, ohne Versuche, den Täter oder das Opfer direkt positiv zu beeinflussen. Das Programm gibt Schulen einen wirklich kulturübergreifenden Weg vor, das Schulklima als Ganzes in den Mittelpunkt zu rücken, was generell als eine bessere Möglichkeit des Umgangs mit schulischer Gewalt zu betrachten ist." CAPSLE wurde mithilfe einer Reihe privater Stiftungen finanziert. Aus der Methode gewonnene Konzepte sind gleichfalls in Programmen in Australien, Neuseeland, Jamaika und Ungarn eingesetzt worden.

Länder

Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten

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